Europa:Klima-Plan gegen dreckige Importe wackelt

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Aluminium-Produktion in Deutschland: Das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, verteuert überall die Produktion. Wer aus Ländern mit laxen Standards exportiert, ist im Vorteil. Ein Klimazoll soll schmutzige Billig-Importe verteuern. (Foto: Roland Weihrauch/picture alliance/dpa)

Die EU-Kommission will mit einem Klimazoll verhindern, dass Billig-Einfuhren nach Europa gelangen. Doch der Plan verstößt möglicherweise gegen WTO-Regeln - und könnte heikle Klagen nach sich ziehen.

Von Björn Finke, Brüssel, und Alexander Hagelüken, Brüssel/München

Kommissionschefin Ursula von der Leyen nennt es Europas "Man on the moon moment". Das EU-Klimaschutzprogramm wäre demnach so inspirierend wie einst der Plan, erstmals einen Menschen zum Mond zu schicken. Europas Industrie droht allerdings eine harte Landung. Schließlich verteuert das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, die Produktion. Dreckig hergestellte Waren aus Ländern mit laxen Standards könnten europäische Produkte verdrängen - und massenweise Jobs kosten.

Diese Nachteile für die Industrie will von der Leyen durch einen Klimazoll verhindern, der schmutzige Billig-Importe verteuert. Schon länger wird diskutiert, ob so ein Kohlendioxid-Grenzausgleich nicht Handelsregeln bricht. Nun gibt es dafür vor einer entscheidenden Abstimmung des EU-Parlaments an diesem Dienstag eine Bestätigung: Der Klimazoll "läuft Gefahr, gegen zentrale Prinzipien der Welthandelsorganisation WTO zu verstoßen", warnt eine unveröffentlichte Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die möglichen Folgen: Klagen der USA oder Chinas - und Milliarden-Strafzölle auf europäische Produkte.

So werden die EU-Klimaziele konterkariert

Für Europa steht viel auf dem Spiel. Durch den ehrgeizigen Klimaschutz könnten Jobs gerade in jener Produktion verlorengehen, die viel Energie verbraucht: Eisen, Stahl, Aluminium, Dünger, Zement oder Strom. Und werden solche Dinge künftig im Ausland dreckig produziert, konterkariert das die EU-Klimaziele. Fünf bis 30 Prozent dessen, was Europa an Treibhausgasen vermeiden will, könnten außerhalb des Kontinents zusätzlich entstehen.

Bisher wird Europas Industrie geschützt, indem sie kostenlose Verschmutzungsrechte bekommt. Um die Klimaziele zu erreichen, reduziert die Brüsseler Kommission die Zahl dieser Rechte. Deren Preise steigen. Und damit die Ausgaben der hiesigen Industrie und die Gefahr, dass die Hersteller gegen billigere Importe unterliegen oder ihre Fabriken aus Europa verlagern. Dies soll der Klimazoll stoppen: Ab 2026 müssten Importeure Verschmutzungsrechte kaufen und würden so Kostenvorteile verlieren.

Eigentlich muss die EU ihre Handelspartner gleich behandeln

Doch Forscher zweifeln, ob dies bei den Welthandelsrichtern durchgeht. Die rechtliche Analyse zeige, dass Elemente des EU-Klimazolls "potentiell zu einer Diskriminierung ausländischer Waren führen", so das WU Institute for Law and Governance und die ÖFSE-Stiftung für Internationale Entwicklung. Auf 51 Seiten listen die Gutachter aus Österreich auf, der Klimazoll könne zum Beispiel mit dem WTO-Prinzip der Meistbegünstigung kollidieren. Nach diesem Prinzip muss die EU ihre Handelspartner gleich behandeln.

Beim Klimazoll müssen ausländische Produzenten keine Verschmutzungsrechte kaufen, wenn ihre Heimat ein Emissionshandelssystem wie Europa hat. Anders ist es für Konzerne etwa in den USA, wo Klimaschutz eher über Vorschriften läuft. Was sie wegen Vorschriften an Treibhausgasen vermeiden, wird ihnen nicht angerechnet. US-Konzerne müssen künftig wohl Verschmutzungsrechte kaufen, was ihre Exporte in die EU verteuert.

