Kohle:Die etwas andere Energiewende

A security guard watches from a coal heap during a climate change protest at Ratcliffe Power Station at Ratcliffe-on-Soar

Ein Kohlekraftwerk in Ratcliffe-on-Soar.

(Foto: Darren Staples/Reuters)

Erstmals seit 1882 nutzt Großbritannien keine Kohlekraftwerke.

Von Björn Finke

Die historische Nachricht schickte der britische Stromnetz-Betreiber National Grid ganz neumodisch über Twitter: "In den vergangenen 24 Stunden hat National Grid Großbritannien mit Strom versorgt, ohne dass Kohlekraftwerke gebraucht wurden", teilte der Konzern am Freitagnachmittag mit. Es war das erste Mal seit 1882, dass im Königreich Kohle für die Stromproduktion einen Tag lang keine Rolle spielte. Im Januar 1882 hatte der amerikanische Erfinder und Unternehmer Thomas Edison in London das weltweit erste Kohlekraftwerk in Betrieb genommen. Danach war King Coal, König Kohle, lange der wichtigste Stromlieferant auf der Insel. Noch vor zwei Jahren steuerten Kohlemeiler fast ein Viertel des Stroms bei.

Doch im vergangenen Jahr waren es nur noch neun Prozent. Und schon da gab es manche Stunden, in denen Kohlekraftwerke keinerlei Energie beim Netzbetreiber einspeisten. Aber nun war es erstmals ein kompletter Tag. Als Grund dafür gab National Grid an, dass wenig Bedarf herrschte und zugleich Windkraftanlagen viel Strom lieferten.

Die britische Regierung führte bereits 2013 eine Kohlendioxid-Steuer ein. Blasen Kraftwerke das klimaschädliche Gas in die Atmosphäre, müssen sie dafür zahlen. Kohlemeiler stoßen besonders viel des Treibhausgases aus. Deswegen trifft sie die Steuer härter als Gas- oder Atomkraftwerke. Zugleich sanken in den vergangenen Jahren - ganz wie in Deutschland - die Börsenpreise für Strom, da immer mehr der subventionierten Solar- und Windkraftanlagen ans Netz gegangen sind. Die Energieversorger ziehen daraus Konsequenzen: Allein 2016 legten sie drei große Kohlemeiler still. King Coal steht vor der Abdankung; die Dreckschleudern rechnen sich nicht mehr.

Das passt zu den Plänen der konservativen Regierung. Die verspricht, dass bis 2025 das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird, dem Klima zuliebe. Deutschland könnte sich daran ein Beispiel nehmen: In der Bundesrepublik liefern Braun- und Steinkohlekraftwerke immer noch 40 Prozent des Stroms.

Trotz des Ausstiegs aus der Kohle ist die britische Energiepolitik bei Umweltschützern umstritten. Denn als Ersatz will London unter anderem eine Reihe neuer Kernkraftwerke hochziehen. Den Anfang macht Hinkley Point C: Im März begannen in Südwest-England die Bauarbeiten für den Atommeiler, der 2025 ans Netz gehen soll und gut 21 Milliarden Euro kostet. Bauherren sind der französische Versorger EDF und ein staatlicher Atomkonzern aus China.

Das Duo soll später zwei weitere Atommeiler im Königreich errichten; bei einem der beiden sollen die Chinesen das Reaktordesign liefern. Es wäre das erste Mal, dass ein chinesischer Reaktor in Westeuropa hochgefahren würde. Strom aus chinesischen Reaktoren statt aus Kohle - die Briten planen die etwas andere Energiewende.

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