Fahrzeugzulieferer:Die ewige Führungskrise bei Knorr-Bremse

Fahrzeugzulieferer: Es war zuletzt nicht so, dass Knorr-Bremse-Chefs lange auf ihren Posten geblieben wären. Nur: Was ist bloß los in diesem Unternehmen?

Es war zuletzt nicht so, dass Knorr-Bremse-Chefs lange auf ihren Posten geblieben wären. Nur: Was ist bloß los in diesem Unternehmen?

(Foto: Andreas Gebert/picture alliance/dpa)

Der Münchner Konzern wechselt seinen Vorstandschef aus, wieder einmal. Es ist inzwischen eine Art Tradition, und sie scheint sich auch nach dem Tode des langjährigen Eigners Heinz Hermann Thiele fortzusetzen.

Von Dieter Sürig

Knorr-Bremse befindet sich in einer Führungskrise, mal wieder. Mit Jan Mrosik, 57, geht nun der dritte Vorstandschef innerhalb von drei Jahren. Die Frage ist, ob es wirklich am Personal liegt oder doch eher am System?

Als der damalige Eigner des Fahrzeugzulieferers Knorr-Bremse, Heinz Hermann Thiele, im April 2007 Aufsichtsratschef des Unternehmens wurde, markierte das für den Münchner Konzern so etwas wie eine Zeitenwende. Thiele hatte als Hauptgesellschafter fast 22 Jahre lang das Unternehmen geführt und einen adäquaten Nachfolger gesucht. Es zeigte sich, dass dieses Vorhaben alles andere als einfach werden sollte, weswegen Knorr-Bremse sich immer wieder auf Chefsuche begeben musste. Nun also zum sechsten Mal. Es waren nur etwas mehr als 14 Monate für Jan Mrosik. Dabei war er zuvor mehr als 20 Jahre bei Siemens, was ja eigentlich für eine gewisse Kontinuität gesprochen hatte, und er hatte erst gute Zahlen vorgelegt.

Es sei kein Rauswurf gewesen, ist aus dem Unternehmen zu hören, Mrosik werde den Konzern Ende April "im besten Einvernehmen" verlassen und sofort aus dem Vorstand ausscheiden. Bei Mrosik seien es wohl Unzufriedenheit und Differenzen in der Führung über die weitere Strategie gewesen, sagt ein Insider. Dem Elektrotechniker und Wirtschaftsingenieur sei auch die Digitalisierung nicht schnell genug vorangegangen, einer der Gründe, weshalb er angetreten war - bei Siemens war er zuletzt für Digitale Industrien zuständig.

Zu wenig Krisenmanager?

Der Konzern-Mitteilung ist zu entnehmen, was Mrosik womöglich gefehlt haben könnte. So misst der Konzern im Anforderungsprofil für die Nachfolge "den schnellen globalen Veränderungsprozessen in der krisenhaften Entwicklung der Weltwirtschaft und der enormen Dynamik der Märkte eine besondere Bedeutung" zu. Sprich: Mrosik war offenbar zu wenig Krisenmanager. Dass er die Auswirkungen des Ukraine-Krieges unterschätzt haben dürfte, deutet darauf hin. Einen größeren Einfluss auf das Geschäft hatte er vor gut zwei Wochen nicht gesehen, am vergangenen Montag gab er dann auf der Plattform Linkedin den Ausstieg aus einem langjährigen Joint-Venture mit dem russischen Lkw-Hersteller Kamaz bekannt.

Ob Noch-Aufsichtsratschef Klaus Mangold selbst auf die Suche geht, ist unklar, zumal der 78-Jährige selbst seinen Posten bei der Hauptversammlung im Mai abgibt. Er wollte schon vor einem Jahr aus Altersgründen gehen, blieb dann aber nach dem Tode Thieles. Sein Nachfolger soll Noch-Infineon-Chef Reinhard Ploss, 66, werden. Um Kontinuität zu wahren, hat Knorr-Bremse den Vertrag von Finanzchef Franz Markus Weber vorzeitig um fünf Jahre verlängert. Er übernimmt auch die Aufgaben Mrosiks, bis ein Nachfolger gefunden ist.

Der erste Chef nach Thiele blieb noch am längsten

"Die müssen sich wohl erst einen schnitzen", witzelt ein Insider in bezug auf den idealen Konzernchef. Beim ersten Mal konnte Thiele 2006 nach langer Suche den Gildemeister-Vorstand Raimund Klinkner, 41, präsentieren. Der Logistik-Professor durfte immerhin seinen Vertrag erfüllen und verließ Ende 2011 "im gegenseitigen Einvernehmen" den Konzern. Dass der Maschinenbauer sogar hin und wieder mit dem Sattelschlepper ins Büro fuhr, um ein Gefühl für die Bremsen zu bekommen, half ihm nicht.

Thiele ließ sich dann bis Mitte 2013 Zeit, bevor Michael Buscher, 47, den Chefsessel einnehmen durfte. Der Elektroingenieur hatte vorher den Schweizer Werkzeugmaschinenkonzern OC Oerlikon geführt, zuvor beim Lokomotivenbauer Bombardier Erfahrungen gesammelt und Knorr-Bremse bereits als Aufsichtsrat begleitet. Auch Buscher war in den Augen Thieles trotz dieser Expertise offensichtlich ein Fehlgriff: Nach eineinhalb Jahren ging Buscher Ende 2014 wieder, "aus persönlichen Gründen", wie es gerne verklausuliert heißt.

Es übernahm: Der frühere Nutzfahrzeugvorstand Klaus Deller, 52. Deller musste 2019 nach vier Jahren und vier Monaten fast überstürzt gehen, zuvor hatte er den Konzern erfolgreich an die Börse gebracht. "Grund für das Ausscheiden von Herrn Deller sind unterschiedliche Auffassungen von Führung und Zusammenarbeit", teilte Knorr-Bremse damals ungewohnt offen mit. Ein halbes Jahr später folgte Bernd Eulitz, 53, der vom Gasehersteller Linde kam. "Er hat immer unter Beweis gestellt, dass er mit hoher Durchsetzungsstärke an seinen Zielen festhält", hatte Oberaufseher Mangold bei dessen Berufung gesagt. Daran hat es dann wohl gehakt: Nur zehn Monate nach Amtsantritt ging auch der - wegen "tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten". Und natürlich "in gegenseitigem Einvernehmen".

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