Koalition:Bagatellsteuer erhitzt die Gemüter

Zwischen Union und SPD bricht neuer Streit los - dieses Mal über die Senkung der Erbschaftsteuer. Dabei ist die ohnehin nur eine Bagatellsteuer. Unter bestimmten Voraussetzungen sollte sie sogar erhöht werden.

Paul Katzenberger

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wehrt sich dagegen, wie Peer Steinbrück (SPD) die Erbschaftsteuer reformieren will: Der Finanzminister möchte Firmenerben zwar wie Glos entlasten. Gleichzeitig stellt Steinbrück aber Bedingungen, die Glos misshagen.

Koalition: Finanzminister Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister Michael Glos: Zank über die Erbschaftsteuer.

Finanzminister Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister Michael Glos: Zank über die Erbschaftsteuer.

(Foto: Fotos: dpa, AP)

Das gut gemeinte Konzept Steinbrücks sieht Folgendes vor: Im Erbfall wird die für ein Unternehmen fällige Erbschaftsteuer berechnet und über einen Zeitraum von zehn Jahren zinslos gestundet - allerdings nur bei arbeitsplatzpolitischem Wohlverhalten des Unternehmens.

Um dieses sicherzustellen, wird gleichzeitig ermittelt, wie viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze das Unternehmen in den zwei Jahren vor dem Todesfall im Durchschnitt hatte. Sollte der Erbe etwa nach vier Jahren von 10 Beschäftigten zwei entlassen, würden in den restlichen sechs Jahren nur noch acht Prozent der jährlichen Steuerschuld gelöscht.

Kompliziertes Regelwerk

Typisch große Koalition! So könnte man dieses komplizierte Regelwerk wohl abqualifizieren, wenn man es sich leicht machen wollte. Denn dem lauthals propagierten Anliegen der Regierung, die Bürokratie in Deutschland abbauen zu wollen, spricht ein solches Regelwerk wohl geradezu Hohn.

Doch auch bei einer tiefergründigen Analyse unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ist Kritik angebracht. Der Zweck, den die Koalition verfolgt, ist zunächst zwar durchaus einsichtig: Weil Erben in Nachbarländern wie etwa Österreich vom Staat viel weniger zur Kasse gebeten werden als in Deutschland, befürchtet vor allem die Union die verstärkte Abwanderung von familiengeführten Unternehmen. Die Sozialdemokraten wollen hingegen verhindern, dass die Unternehmen zwar im Lande bleiben, dann aber eben hier fleißig Arbeitsplätze abbauen.

Mit ihrem Anliegen vermengt die SPD allerdings zwei völlig unterschiedliche Aspekte, denen sie mit dem Steuerungsinstrument "Erbschaftsteuer" nicht zugleich gerecht werden kann. Der Wirtschaftsminister agiert daher durchaus konsequent, wenn er die Erbschaftsteuer einfach nur absenken will, ohne allzu großes wenn und aber.

"Das ganze Package"

Ob ein Unternehmen nun Angestellte entlässt oder nicht, ist schließlich von der Höhe der Erbschaftsteuer nur sehr nachrangig abhängig. "Es kommt auf das ganze Package aus Kosten und Abgaben an", sagt dazu der Steuerexperte Kai Konrad vom Wissenschaftszentrum Berlin.

Wolle der Staat die Beschäftigung fördern, sei der Weg über die Erbschaftsteuern daher nicht gerade der Direkteste. Unmittelbarere Angriffspunkte bestünden vielmehr in direkten Lohnsubventionen, wie etwa den Kombilöhnen, empfiehlt der Finanzwissenschaftler. Fazit: Trotz aller bürokratischen Verrenkungen, zu denen die Finanzämter nun vergattert werden sollen, werden die Arbeitsplätze in Deutschland deswegen wohl kaum sicherer werden.

Doch auch Glos denkt zu kurz: Denn ob er Arbeitsplätze langfristig erhalten kann, wenn der Steuerwettlauf nach unten nun auch bei der Erbschaftsteuer einsetzt, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Bagatellsteuer erhitzt die Gemüter

Sicher: So mancher Firmenpatriarch wird zunächst keine unbedingte Notwendigkeit mehr erkennen können, nach Österreich oder in die Schweiz abzuwandern. Schließlich könnte er seinen Erben dann auch hier ein zumindest annähernd gleich großes Vermögen hinterlassen.

Allerdings gilt vor allen Dingen noch immer eins: Der Staat ist klamm. Wenn die Regierung ihre fiskalische Not nun also laufend vergrößert, indem sie wie geplant nicht nur die Firmensteuern sondern nun auch noch die Erbschaftsteuern absenkt, wird sie an anderer Stelle wohl umso schamloser zugreifen müssen.

Abgabenerhöhungen

Um herauszufinden, wo das sein wird, bedarf es keiner allzu großen Phantasien: Denn kaum ist die Mehrwertsteuererhöhung um monströse drei Prozentpunkte beschlossene Sache, da wird das Geraune über die nächsten Abgabenerhöhungen schon wieder sehr vernehmlich: Die Meldungen über die Beiträge zur Renten- als auch zur Krankenversicherung wiederholten sich zuletzt zu häufig, als dass sie der Beitragszahler gänzlich ignorieren könnte.

Da die Arbeit in Deutschland mit all ihren Nebenkosten aber schon jetzt viel zu teuer ist, dürfte das auf den Arbeitsmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Ob die geplante Senkung der Firmen- und Erbschaftsbesteuerung daher allzu viele Arbeitsplätze im Land hält, wenn gleichzeitig die Arbeitskosten nicht gesenkt werden oder sogar noch wachsen, darf wohl mehr als bezweifelt werden.

Bagatellsteuer

Die augenblickliche Bedeutung der Erbschaftsteuer wird bei all dem Koalitionsgetöse ohnehin überschätzt: Im Jahr 2005 trug sie nur etwa 0,9 Prozent zum gesamten Steueraufkommen in Deutschland bei. Unter den Bagatellsteuern waren da selbst die Abgaben auf Bier und Schaumwein ergiebiger. Im Gegensatz dazu beteiligten sich die Lohnsteuerzahler immerhin zu 30 Prozent am Staatshaushalt.

Warum die Regierung angesichts solcher Zahlen erbittert über eine Senkung der Erbschaftsteuer und nicht etwa über eine Erhöhung dieser Steuerart streitet, ist auch von marktwirtschaftlich orientierten Ökonomen nicht unmittelbar zu begründen: "Die Verzerrungswirkung der Lohn- und Erbschaftsteuer dürfte in aller Regel ungefähr gleich hoch sein", sagt etwa Finanzwissenschaftler Konrad.

Allein schon aus praktischen Erwägungen heraus wäre es wohl zu viel verlangt, deswegen nun sofort einen paritätischen Beitrag von Lohn- und Erbschaftsteuer zum Gesamtsteueraufkommen zu verlangen. Doch eine etwas höhere Beteiligung der Erbengeneration am Gemeinschaftswesen dürfte es vielleicht schon sein. Beispielsweise könnte die Regierung über zwanzig Milliarden Euro an Mehreinnahmen verbuchen, wenn die Erben nur fünf Prozent zum gesamten Steueraufkommen beiträgen würden.

Beispiele USA und Großbritannien

In der Entlastung des Faktors Arbeit wären solche Beträge gut angelegt, wie nicht zuletzt so marktwirtschaftlich verfasste Volkswirtschaften wie die USA und Großbritannien belegen. Deren Arbeitslosenquoten sind bekanntermaßen niedrig. Ihre Erbschaftsteuern hingegen vergleichsweise hoch.

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