Koalition will Banken notfalls zerschlagen:Wider die Erpressung

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Union und FDP wollen den Finanzmarkt zähmen, geben der Bundesbank die Kontrolle über die Institute - und drohen im Notfall mit der Zerschlagung.

H. Einecke, C. Hulverscheidt u. U. Schäfer

Die neue Koalition will Banken und Konzerne, die zu mächtig geworden sind, notfalls zerschlagen. Der Koalitionsvertrag sieht dazu gleich mehrere Maßnahmen vor. Eine Entflechtung sei die "Ultima Ratio", heißt es in dem Papier. Union und FDP ziehen damit die Lehren aus der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Bankenmetropole Frankfurt am Main - im Extremfall droht die Zerschlagung. (Foto: Foto: dpa)

Die neue Regierung will das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ändern und es dem Kartellamt erlauben, Konzerne zu zerlegen, wenn deren Marktmacht zu groß geworden ist. Die Frage, ob ein Unternehmen zu einflussreich ist und damit die Marktwirtschaft gefährdet, dürfte sich insbesondere bei den Banken stellen. Aus diesem Grund will die Koalition offenbar auch das Kreditwesengesetz überarbeiten. Union und FDP wollen "ein Instrumentarium schaffen, das es der Bankenaufsicht frühzeitig ermöglicht, systemrelevante Finanzinstitute im Rahmen eines geordneten Verfahrens zu restrukturieren".

Damit strebt die neue Koalition umfassende Eingriffsrechte insbesondere bei den großen Banken an. Entsprechende Debatten hatte es zuletzt auch in den USA und Großbritannien gegeben. Einer der wichtigsten Berater des amerikanischen Präsident Barack Obama, der ehemalige Notenbank-Chef Paul Volcker, sprach sich dafür aus, die größten Banken notfalls zu zerschlagen. Ähnlich hatte sich der britische Notenbank-Chef Mervyn King geäußert. Volcker und King wollen das riskante Investmentbanking, also etwa den Handel mit Derivaten, vom Geschäft mit Privatkunden trennen. Eine solche Trennung hatten die USA bereits im Gefolge der ersten Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre eingeführt. Diese strikte Aufteilung hatte bis 1999 gegolten. Seither dürfen Investmentbanken und Privatkundenbanken wieder fusionieren.

Parole: Mehr Eigenkapital, keine Erpressung

Union und FDP lassen offen, ob sie ähnlich umfassende Einschnitte wollen. Sie greifen aber im Koalitionsvertrag fast wortwörtlich eine Formulierung auf, die Kanzlerin Angela Merkel immer wieder verwendet hat: "Wir wollen verhindern, dass Staaten in Zukunft von systemrelevanten Instituten zu Rettungsmaßnahmen gezwungen werden können." Auf jeden Fall sollen die großen Banken nach dem Willen der Koalition künftig mehr Eigenkapital vorhalten, weil sie ein hohes Risiko für das gesamte System darstellen. Auch ein geordnetes Verfahren, wie eine Bankeninsolvenz abgewickelt werden kann, ist bereits in Planung.

Über die mögliche Zerschlagung von Banken würde künftig die Bundesbank entscheiden - und nicht etwa die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Denn Union und FDP wollen die Bankenaufsicht der Frankfurter Währungsbehörde zuschlagen und nicht mehr, wie bisher, der Bafin. "Wir werden die Bankenaufsicht in Deutschland bei der Bundesbank zusammenführen", heißt es im Koalitionsvertrag. Der Bafin-Standort Bonn bleibt bestehen, aber die bislang gemeinsame Bankenkontrolle geht voll auf die Bundesbank über.

Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Bafin-Präsident Jochen Sanio wehrt sich gegen den Machtverlust. Er sagte der Wirtschaftswoche, die Finanzkrise habe nur entschärft werden können, weil Bafin und Bundesbank gemeinsam und mit doppelter Kraft die Banken kontrolliert hätten. Effizienter als bisher könne man die deutsche Bankenaufsicht nicht aufstellen.Sanio wies auch darauf hin, die Bundesbank müsse ihre Unabhängigkeit teilweise aufgeben und sich politischer Kontrolle unterstellen.

Dem widersprechen CDU und FDP laut Koalitionsvertrag: "Der Umfang der bisherigen rechtlichen Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank wird durch die hinzukommenden hoheitlichen Zuständigkeiten nicht berührt". Der Bundesbankvorstand hat sich bereits einstimmig für die Übernahme der Bankenkontrolle ausgesprochen. Offen ist, wie die Versicherungen künftig beaufsichtigt werden. Die Assekuranz sieht sich bei der Bafin besser aufgehoben als bei der Bundesbank. Die künftige Bundesregierung hat neben Bankenzerschlagung und -kontrolle noch weitere Projekte in Arbeit, um Finanzkrisen künftig zu verhindern. Dabei hält sie sich an internationale Absprachen, nach denen jedes Produkt und jeder Akteur an den Finanzmärkten einer Kontrolle unterworfen werden soll. Eine unabhängige Stiftung nach dem Muster der Stiftung Warentest könnte künftig Finanzprodukte auf ihre Tauglichkeit prüfen.

Rating-Agenturen wird im Koalitionsvertrag eine Mitschuld an der Finanzkrise gegeben. Sie entwickeln, vertreiben und bewerten Finanzprodukte. Laut Vertrag sollen sie künftig beaufsichtigt und bestraft werden können. Außerdem soll es eine europäische Rating-Agentur geben, weil die Branche bisher fest in amerikanischer Hand ist und auf europäische Besonderheiten keine Rücksicht nimmt.

© SZ vom 26.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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