Das könnte für die WTO-Schiedsrichter so aussehen, als behandle Europa Handelspartner ungleich. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass es zu Verfahren kommen wird", sagt Bernhard Tröster von der ÖFSE-Stiftung, "die USA klagen wohl". Dabei dürfte es nicht bleiben. Die chinesische Regierung hat schon erklärt, der EU-Grenzzoll verletze WTO-Regeln. USA und China, das sind zwei mächtige Gegner.

Die Gutachter sehen noch größere Risiken, wenn der Umweltausschuss des EU-Parlaments an diesem Dienstag wie geplant vorschlägt, den Grenzzoll auszuweiten. Was die Abgeordneten beschließen, ist wichtig. Das Parlament entscheidet zusammen mit den Regierungen der EU-Länder, wie der Klimazoll aussieht. Die Abgeordneten wollen auch europäische Produzenten schützen, die Grundstoffe verarbeiten, etwa die Chemieindustrie. Das soll noch mehr dreckige Importe verhindern und damit dem Klima helfen.

Werner Raza von ÖFSE hält das für technisch nicht umsetzbar. Denn die EU müsse die Emissionen aller verarbeiteten Grundstoffe feststellen und daraus den Klimazoll berechnen: "Bei einem Auto wären das 40 bis 50 Metalle und jede Menge andere Grundstoffe. Und die Emissionen unterscheiden sich, je nachdem ob das Kupfer aus den USA oder aus China kommt." Außerdem erhöhe die Ausweitung das Risiko, dass der Klimazoll frontal mit der WTO kollidiert.

Die Frage ist nun: Wie groß wird der Ärger mit der WTO?

Europa solle lieber etwas tun, um in den Genuss von WTO-Ausnahmeregeln zu kommen. Dafür rät die Studie im Auftrag der Böckler-Stiftung, die Wirksamkeit des Grenzausgleichs zu erhöhen. Die Klimazoll-Erlöse von 15 bis 20 Milliarden Euro sollen nicht in den EU-Etat fließen, sondern in eine groß angelegte Förderung neuer Technologie und klimafreundlicher Produktion. Das könne nicht nur WTO-Gefahren verringern. Sondern auch EU-Hersteller modernisieren, so dass sie trotz ausländischer Billigkonkurrenz weniger geneigt sind abzuwandern.

Wie groß die Probleme mit der WTO werden, hängt auch davon ab, wie es beim Emissionshandel weitergeht. Bisher erhalten europäische Industriebetriebe kostenlose Verschmutzungsrechte, um gegen Rivalen aus anderen Ländern zu bestehen. Um einen doppelten Schutz zu verhindern, sollen diese Geschenke auslaufen, sobald der Klimazoll die Betriebe schützt.

Die Brüsseler Kommission will die kostenlosen Verschmutzungsrechte bis 2036 schrittweise abschaffen. Der EU-Abgeordnete Mohammed Chahim hält dieses Tempo für zu gemächlich. Der niederländische Sozialdemokrat lotst als Berichterstatter die Klimazoll-Verordnung durchs Parlament. Er schlägt vor, die kostenlosen Verschmutzungsrechte schon 2028 zu beenden, also acht Jahre früher. Und solch ein schnelles Aus könnte Ärger mit der WTO vermeiden helfen.

Industrievertreter halten von seinem Ansinnen wenig. Sie weisen etwa darauf hin, der Klimazoll schütze zwar gegen dreckige Billigimporte, nicht aber dagegen, dass europäische Konzerne auf wichtigen Exportmärkten unfaire Konkurrenz erleben. Dagegen helfen nur kostenlose Verschmutzungsrechte, so die Industrie. Chahim bekommt nun Unterstützung von den österreichischen Gutachtern: "Sehr lange kostenlose Rechte auszugeben, erhöht eindeutig die Gefahr, dass der Grenzzoll vor einem WTO-Gericht scheitert."

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