Klimaschutz:"Lauwarm und widersprüchlich"

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Stahlwerk in China: Viele entziehen sich den Kontrollen, oder zahlen die Strafen und machen weiter. China steht bei den Verhandlungen besonders unter Druck. Das Land ist der größte Klimaschädiger. (Foto: Kevin Frayer/Getty Images)

Fieberhaft verhandeln die Staaten in Kattowitz über ein Regelpaket für das Abkommen von Paris. Doch die Leidtragenden der Erderwärmung werden lauter: Sie fordern mehr.

Von Michael Bauchmüller, Kattowitz

Am Freitagmorgen begrüßen Schüler die Delegierten der Klimakonferenz in Kattowitz, sie haben sich auf der Treppe postiert. Jeder hält eine Zahl oder einen Buchstaben in Händen, zusammen ergeben sie: "12 years left". Zwölf Jahre bleiben, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwehren, um den Abschied von fossiler, klimaschädlicher Energie anzupacken. Nicht viel Zeit, gemessen daran, dass seit 24 Jahren UN-Klimagipfel stattfinden. Doch auch in Kattowitz hängen die Verhandlungen am Kleingedruckten fest. Und dahinter lauern die großen Fragen.

Die Regeln

Läuft alles gut, steht am Ende der Konferenz eine Art Betriebssystem für das Klimaabkommen von Paris. Dort hatten sich die Staaten zwar 2015 darauf geeinigt, künftig detaillierte Pläne für den Klimaschutz vorzulegen. Wie sie sich aber gegenseitig überprüfen, ließen sie offen. Die Regeln sind der Dreh- und Angelpunkt im Klimaschutz: Warum sollten die Staaten sich anstrengen, wenn sie nicht sicher sein können, dass die anderen es auch tun?

Doch am Freitag lagen dafür noch immer drei Optionen auf dem Tisch. Ein Vorschlag sieht nur für die Industriestaaten harte Auflagen vor, während sie für Entwicklungs- und Schwellenländer sehr lax bleiben. Dies käme vor allem China zugute. Ein anderer will radikal die gleichen Regeln für alle, mit Ausnahmen für Entwicklungsländer. Dafür treten die USA ein, die aber ohnehin dem Pariser Abkommen den Rücken kehren wollen. Ein dritter beschreibt einen Mittelweg, der unterschiedliche Pflichten je nach Entwicklung der Länder verlangt - dafür streitet die EU. China hatte hier über Nacht Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Das lässt hoffen.

Die Leidtragenden

Viele Staaten klagen schon jetzt über Folgen des Klimawandels - sei es durch wachsende Trockenheit, durch zunehmendes Extremwetter oder steigende Meeresspiegel. Sie verlangen seit Jahren einen Mechanismus, mit dem Industriestaaten für Schäden des Klimawandels eintreten. Doch im 144-seitigen Textentwurf vom Freitag verschwand er in Fußnoten oder wurde nur beiläufig erwähnt - ein Umstand, den die Leidtragenden des Klimawandels nicht akzeptieren wollen.

Ähnlich verhält es sich mit einem Bericht des Weltklimarats IPCC. Er hatte im Oktober eindringlich gefordert, die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad Celsius steigen zu lassen - und die verbliebenen zwölf Jahre zu nutzen. Doch in den Entwürfen wird der Report nur dankbar anerkannt - nicht aber förmlich begrüßt. Ein Affront für die Frontstaaten der Klimakrise.

Das Tempo

Schon jetzt ist klar, dass die bisherigen Klimaschutz-Zusagen nicht reichen werden. Nach Daten des UN-Umweltprogramms landen sie eher bei 3,2 Grad, wenn sie nicht nachgebessert werden. Doch wie genau das gehen soll, ist noch umstritten. Ein denkbarer Zeitpunkt wäre ein Klimatreffen, zu dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres im kommenden September nach New York einlädt. Wie sich das im Text niederschlägt, blieb aber zunächst noch offen. "Wir müssen klarmachen, dass wir die Ziele deutlich erhöhen müssen", sagt Costa Ricas Umweltminister Carlos Manuel Rodríguez. "Wir sind alle im gleichen Boot. Wir müssen alle mehr tun."

Die Transfers

Die Minderung der Treibhausgase bei den Klimasündern ist das eine, die Unterstützung für Entwicklungsländer das andere. So sollen von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar in saubere Energien fließen. Das soll verhindern, dass Entwicklungsländer die Fehler der industrialisierten Welt wiederholen. Das Geld soll sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Kassen fließen.

Der Markt

Mit dem Paris-Abkommen soll ein neuer globaler Marktplatz für Klimaschutz entstehen. Mit den sogenannten Marktmechanismen können Länder Klimaschutz im Ausland unterstützen, etwa Aufforstungen oder Modernisierungen. Diese Unterstützung können sie sich anschließend auf ihren eigenen Klimaschutz anrechnen lassen. Damit, so die Theorie, findet Klimaschutz dort statt, wo er mit den geringsten Kosten zu haben ist. Doch in der Praxis gibt es Schwächen: Schon das Kyoto-Protokoll für den Klimaschutz kannte solche Mechanismen, doch sie öffneten dem Missbrauch Tür und Tor. Das sollen die neuen Vorgaben verhindern. Nicht alle Staaten haben daran das gleiche Interesse.

Das Ergebnis

Nichts ist beschlossen, ehe nicht alles beschlossen ist - das ist auch die Logik internationaler Klimaverhandlungen. "Lauwarm und widersprüchlich" sei der erste Textvorschlag, klagt das Klimaschutz-Bündnis Can Europe. Der Costa-Ricaner Rodriguez ist da optimistischer. "Mein Gefühl ist, wir können uns hier auf einen guten Weg vorwärts verständigen", sagt er. Fragt sich nur, wann. Offiziell sollte die Konferenz Freitagabend abgeschlossen sein, doch nun ziehen sich die Verhandlungen hin. Ende offen.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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