Energie:Rettet den CO₂-Preis

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Deutschland steht ein teurer Winter ins Haus, Öl und Gas kosten so viel wie lange nicht. Und dann noch ein höherer CO₂-Preis? Das ist nicht populär - aber notwendig.

Von Michael Bauchmüller

Schlechte Nachrichten müssen Verbraucher dieser Tage nicht lange suchen. Reihenweise kündigen Stadtwerke derzeit höhere Gaspreise an, und ein Besuch bei der Tankstelle kostet derzeit locker mal 100 Euro und mehr. Schon lange nicht mehr haben Mieter, Eigentümer und Autofahrer so viel Geld an Ölscheichs und Brennstoffhändler abgedrückt wie im Herbst 2021. Zu kalt darf der Winter nicht werden. Teuer wird er aber so oder so.

Für eine Koalition, die nicht zuletzt im Klimaschutz einiges erreichen will und muss, kommt diese Energiepreis-Rallye zur Unzeit. Denn eines der zentralen Instrumente dafür gerät in Misskredit: der Preis auf Kohlendioxid. Seit diesem Jahr wird ein solcher Preis in Deutschland erhoben, er verteuert Kraft- und Heizstoffe, gemessen an den jüngsten Preisanstiegen, in nahezu homöopathischen Dosen. Vor allem die Grünen wollen ihn stärker anheben, die FDP will dafür einen Emissionshandel einführen. Auch er könnte die Preise über die Zeit deutlich ansteigen lassen. Aber wer mag so etwas den Verbraucherinnen und Verbrauchern zumuten, in so einer Zeit?

Solche CO₂-Preise sind nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. Sie geben Heizöl und Erdgas, Diesel und Benzin einen Teil ihres ökologischen Rucksacks mit auf den Weg. Sie verteuern damit all jene Energien, die der Welt die Klimakrise eingebrockt haben - und machen im Verhältnis die klimafreundlichen Alternativen günstiger: Solarenergie und Wärmepumpen in Häusern, Elektroantriebe für Autos, synthetische Kraftstoffe oder Brennstoffzellen im Schwerlastverkehr. Dafür allerdings müsste der Preisaufschlag deutlich höher sein als bisher.

Doch in den Koalitionsgesprächen zwischen SPD, Grünen und FDP ist das umstritten. Die SPD etwa bangt um den sozialen Frieden im Land. Sie fürchtet eine Unwucht, wenn weniger gut Betuchte künftig noch mehr fürs Heizen und Pendeln zahlen müssen. Dabei lässt sich gerade dies gut ausgleichen: Denn anders als bei den aktuellen Preissteigerungen fließt das Geld nicht in die Taschen der fossilen Industrie, sondern in die Staatskasse. Der Staat kann die Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürger ausschütten, auch über die geplante Senkung der Strompreise hinaus. Gerade für diejenigen, die keine große Wohnung zu beheizen haben, die mit dem Opel Corsa pendeln und nicht mit der Mercedes E-Klasse, kann sich das auszahlen. Und alle anderen können verschärft darüber nachdenken, ob sich nicht doch eine neue Heizung lohnt. Oder ein Elektroauto. Oder eine Jahreskarte für den Nahverkehr.

Klar, der CO₂-Preis allein wird die deutschen Klimaziele nicht retten. Er muss flankiert werden durch eine Politik des Förderns und Forderns. Noch gezielter als bisher etwa ließe sich die Sanierung jener Gebäude forcieren, die besonders viel Energie verbrauchen; meist Häuser, die älter als 40 Jahre sind. Deutlich muss auch werden, dass Öl- und Gasheizungen keine Zukunft haben: Diese Technologie muss, wie der Verbrennungsmotor, auslaufen.

Und schließlich braucht es auch Anreize für Vermieter, Geld für die Modernisierung ihrer Wohnungen in die Hand zu nehmen. Mieter können zwar mehr oder weniger sparsam mit Energie umgehen; am energetischen Zustand ihrer Wohnung oder an der Technik im Heizkeller aber können sie nichts ändern. Das verlangt auch, den CO₂-Preis mindestens in Teilen den Vermietern anzulasten. Wie teuer sie das kommt, haben sie mit einer Modernisierung schließlich selbst in der Hand. Doch davon will bisher die FDP nicht viel wissen.

So tut sich für die Koalition in spe rund ums Klima im Allgemeinen und den CO₂-Preis im Speziellen ein altbekanntes Dilemma auf: zwischen der kurzen und der langen Frist. Kurzfristig scheint sich - in einer Zeit hoher Energiepreise - ein stärkerer Anstieg der CO₂-Preise zu verbieten. Langfristig aber können sie, als Teil einer konsequenten Klimapolitik, nur Gewinner produzieren. Denn was die Verbraucher heute belastet, beschert ihnen morgen sinkende Energierechnungen. Es modernisiert das Land und macht es unabhängiger von den Mächten am anderen Ende der Pipelines. Und vor allem: Es ist die richtige Antwort auf die Klimakrise.

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