Kohlekraftwerk Moorburg:Ende eines Abenteuers

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Der Vattenfall-Konzern will das umstrittene Kohlekraftwerk stilllegen. Dem Hamburger Senat käme das sehr entgegen.

Von Michael Bauchmüller und Peter Burghardt, Berlin/Hamburg

Das Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg könnte bereits Mitte des kommenden Jahres ganz oder teilweise stillgelegt werden – wenn es eine entsprechende Prämie dafür gibt. (Foto: Jannis Grosse/imago)

Die Worte auf den Transparenten waren deutlich: "Kohle tötet", stand auf einem, "Moorburg sofort abschalten". Dass man mit Fahrrädern und Kanus so schnell zum Erfolg kommt, hätten sich die Demonstranten am vorigen Wochenende wohl kaum träumen lassen. 500 Klimaaktivisten hatten sich rund um das umstrittene Hamburger Kohlekraftwerk versammelt. Dabei war die Entscheidung da schon längst gefallen: beim Betreiber Vattenfall selbst.

Der schwedische Vattenfall-Konzern will das Abenteuer Moorburg beenden. "Es ist eine schwere Entscheidung, weil es ein junges, hocheffizientes Kraftwerk ist", sagte Vattenfall-Konzernchef Magnus Hall der Süddeutschen Zeitung. "Wenn man aber andererseits Geld damit verliert, muss man etwas tun." Und die Schweden haben etwas getan: Sie haben das Kraftwerk bei der Auktion angemeldet, die über die Zuteilung von Stilllegungsprämien entscheidet. "Wenn wir den Zuschlag bekommen, würden wir die entsprechenden Kapazitäten Mitte nächsten Jahres schließen", sagte Hall. Ganz oder teilweise könnte das Kraftwerk an der Elbe dann den Dienst einstellen.

Viel Freude hat Vattenfall nicht an Moorburg gehabt. 2006 hatte sich der Konzern entschieden, das Kraftwerk zu bauen. Seinerzeit galten neue Kohlekraftwerke noch als dringend nötig, um "Stromlücken" zu verhindern. Der Widerstand gegen die klimaschädliche Kohle organisierte sich gerade erst. In der Folge wurde Moorburg zum Gegenstand diverser juristischer Scharmützel, immer wieder stand die Inbetriebnahme infrage. Erst 2015 ging es in den kommerziellen Betrieb. Das Kraftwerk besteht aus zwei Blöcken mit jeweils etwas mehr als 800 Megawatt Leistung. Im vorigen Jahr stieß es nach Vattenfall-Angaben 4,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Gegner sehen darin den "größten Klimakiller Norddeutschlands".

Doch mittlerweile stehen viele Kohlekraftwerke unter Druck: Die Strompreise sind gefallen, und die Preise der CO₂-Emissionszertifikate sind hoch. Die Unternehmen müssen also viel ausgeben für die Berechtigung, Kohlendioxid ausstoßen zu dürfen. Seit dem Kohlekompromiss im vergangenen Jahr haben die deutschen Meiler ohnehin ein Verfallsdatum, Moorburg hätte bis spätestens 2038 laufen können. Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser nannte die Pläne am Freitag "ein Zeichen, dass die Steinkohle wirtschaftlich und politisch tot ist".

Ob auch Moorburg - oder Teile davon - am Ende tot sein werden, entscheidet nun die Auktion. Über solche Auktionen läuft neuerdings die Stilllegung von Steinkohleblöcken. Ihre Betreiber können hier deren Stilllegung anbieten. Den Zuschlag erhält, wer dies für die geringste Entschädigung zu tun bereit ist. Die erste dieser Auktionen war erst in dieses Woche beendet worden, mit ihr sollen insgesamt 4000 Megawatt stillgelegt werden. Anfang Dezember will die Bundesnetzagentur bekannt geben, wer den Zuschlag erhalten hat. Erst dann wird klar, ob Moorburg im Rahmen der Auktion ganz oder teilweise stillgelegt wird - oder andere Kohlekraftwerke das billiger angeboten haben.

Dem rot-grünen Hamburger Senat kämen die Pläne von Vattenfall durchaus entgegen. "Ehrgeizige Einzelvorhaben wie die schnelle Abschaltung des Kraftwerks Moorburg werden wir mit Nachdruck vorantreiben", heißt es in ihrem Koalitionsvertrag. Bis 2030 soll ohnehin die komplette Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien und intelligente Wärmespeicher umgerüstet werden. Die Fernwärme aus Moorburg wäre überflüssig.

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan von den Grünen war angenehm überrascht, als die Nachricht vom möglicherweise raschen Ende eines Kraftwerks eintraf, das er "Kohle-Koloss Moorburg" nennt. "Dies wäre ein riesengroßer Schritt für den Klimaschutz in Hamburg und Norddeutschland", so Kerstan. "Die angedachte Umrüstung auf Gas hätte sich damit erledigt." Der Standort Moorburg sei ideal, um dort innovative und klimafreundliche Energiepolitik zu betreiben. "Die Produktion von grünem Wasserstoff, ein Elektrolyseur oder Hochtemperaturspeicher können unabhängig vom Kraftwerk dort vorangetrieben werden."

Im Wahlkampf hatten der parteilose Wirtschaftssenator Michael Westhagemann und SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher mit der Idee der Wasserstoff-Elektrolyse in Moorburg geworben. Auch von einer teilweisen Verwandlung in ein Gaskraftwerk war die Rede. Aus der Wirtschaftsbehörde heißt es jetzt, das Ende von Moorburg sei "ja noch rein hypothetisch". Auf die Pläne für Umbau und Elektrolyseur habe das keine Auswirkungen.

An dem Kohlekraftwerk südlich der Elbe scheiden sich schon lange die Geister, zur Energiewende passte es ja nicht so gut. Auch entschied Hamburgs Oberverwaltungsgericht erst kürzlich, dass Vattenfall für die Kühlung kein Elbwasser verwenden darf. Fridays For Future war bei der Demo in Moorburg vor einer Woche dabei - und freut sich jetzt: "Die dreckigsten Energieträger stehen vor ihrem Ende."

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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