Kohlebergbau:Schicksalstage für Kumpel

Bis wann wird Kohle in Deutschland gefördert? Brüssel fordert einen Ausstieg 2014, Berlin will den Bergbau bis 2018 ermöglichen. Wissenschaftler stützen nun den EU-Kurs.

Karl-Heinz Büschemann und Cerstin Gammelin

Die von der EU-Kommission geforderte vorzeitige Beendigung des deutschen Kohlebergbaus führt nicht zu Mehrkosten für den Steuerzahler. Das sagte Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung der Süddeutschen Zeitung. "Es gibt dafür keine überzeugende Begründung", sagt der Experte für öffentliche Finanzen. "Aus unserer Sicht wäre der Ausstieg bis 2014 möglich, ohne zusätzliche Belastungen für den Steuerzahler."

Berlin und Brüssel streiten sich: Wann ist Schicht im Schacht?

Berlin und Brüssel streiten sich: Wann ist Schicht im Schacht?

(Foto: dpa)

Damit widerspricht der Wissenschaftler den Vertretern der deutschen Kohlewirtschaft und der Gewerkschaft. Sie behaupten, das Vorziehen der Schließung der letzten deutschen Kohlezechen von 2018 auf 2014 werde die Steuerzahler deutlich höher belasten als der spätere Ausstieg.

Anlass für den Streit ist die Forderung der EU-Kommission, die letzten deutschen Kohlezechen schon 2014 zu schließen. Die Bundesregierung, die Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie die Kohlegewerkschaft IGBCE wollen die staatlichen Beihilfen für die Pütts bis 2018 laufen lassen. Das hatten sie 2007 in einem Vertrag festgelegt.

Sie hatten aber außer Acht gelassen, dass die Bundesregierung zuvor Brüssel zugesagt hatte, die staatlichen Hilfen für die Bergwerke schon 2010 zu beenden. Die Deutschen hatten in ihrem eigenen Pakt sogar eine Revisionsklausel vorgesehen. Sie wollten 2012 noch einmal prüfen, ob die Zechen nicht sogar über 2018 hinaus in Betrieb bleiben könnten.

In Brüssel stößt das Argument des RWI auf offene Ohren. "Die Kosten spielen eine große Rolle für eine sachliche Entscheidung", sagte ein hoher EU-Diplomat der Süddeutschen Zeitung. Wenn der frühere Ausstieg aus den Subventionen für die Steuerzahler billiger sei, spreche nichts dafür, sie zu verlängern. Die Brüsseler Behörde suche weiter nach Argumenten, bevor sie erneut über die Kohlehilfen beraten werde. "Neben den Kosten muss die deutsche Regierung auch glaubhaft versichern, dass das nächste Datum endgültig den Ausstieg markiert". Brüssel erwarte in jedem Falle, dass die Revisionsklausel aus den deutschen Verträgen gestrichen werde.

In dem Streit um die Kohlesubventionen geraten EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) derzeit unter massiven Druck. Zwischen Brüssel, Berlin, Düsseldorf und dem Gewerkschaftssitz Hannover wird kräftig telefoniert. Am Mittwochabend rückten Gewerkschafter, NRW-Landespolitiker und führende RAG-Manager bei Oettinger in Brüssel an. Am Tag zuvor hatte sich der EU-Kommissar mit dem IGBCE-Chef Michael Vassiliadis in Straßburg getroffen. Der Erklärung zufolge, die beide herausgaben, fanden die beiden aber nicht zu einer gemeinsamen Linie. Oettinger wollte sich angesichts der scharfen Diskussionen nicht äußern.

Bundeswirtschaftsminister Brüderle wird bedrängt, seine Position aufzugeben, weil er den Konsens in der Regierung stört. Der FDP-Minister hatte zum Ärger der Kanzlerin mitgeteilt, er halte ein frühzeitiges Auslaufen des Kohlebergbaus ökologisch und ökonomisch für sinnvoll. Angela Merkel zeigt sich dagegen entschlossen, "mit allen Mitteln" für das Auslaufen 2018 zu kämpfen. Sie sprach darüber bereits mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Brüderle verlangt indessen "neue Zahlen, um eine Entscheidung herbeiführen zu können".

"Ende der Steinkohle bringt schwere Auswirkungen"

Das bringt den Gewerkschaftschef Vassiliadis auf die Palme. Der Arbeitnehmervertreter, der bereits Demonstrationen von Kohelarbeitern in Brüssel ankündigte, wirft dem Wirtschaftsminister in einem Brief vor, Deutschland trete in Brüssel in dieser Frage mit keiner klaren Position auf. Das habe diesem "wichtigen Thema weitere Belastungen hinzugefügt". Mit drohendem Unterton schreibt er: "Ein Beenden der Steinkohleförderung vor 2018 würde für die Steuerzahler in Deutschland teurer und brächte zusätzlich schwere soziale Auswirkungen mit sich." Vassiliadis beruft sich dabei auf ein von der Kohleindustrie beim Prognos-Institut in Auftrag gegebenes Gutachten. Alle Beteiligten sollten sich bald treffen, um offene Punkte zu klären.

Am kommenden Donnerstag werden die Botschafter der 27 EU-Länder die Frage erneut beraten. Man erwarte, "dass die Bundesregierung bis dahin eine klare Linie findet", hieß es in diplomatischen Kreisen. Auf der Sitzung am vergangenen Dienstag hatte Deutschland wegen des Krachs zwischen Kanzlerin und Minister dafür gesorgt, dass die Entscheidung vertagt wurde. Bis zum 10. Dezember soll über das endgültige Ausstiegsdatum entschieden werden.

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