Kolumne: Pipers Welt:Hunger nach Gold

Kolumne: Pipers Welt: An dieser Stelle schreibt jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper. Illustration: Bernd Schifferdecker

An dieser Stelle schreibt jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper. Illustration: Bernd Schifferdecker

Vor 150 Jahren erschütterte der erste Schwarze Freitag die Wall Street. Auslöser war eine missglückte Goldspekulation. Gut, gerade heute daran zu erinnern, wenn Anleger in das Metall fliehen. Denn man kann viel Unfug damit treiben.

Von Nikolaus Piper

Wer sich als Sparer ärgern will, der sollte in diesen Tagen den Goldpreis anschauen. Hätten er oder sie vor einem Jahr 31,103 Gramm Gold (also eine "Feinunze") gekauft, dann wären sie heute um 330 Euro oder mehr als 30 Prozent reicher. Stattdessen müssen sie sich mit Sparkonten ohne Zinsen und der Aussicht auf Strafzinsen herumschlagen. Gold dagegen ist heute so teuer wie seit sechs Jahren nicht mehr; zuletzt kostete es um die 1350 Euro pro Feinunze.

Ein geringer Trost ist es, dass man, wie immer, sehr gut begründen kann, warum die Dinge am Goldmarkt genauso laufen müssen, wie sie laufen. Die niedrigen Zinsen sinken weiter, es gibt nur noch wenige andere Möglichkeiten, sein Geld anzulegen. Vor allem aber ist der steigende Goldpreis ein starkes Indiz dafür, dass viele Menschen Angst haben - Angst vor einem ungeregelten Brexit, vor Handelskriegen zwischen den Vereinigten Staaten einerseits und der Volksrepublik China und Europa andererseits. Gold horten, die archaischste Form, Werte aufzubewahren, gilt als sicherste Form, um sich in Zeiten wie diesen gegen alle Widrigkeiten abzusichern. Manche, vor allem in der AfD, glauben so sehr an das Edelmetall, dass sie am liebsten den Euro abschaffen und das Währungssystem wieder auf Gold gründen möchten, so wie vor dem Ersten Weltkrieg.

Da trifft es sich gut, dass es in diesem Jahr ein schönes Jubiläum zu feiern gibt. Der erste Schwarze Freitag der Wall Street wird 150 Jahre alt. Nicht um den Börsenkrach vom 25. Oktober 1929, mit dem die Weltwirtschaftskrise begann, geht es also, sondern um den 24. September 1869, an dem in New York eine der größten Goldspekulationen der Geschichte zusammenbrach. Der damalige Krach zeigt besonders schön, wie viel Unfug man mit dem angeblich sicheren Edelmetall treiben kann.

Es war in der Zeit der Räuberbarone, die nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges 1865 begonnen hatte. Die Regierung in Washington hatte den Krieg gegen die Südstaaten zu einem erheblichen Teil mit gedrucktem Geld finanziert - sie zahlte ihre Rechnungen mit frischen Banknoten, sogenannten Greenbacks, die so hießen, weil ihre Rückseite grün war. Der Begriff hat sich bis heute gehalten. Nach ein paar Jahren Frieden wollte die Regierung in Washington dem Dollar wieder eine feste Grundlage geben. Zu diesem Zweck wollte sie die umlaufende Geldmenge verringern, indem sie Greenbacks zurückkaufte. Und zwar mit Gold.

Jetzt trat der - nach zeitgenössischen Berichten - unangenehmste der amerikanischen Räuberbarone auf: Jim Fisk. Er wird als ordinär und geschmacklos beschrieben und konnte, obwohl erst Mitte dreißig, eine eindrucksvolle Liste von Betrügereien vorweisen. Zusammen mit seinem Partner Jay Gould entwickelte er folgenden Plan: Alle rechnen damit, dass die Regierung bald viel Gold auf den Markt werfen und der Preis daher sinken wird. Also werden wir nach und nach möglichst geräuschlos alles auf dem Markt verfügbare Gold aufkaufen. Der Preis wird nicht wie erwartet sinken, sondern steigen. Und wir können fette Gewinne einfahren. Um ganz sicherzugehen, bestachen die beiden den Schwager von US-Präsident Ulysses Grant, einen Finanzinvestor namens Abel Corbin: Er sollte Grant dazu überreden, mit dem Verkauf von Gold noch ein wenig zu warten. Grant war zwar ein verdienter General aus dem Bürgerkrieg, aber er verstand nichts von Geld und war dem Treiben der Räuberbarone hilflos ausgeliefert.

Die Strategie von Fisk und Gould, möglichst das gesamte Angebot an Gold aufzukaufen, nennt man "Cornern des Marktes": Sie wird immer wieder versucht und geht fast immer schief, weil es eben praktisch unmöglich ist, eine Ware komplett abzuräumen. 1980 etwa versuchten drei Brüder in Texas mit Namen Hunt, den Silbermarkt zu cornern, und scheiterten. So war es auch 1869. Als Präsident Grant endlich begriff, was geschah, ließ er große Mengen an Gold auf den Markt werfen. Am 24. September 1869 brach die Spekulation zusammen, es kam zu einer Panik, viele Anleger verloren ihr Vermögen.

Fisk konnte zwar angeblich seine bis dahin erzielten Gewinne sichern, er hatte aber nicht viel davon. Ein früherer Geschäftspartner, Edward Stokes, erpresste Fisk mit Wissen über dessen Betrügereien. Als der Räuberbaron nicht zahlen wollte, erschoss ihn Stokes am 6. Januar 1872 auf der Treppe eines Hotels am Broadway in Manhattan.

Die Zeit der Räuberbarone ist lange vorbei, und wer heute betrügen will, der tut dies mit seiner Steuererklärung, nicht mit Gold. Von damals geblieben ist aber der Mythos, der das geheimnisvoll glänzende Metall umgibt.

In diesem Zusammenhang wäre noch an das Jahr 2012 und das deutsche Gold zu erinnern. Deutschland verfügt, nach den Vereinigten Staaten, über die zweitgrößten Goldreserven der Welt. Ein großer Teil davon lagert nicht bei der Bundesbank in Frankfurt, sondern im atombombensicheren Keller der Federal Reserve Bank of New York. Das ist durchaus sinnvoll, denn wenn überhaupt, dann braucht man das Gold für Interventionen am Devisenmarkt, und der findet an der Wall Street statt. Dem CSU-Rechtsanwalt Peter Gauweiler und einigen anderen Politikern war das aber zu unsicher. (Die Amis könnten ja Pappschachteln statt Goldbarren in den Tresor stellen.) Sie traten eine große Kampagne zur "Heimholung" des deutschen Goldes los, mit dem Ergebnis, dass die Bundesbank schrittweise 674 Tonnen Gold aus New York und Paris nach Frankfurt transportieren ließ. Die Aktion kostete 7,7 Millionen Euro, ihr einziger Zweck war die Beruhigung atavistischer Gefühle. Oder, um mit dem großen John Maynard Keynes zu sprechen: Gold ist eben ein "barbarisches Relikt".

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