Klimawandel und Lebensmittel:Esst mehr Nudeln!

Wie und was wir essen hat großen Einfluss auf das Klima. Trotzdem traut sich die Politik nicht, dem Fleischkonsum Grenzen zu setzen - ein großer Fehler.

Kommentar von Silvia Liebrich

Spaghetti mit Tomatensoße, das mag fast jeder. Vor allem bei Kindern steht das Nudelgericht hoch im Kurs. Mütter und Väter schätzen es, weil es schnell zubereitet und günstig ist. Auch in Sachen Klimaschutz ist die einfache Mahlzeit wegweisend: Während eine Portion Schweinebraten mit Rotkohl und Kartoffelklößen umgerechnet mehr als drei Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid verursacht, kommt die Portion Tomaten-Spaghetti nur auf etwa 600 Gramm.

Das Beispiel macht deutlich, wie groß der Einfluss unseres Speiseplans auf das Klima ist. Bislang wird jedoch an dieser Stellschraube viel zu wenig gedreht. Kaum ein Politiker traut sich offen zu fordern, was offensichtlich und unverzichtbar ist: Sowohl in der Tierhaltung als auch beim Fleischkonsum müssen entschieden Grenzen gesetzt werden. Dieses Tabu muss endlich gebrochen werden, denn für künftige Generationen ist diese Ignoranz eine unzumutbare Bürde.

Eine neue Studie des Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) und der Umweltorganisation Grain macht das Einsparpotenzial an schädlichen Emissionen deutlich. Dass allein die fünf größten Fleisch- und Molkereikonzerne gemeinsam für mehr Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind als jeder der Ölkonzerne Exxon-Mobil, Shell, BP für sich, ist erschreckend - und ein Auftrag zu handeln.

Schon seit Jahren ist bekannt, dass mehr als 40 Prozent der schädlichen Treibhausgase in direktem oder indirektem Zusammenhang mit unserer Ernährung stehen, das ist mehr als der gesamte Straßenverkehr. Zwar waren sich beim Klimagipfel 2015 in Paris die Staaten einig, dass Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie ihren Beitrag leisten müssen, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Umso beschämender ist, dass dem bislang kaum Taten folgen.

Was fehlt, sind bis heute Zielvorgaben und Konzepte. Dabei sind die Ansatzpunkte bekannt. Schädliche Treibhausgase entstehen zu einem Drittel in der Landwirtschaft direkt. Aber auch wenn Lebensmittel verarbeitet und transportiert werden, fallen hohe Emissionen an. Hinzu kommt das unverminderte Abholzen von Wäldern für Agrarflächen und nicht zuletzt das Verschwenden von Lebensmitteln, einer der wenigen Ansatzpunkte, an denen bereits gearbeitet wird.

Doch es reicht nicht, ein paar Initiativen gegen das Wegwerfen von Essen zu starten oder an die Vernunft der Verbraucher zu appellieren. Es ist ein großer Widerspruch, dass EU-Kommission und Bundesregierung zwar besseren Klimaschutz versprechen, Landwirte, Fleisch- und Molkereikonzerne aber zugleich ermutigen, immer mehr zu produzieren. Klimaschutzziele lassen sich so nicht erreichen.

Ehrliche Kostenrechnung ist wichtig

Wie wenig Anspruch und Realität zusammenpassen, zeigt das gerade abgeschlossene Abkommen zwischen der EU und Japan, das europäischen Fleisch- und Milchproduzenten bessere Exportchancen sichert. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) feiert dies als großen Erfolg - und verkennt dabei, dass sie als Ministerin nicht nur das Wohl von Agrar- und Ernährungsindustrie im Auge haben muss, sondern das des ganzen Volkes und jener, die nachkommen.

Ziel darf es auch nicht sein, den Menschen das Fleischessen zu verbieten und Deutschland zu einem Land von Veganern zu machen. Das Motto muss schlicht lauten: mehr Nudeln, weniger Braten. Dafür braucht es eine Anleitung zum Maßhalten und für vernünftigen Konsum. Fleisch und Milch sind zu billig, weil sich nur ein Teil der Produktionskosten im Preis niederschlägt. Beispiel Nitrat, das vor allem aus Ställen stammt und in vielen deutschen Regionen das Grundwasser verschmutzt, weil zu viele Tiere gehalten werden. Ihre Anzahl muss begrenzt werden. Unzumutbar ist es da, dass die Kosten für die Trinkwasserreinigung nicht etwa den Verursachern in der Landwirtschaft aufgebürdet werden, sondern den Bürgern.

Mit einer ehrlichen Kostenrechnung lässt sich dieses Problem lösen. Wer schädliche Treibhausgase verursacht und Wasser verschmutzt, muss dazu gezwungen werden, dies auch in seine Preiskalkulation einzubeziehen. Gilt diese Regel für alle, muss niemand Nachteile im Wettbewerb befürchten. Zugleich werden so Anreize für eine umweltfreundlichere Produktionsweise gesetzt.

Genau hier muss die Politik ansetzen. Klar ist auch, dass Fleisch, Wurst und Milch dadurch teurer werden, doch dadurch sinkt die Nachfrage - und genau darum geht es. Dass zugleich so die Wertschätzung wieder steigt, ist dringend notwendig, auch im Sinne der Tiere, die für den Konsum ihre Leben lassen.

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