Verkehrspolitik:An der Zapfsäule muss sich grundlegend etwas ändern

Freie Tankstelle Baubergerstr. 16d, Moosach

Bis 2030 müssten die Preise für Benzin und Diesel massiv steigen, der Dienstwagenbonus und die Pendlerpauschale enden, so das Umweltbundesamt.

(Foto: Florian Peljak)

Es braucht nicht hier ein bisschen Förderung und da ein bisschen CO₂-Preis. Wenn der Klimaschutz im Autoland Deutschland gelingen soll, braucht es eine Offensive an allen Fronten.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Schönrechnerei hat in der deutschen Klimapolitik mittlerweile Methode. Da wären etwa: Ein Siegeszug von Elektroautos, der nie kam; supereffiziente Motoren, die nur im Labor so effizient waren; saubere Kraftstoffe der zweiten, dritten und x-ten Generation, die sich am Markt nie durchsetzen konnten. So manche Bundesregierung sagte so den klimaschädlichen Emissionen im Verkehr den Kampf an, nur eines änderte sich nie: die klimaschädlichen Emissionen im Verkehr.

Nun hat das Umweltbundesamt in der ihm eigenen Nüchternheit nachgerechnet, wie sich die riesige Klima-Lücke im Verkehr stopfen lässt. Was brächte ein Tempolimit? Was eine steigende Mineralölsteuer? Wie viel sparen die CO₂-Vorgaben für Autos und Lastwagen ein, die Brüssel verhängt hat? Wie viel Lkw-Verkehr lässt sich vermeiden, wenn die Maut steigt? Welchen Effekt hätte die Abschaffung von Subventionen, für Dienstwagen, Diesel und Pendler? Das Ergebnis ist nicht überraschend und lässt dennoch viele erschrecken: Es braucht nicht hier ein bisschen Förderung und da ein bisschen CO₂-Preis, sondern eine Offensive an allen Fronten. Wenn der Klimaschutz gelingen soll im Autoland Deutschland, muss sich auch an der Zapfsäule grundlegend was ändern.

Bisher leistet sich das Land ein absurdes Nebeneinander von erklärtem Klimaschutz einerseits und Anreizen, die das glatte Gegenteil bewirken. Dazu gehört etwa das Dienstwagen-Privileg, mit dem Firmen für Mitarbeiter Autos anschaffen und oft auch noch die Spritkosten übernehmen: Es lädt geradezu dazu ein, viel zu fahren. Die Pendlerpauschale bringt für diejenigen das meiste, die mit hohen Gehältern große Arbeitswege zurücklegen - und begünstigt so obendrein die Zersiedelung. Der steuervergünstigte Diesel macht es attraktiv, Güter auf der Straße zu transportieren und nicht etwa mit der Bahn. Und die derzeitige Staffelung der Lkw-Maut sorgt dafür, dass Güter mit vielen, vielen mautfreien 3,5-Tonnern transportiert werden - statt mit wenigen größeren Lastwagen. Die Mineralölsteuer ist in den vergangenen Jahren real gesunken und nicht gestiegen - dafür sorgte die Inflation. Denn erhöht wurde sie seit 16 Jahren nicht mehr.

So duldet die Regierung Fehlanreiz über Fehlanreiz: Warum die Emissionen im Verkehr stagnieren, statt zu sinken, ist gar nicht so schwer zu erklären.

Auf die sanfte Tour werden diese Zapfsäulen nie verschwinden

Natürlich geht jetzt ein Aufschrei durchs Land. Ein Diesel-Aufpreis von bis zu 70 Cent ist für die meisten Autofahrer schwer zu verkraften, schwerer noch als ein Tempolimit. Jeder und jede kann schnell für sich durchrechnen, was das bedeutet. Entscheidend ist deshalb, wie zusätzliche Belastungen flankiert werden. Die Einnahmen aus einer drastischen Anhebung der Energiesteuern zum Beispiel ließen sich an die Bürger zurückzahlen. Wenn jeder zu gleichen Teilen beteiligt wird, haben diejenigen, die wenig Energie verbrauchen - weil sie kleine, sparsame Autos fahren oder auf Bus und Bahn umgestiegen sind - unter dem Strich sogar einen Zugewinn. Der Wegfall der Entfernungspauschale lässt sich über höhere Werbungskostenpauschalen auffangen. Höhere Mauteinnahmen können helfen, Alternativen zu fördern, von Oberleitungen an Autobahnen bis zur Güterbahn.

Klimaschutz, den keiner mitbekommt - das wird nicht funktionieren. Das Feuerwerk der Innovationen, auf das Verkehrsminister Andreas Scheuer so gerne verweist, wird nur dann abbrennen, wenn es Anreize dafür gibt. Wenn Weichen so gestellt sind, dass sich die Alternativen lohnen. Wenn gleichzeitig Bund, Länder und Kommunen zäh an öffentlichen Angeboten arbeiten, die das Auto ersetzen können, auch in der Fläche.

Am Anfang aber steht die Ehrlichkeit gegenüber dem Bürger. Die Zahlenkosmetik immer neuer, am Ende unzureichender Klimapläne hat sich überlebt. Und ja, konsequente Klimapolitik bedeutet Zumutungen, vor allem an der Zapfsäule. Aber auf die sanfte Tour werden diese Zapfsäulen nie verschwinden.

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