Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz ohne die USA:Die große Kluft zwischen Chinas Worten und Taten

  • China stellt sich in letzter Zeit gern als Klima-Vorreiter dar. Tatsächlich aber bleibt das Land auch weiterhin der weltgrößte CO₂-Verursacher.
  • Hinzu kommt, dass China weltweit, vor allem aber in Entwicklungsländern, den Bau neuer Kohlekraftwerke fördert.
  • Die Bekenntnisse zum Klimaschutz sind zwar wohlklingend - zwischen Wort und Tat herrscht jedoch derzeit noch eine große Kluft.

Von Kai Strittmatter, Peking

Der Klimawandel - ein böser Schwindel, der dem eigenen Land schaden soll? Das denkt zumindest Donald Trump. Allzu lange ist es aber nicht her, da war man in China der gleichen Meinung. Die Klimaschutzpläne der internationalen Gemeinschaft seien "eine Verschwörung der entwickelten Nationen" gegen die Entwicklungsländer, heißt es 2010 in einem internen Bericht des chinesischen Umweltministeriums.

Seitdem hat sich einiges geändert. China hat in seiner Klimapolitik eine 180-Grad-Wende hingelegt. Noch beim Klimagipfel in Kopenhagen war das Land der große Bremser. Heute gibt es auf der internationalen Bühne den Musterknaben. Und das offenbar mit noch größerer Hingabe, seit Donald Trump die US-Wahl gewonnen hat. Mit ihm als Präsident wittert China ein Vakuum in der Riege der globalen Führungsmächte. Ein erstes mächtiges Signal war die Rede von Partei- und Staatschef Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar diesen Jahres. Dort fand Xi nicht nur leidenschaftliche Worte zur Verteidigung des Freihandels, er bekannte sich auch zum Klimaschutz und zum "hart errungenen" Pariser Abkommen. "Wir tragen hier Verantwortung für künftige Generationen", sagte Xi.

Aber ebenso wie beim Freihandel sind auch bei Chinas Klimaschutz die wohlklingenden Worte nur die eine Seite. Die andere sind Taten - und zwischen den beiden herrscht noch immer eine sehr große Kluft. China ist, auch was den Klimaschutz angeht, ein einziger wandelnder Widerspruch, und all jene, die das Land schon zum neuen globalen Anführer beim Kampf gegen den Klimawandel ausrufen, täten gut daran, noch einmal genau hinzusehen. China verbraucht mengenmäßig noch immer so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen. Seit mehr als einem Jahrzehnt schon stößt kein Land mehr Treibhausgase aus als China - im Moment sind es doppelt so viel wie in den USA.

Die Optimisten verweisen auf erstaunliche Entwicklungen im Land. China ist längst Weltrekordhalter, was die Installation regenerativer Energien angeht. Allein im vergangenen Jahr investierte das Land fast 88 Milliarden US-Dollar in diesen Bereich, die USA nur halb so viel. Bis zum Jahr 2020 sollen insgesamt 361 Milliarden Dollar fließen und 13 Millionen neue Jobs in diesem Sektor entstehen. Bis 2030 soll der Anteil nichtfossiler Brennstoffen am Energiemix 20 Prozent betragen.

Viel Mut macht Klimaschützern ein weiterer Trend: Der Kohleverbrauch in China stagnierte zunächst und fällt nun seit ungefähr drei Jahren. Das ist deshalb wichtig, weil Chinas Abhängigkeit von schmutziger Kohle der Hauptgrund für den Treibhausgasausstoß im Lande ist. China hatte sich ursprünglich dazu verpflichtet, den Höhepunkt an Kohlendioxidemissionen spätestens im Jahr 2030 zu erreichen und danach Jahr für Jahr sauberer zu werden. Dieses Ziel scheint nun früher erreichbar, vielleicht sogar schon 2025.

Der wahre Test für Chinas Entschlossenheit steht erst noch an

Skeptiker warnen allerdings davor, sich darüber zu früh zu freuen. Der Grund für den Rückgang der Emissionen sei vor allem dem Erlahmen der Wirtschaft geschuldet und nicht einem aktiven Klimaschutz. Der wahre Test für die chinesische Führung hinsichtlich ihrer Entschlossenheit, den Klimawandel zu bremsen, stehe erst dann an, wenn die Wirtschaft wieder anziehe. Hinzu kommt, dass in China nicht nur die grüne Energie boomt - es werden Jahr für Jahr auch nagelneue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen. Erst 2015 genehmigten die Planer neue Kraftwerke mit einer Leistung von 55 Gigawatt. Bis mindestens 2020 sollen Kohleförderung und Kohlekraftwerkskapazitäten noch steigen, ist es dem aktuellen Fünfjahresplan des Landes zu entnehmen.

Sauberkeit predigen und Schmutz produzieren - vor allem als Exporteur muss China sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Das Land ist derzeit die größte Treibkraft hinter dem Bau neuer Kohlekraftwerke weltweit. Kein Staat exportiert Ausrüstung und Finanzierung neuer Kohlekraftwerke in diesem Maßstab. Die meisten Projekte finden in Entwicklungsländern statt, aber China baut auch in Europa: in Bosnien-Herzegowina. Im September vergangenen Jahres waren chinesische Firmen weltweit an fast 80 solcher Projekte beteiligt. Pakistan zum Beispiel gewinnt im Moment nur ein Tausendstel seiner Energie aus Kohle - mit chinesischer Hilfe soll es im Jahr 2020 fast ein Viertel sein.

Es gibt also gute Gründe, China noch nicht zum Anführer des globalen Klimaschutzes auszurufen. Nicht der unwichtigste Grund: Vielen in China selbst ist sichtlich bange vor der Aussicht. Ein Leitartikel der Pekinger Global Times im März machte dies deutlich. Egal wie sehr Peking sich anstrenge, hieß es da, es werde "nicht in der Lage sein, sich all die Verantwortung aufzubürden, vor der Washington sich drückt". China werde noch lange das größte Entwicklungsland der Welt bleiben, schrieb die Zeitung: "Wie kann man von ihm verlangen, Raum für die eigene Entwicklung zu opfern - für all die reichen westlichen Nationen?"

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