Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Gesponserte Einsichten

Die Deutsche Energieagentur beteiligt Unternehmen an der Erstellung einer Klimastudie - gegen Geld. Lobbycontrol sieht darin eine Grenze überschritten. Doch unüblich ist das nicht.

Von Michael Bauchmüller und Uwe Ritzer, Berlin

Der Titel klingt verheißungsvoll. "Aufbruch Klimaneutralität" ist die Leitstudie überschrieben, an der die bundeseigene Deutsche Energieagentur (Dena) seit zehn Monaten arbeitet. Möglichst präzise Ratschläge für Regierung und Parlament sollen herauskommen, wie Deutschland bis 2050 klimaneutral werden kann. An diesem Donnerstag wird die Dena einen Zwischenbericht vorlegen. Aber konnten Sponsoren der Studie auf die Ergebnisse Einfluss nehmen? Konnten fossile Konzerne sich gewissermaßen in die wissenschaftliche Arbeit einkaufen?

Die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol vermutet genau das. "Hier kapern Lobbyisten eine bedeutsame Studie des Bundes", kritisiert die Campaignerin Christina Deckwirth. Sie verweist auf mehr als 80 Unternehmen und Verbände, die als Sponsoren der Studie aufträten. Darunter seien Firmen wie RWE, Thyssengas, Open Grid Europe oder Daimler, deren Geschäftsmodelle auf fossilen Brennstoffen beruhen. "Insbesondere Gas- und Ölfirmen sind stark vertreten", sagt Deckwirth. "Es läuft etwas grundlegend falsch bei einer staatlichen Agentur, wenn sie sich wissenschaftliche Forschung von denjenigen finanzieren und mitschreiben lässt, auf deren Geschäftsmodelle und Gewinnmöglichkeiten die Ergebnisse direkte Auswirkungen haben werden."

Eine Dena-Sprecherin räumte auf SZ-Anfrage ein, dass große Unternehmen und Verbände jeweils 35 000 Euro bezahlen, um an der Studie mitzuwirken; kleinere Firmen sind mit 20 000 und Start-ups mit 5000 Euro dabei. Es handele sich erklärtermaßen um ein so genanntes Drittmittelprojekt und man weise genau aus, wer daran beteiligt sei, so die Sprecherin. Im Übrigen sei der Leitgedanke der Studie, Partner einzubinden - um von "deren Expertise, Marktkenntnissen und Einschätzungen der gegenwärtigen und möglichen, zukünftigen Entwicklungen" zu profitieren. Dem Vorwurf, die Auswahl der Beteiligten sei einseitig, widerspricht die Dena mit Hinweis auf einen Beirat mit 45 Mitgliedern, dem Vertreter der Zivilgesellschaft, der Politik und auch von Umweltorganisationen angehören. Das Gremium garantiere "wissenschaftliche Neutralität und Ausgewogenheit der Studie", so die Sprecherin. Lobbycontrol verweist darauf, dass der Beirat kein Mitsprache-, sondern nur ein Beratungsrecht habe und somit "randständig" sei.

Durch die Einbindung der Industrie komme häufig auch praktischer Sachverstand hinzu

Inwieweit betroffene Firmen an öffentlichen Studien beteiligt sein sollen, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Einige sehen darin durchaus Vorteile; im Übrigen sei diese Einbindung nicht unüblich. "Kaum eine große Studie der letzten Jahre hat die Industrie komplett außen vor gelassen", sagt der Münsteraner Energiewirtschaftler Andreas Löschel, Chef der Monitoringkommission zur Energiewende. Schließlich komme so häufig auch praktischer Sachverstand hinzu, und letztlich werde die Studie von einer unabhängigen, wissenschaftlichen Einrichtung erstellt. "Ich finde es gut, da einen Mittelweg zu finden." Angreifbar dagegen sei es, wenn Unternehmen auch zur Finanzierung von Studien beitragen wie das bei der Dena-Leitstudie der Fall ist. Gerade bei konkreten politischen Fragestellungen sei das "diskussionswürdig".

Ähnlich sieht das Michael Sterner, der an der Uni Regensburg zu Energiesystemen forscht und lehrt. Zwar habe es stets einen Beigeschmack, wenn die Industrie an wissenschaftlichen Arbeiten beteiligt werde. Inhaltlich helfe das aber häufig weiter, weil die Annahmen solider würden und die Realisierungswahrscheinlichkeit steige. "Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen", sagt Sterner. Im Übrigen sei es naiv zu glauben, allein von der Regierung finanzierte Studien seien stets frei von äußeren Einflüssen und Interessen.

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