Kommentar:Akt der Verzweiflung

Olaf Koch, der Chef des Handelskonzerns Metro, macht eine Kehrtwende. Vor wenigen Wochen war die SB-Tochter Real noch unverzichtbar, nun soll sie weg.

Von Michael Kläsgen

Olaf Koch ist ein eloquenter Manager, und man kann dem Chef des Metro-Handelskonzerns auch zugutehalten, das Bestmögliche zu versuchen, auch wenn der Erfolg bislang ausgeblieben ist. Er wirkt wie ein artiger Junge, der stets ohne Widerrede ausführt, was ihm, in dem Fall nicht seine Eltern, sondern seine Großaktionäre aufgetragen haben. Er hat vor drei Jahren brav Galeria Kaufhof verkauft, vor einem Jahr dann Media Saturn abgespalten, jetzt will er die Real-Märkte abstoßen.

Er verneint zwar ausdrücklich, auf Geheiß des neuen tschechischen Metro-Aktionärs zu handeln. Aber das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Vor wenigen Wochen argumentierte Koch noch genau andersherum. Da meinte er, der Großhandel, also das Geschäft mit der Belieferung von Lebensmitteln vom Hersteller in beispielsweise Restaurants, würde sich hervorragend mit dem SB-Warenhaus Real ergänzen. Denn dieser Großsupermarkt sei ein perfektes Schaufenster für die Waren, die Metro über den Großhandel bezieht. Nach dem Treffen mit Daniel Kretinsky ist davon keine Rede mehr. Plötzlich ist Real zum Störfaktor geworden.

Koch behauptet auf einmal wenig glaubhaft, nun sei der ideale Zeitpunkt gekommen, Real auf eigene Beine zu stellen. Am bemitleidenswerten Zustand von Real hat sich aber in Wirklichkeit nichts geändert. Vielmehr hat sich Koch in eine Sackgasse manövriert. Das neue in Krefeld getestete Konzept funktioniert nicht. Weitere Filialen so aufwendig wie dort zu modernisieren, kostet enorm viel Geld. Geld, das Metro nicht hat. Gleichzeitig gelang es Koch nicht, die hohen Personalkosten zu senken. Die Gespräche mit den Gewerkschaften sind nach mehr als zwei Jahren quälender Verhandlungen gescheitert. Koch musste nach dem Einstieg des Milliardärs aus Tschechien handeln, vor allem, um seinen eigenen Kopf vorerst zu retten. Schon der jahrzehntelange, treue Metro-Großaktionär Haniel war sehr unzufrieden mit ihm. Kretinsky wird weniger Geduld haben, er will im Aktienkurs ablesbare Ergebnisse sehen. Koch, in seiner Verzweiflung, möchte die rasch liefern. Deswegen der Real-Verkauf. Der aber könnte sich viel länger hinziehen, als sich Koch das erhofft, vielleicht Jahre. Manche Filialen könnten unverkäuflich sein.

Koch müht sich, seine Ratlosigkeit zu verbergen und tut so, als habe er noch die Kontrolle über das Geschehen. Er suche, sagt er, einen Käufer, der "es gut meint" mit Real. Das erinnert an das Jahr 2015. Da glaubte Koch, mit den Kanadiern von HBC einen "idealen Partner" für Kaufhof gefunden zu haben. Heute steht der Warenhauskonzern am Rande der Pleite, Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Den Mitarbeitern von Real ist ein anderes, glücklicheres Schicksal zu wünschen. Auf Koch können sie kaum setzen. Er hätte im Zweifel nicht viel mehr als seine Eloquenz aufzubieten.

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