Mietzahlungen:Adidas steht zu Recht am Pranger

Mietzahlungen: Adidas und andere Einzelhändler planen, keine Miete mehr für wegen der Corona-Pandemie geschlossene Geschäfte zu zahlen.

Adidas und andere Einzelhändler planen, keine Miete mehr für wegen der Corona-Pandemie geschlossene Geschäfte zu zahlen.

(Foto: Odd Andersen/AFP)

Der Sportartikelhersteller hat einen Fehler gemacht, indem er ohne große Not Mietzahlungen aussetzte. Firmenchef Rorsted sollte das schnell korrigieren.

Kommentar von Marc Beise

Das kann teuer werden für Adidas. Die Ankündigung, wegen der Corona-Krise Mietzahlungen für seine Geschäfte auszusetzen, könnte eine dramatische Fehleinschätzung des ansonsten so klug agierenden Sportartikelherstellers aus Herzogenaurach sein. Erste Reaktionen in Politik und Bevölkerung offenbaren nahezu völliges Unverständnis. Viele meinen, hinter der Maßnahme ein höchst egoistisches Motiv zu erkennen: Hier wolle sich ein immer noch gut positionierter Konzern auf Kosten anderer aus der Affäre stehlen - einfach, weil's der Staat ihm jetzt so leicht macht.

Viel ist in den vergangenen Tagen über das von der Politik bewilligte gewaltige Rettungspaket für die Wirtschaft gesprochen worden, überwiegend zustimmend. Besonders den kleinen Betrieben und Geschäften gilt das allgemeine Mitgefühl. Weithin anerkannt ist aber auch, dass selbst den Großen geholfen werden muss. Einige Konzerne erhalten milliardenschwere Hilfspakete von der staatlichen Förderbank KfW, feindliche Übernahmen aus dem Ausland will der Staat notfalls mittels Verstaatlichung verhindern.

Tatsächlich sind ja viele Unternehmen in ernsthaften Schwierigkeiten, man muss sagen: nicht immer ohne Eigenverschulden. Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Konzerne auf Kante genäht sind, sofort wieder ausgeben, was sie eingenommen haben, keine nennenswerten Rücklagen oder Notfallpläne haben. Viel ist über den Fußball-Hierarchen Uli Hoeneß gespottet worden, der gerne das berühmte Festgeldkonto seines FC Bayern bemüht, das stets prall gefüllt sei - ein Vorbild? Darüber wird nach der Krise zu reden sein. Worum es jetzt geht, ist, die Rettung klug zu organisieren.

Der Rechtsstaat braucht Reputation - daran sollten auch Manager denken

Das betrifft zunächst die Frage, ob die Hilfe überhaupt bei den (kleinen) Unternehmen ankommt, daran hakt es vielerorts. Und dann muss die Wirkung der Maßnahmen immer wieder überprüft werden, besonders dort, wo bisher eherne Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders gelockert werden, vor allem die, dass Verträge einzuhalten sind. Das Signal darf nicht sein, dass Macht vor Recht geht und die Großen und Schnellen und Ungenierten die Kasse plündern. Im Interesse der Glaubwürdigkeit des Systems darf nicht einmal ein solcher Eindruck entstehen.

Am konkreten Fall: Ein Milliarden-Konzern wie Adidas - der übrigens gut gewirtschaftet und hohe Gewinne und Rücklagen hat - sollte es nicht nötig haben, Mieten für ein paar Dutzend Geschäfte in Deutschland zu stunden, auch wenn die Vermieter selbst größere Unternehmen sind, die das vielleicht verkraften können; die wenigen Privatvermieter hat der Konzern nach eigener Aussage ausgenommen. Gerade mal zwei Wochen nach der Verlangsamung des Lebens und in der Erwartung, dass es in wenigen Wochen wieder los geht, gibt es andere Möglichkeiten, sich zu helfen. Der angerichtete öffentliche Schaden ist jetzt schon immens. Adidas wird vielen anderen Unternehmen als Schrittmacher willkommen sein.

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Es ist deshalb richtig, wenn Politiker wie die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht klar ihre Stimme erheben, und auch plakative Maßnahmen wie die ihrer Vorgängerin Katarina Barley sind verständlich. Beide Frauen wissen sozusagen qua Amtes, wie schwer sich der Rechtsstaat mit den neuen Ausnahmemaßnahmen tut, diese dürfen deshalb erst recht nicht leichtfertig desavouiert werden.

Adidas & Co. sollten sich auch nicht täuschen. Wer glaubt, die allgemeine "Rette sie, wer kann"-Stimmung unauffällig ausnutzen zu können oder darauf setzt, dass der Verbraucher die schicken Produkte aus dem eigenen Haus bald wieder bedenkenlos kaufen wird, könnte sich verrechnen. In Zeiten der sozialen Netzwerke kann der Ruf eines Unternehmens schneller beschädigt werden als je zuvor, übrigens auch der Ruf eines Managements.

"Ausgerechnet der gute und viel gepriesene Herr Rorsted": Eine Reaktion wie diese, aus einer Mail gefischt, zeigt, dass sich die Kritik auch ganz konkret gegen den Vorstandsvorsitzenden von Adidas richtet. Der sympathische, allseits beliebte und ziemlich erfolgreiche Däne, der früher bei Henkel und jetzt bei Adidas spitzenmäßige Haltungsnoten verbuchen konnte, hat ganz offensichtlich einmal nicht aufgepasst. Er sollte das tun, was den großen vom kleinen Entscheider unterscheidet: einfach mal einen Fehler zugeben und sich korrigieren.

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