Klimaschäden durch Fleischkonsum:Zu viel Fleischeslust

Klimaschutz, ja bitte! Weniger Auto fahren: akzeptabel. Aber weniger Fleisch essen? Da hört der Spaß oft auf. Doch der weltweit wachsende Appetit schadet dem Klima und verschärft das Hungerproblem. Eine Studie des WWF zeigt, dass schon wenig Verzicht eine große Wirkung haben kann.

Silvia Liebrich

Ernährung und Klima

Treibhausgas-Emissionen der Lebensmittel-Produktion

CO2 Ausstoß

Klimaschutz, ja bitte. Das antworten die meisten Deutschen regelmäßig in entsprechenden Umfragen. Wenn es jedoch darum geht, das eigene Verhalten zu ändern, sieht die Welt oft anders aus. Ein bisschen weniger Auto fahren, das halten die meisten noch für akzeptabel. Aber weniger Fleisch essen? Da hört der Spaß oft auf. Dabei würde etwas weniger Fleisch auf dem Teller dem Klimaschutz mehr helfen, als viele annehmen. Das zeigt eine Untersuchung zum Thema Klimawandel und Ernährung, die die Naturschutzorganisation WWF vorgelegt hat.

Würden die Bundesbürger ihren Fleischkonsum reduzieren und weniger Lebensmittel in den Mülleimer werfen, könnten pro Jahr 67 Millionen Tonnen an Treibhausgasemissionen eingespart werden, heißt es in der Studie. Diese Menge an klimaschädlichen Treibhausgasen entspricht in etwa dem jährlichen Gesamtausstoß Portugals. Weniger Fleisch auf dem Teller wäre außerdem gesünder, argumentieren Ernährungswissenschaftler. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt maximal 600 Gramm Fleisch pro Woche. Doch gegessen wird deutlich mehr: Im Durchschnitt mehr als 1,5 Kilogramm pro Kopf und Woche.

Keine Frage, essen müssen die Menschen, und durch die Nahrungsmittelproduktion entstehen immer auch klimaschädliche Treibhausgase. Wie viel genau, das hängt jedoch von den Ernährungsgewohnheiten jedes Einzelnen ab. "Der Fleischkonsum verursacht in Deutschland mit Abstand die höchsten Emissionen in Bezug auf die Ernährung", sagt Tanja Dräger de Teran, Ernährungsexpertin beim WWF. Bei Fleisch liegt der Anteil an Treibhausgasemissionen laut der Untersuchung bei mehr als 40 Prozent bezogen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Werden Fisch, Milch- und Eierprodukte dazu gerechnet, verursachen tierische Produkte knapp 70 Prozent der Treibhausgase bei Nahrungsmitteln.

Allein die Landwirtschaft produziert nach Angaben des Umweltbundesamtes knapp acht Prozent der gesamten Treibhausgase. Damit gilt der Agrarsektor als zweitgrößter Verursacher in Deutschland, nach dem Energiesektor (83,5 Prozent) und liegt etwa gleichauf mit der Industrie (7,8 Prozent). Und hier geht es nicht nur um rülpsende Kühe, die beim Wiederkäuen große Mengen an Methan produzieren, sondern auch um Lachgas, das bei der Stickstoffdüngung freigesetzt wird. Relativ gering fällt der CO2-Ausstoß durch den Betrieb von Landmaschinen ins Gewicht.

Verpacken, transportieren, wegwerfen - schlecht für die CO2-Bilanz

Doch das ist nur ein Teil der Rechnung. Verarbeitung, Verpackung, Transport, Lagerung und das Wegwerfen von Lebensmitteln schlagen ebenfalls auf dem Klimakonto zu Buche. Nach Berechnungen des WWF erhöht das die Emissionen noch einmal um mindestens 20 Prozent. "Wenn man alles zusammenrechnet, verursachen wir pro Person und Jahr elf Tonnen Treibhausgase. Davon entfallen zwei Tonnen für die Ernährung", sagt Dräger de Teran. "Selbst wenn jeder Deutsche nur einmal pro Woche auf Fleisch verzichten würde, könnte das noch zu einer jährlichen Einsparung von rund neun Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen führen. Das entspricht umgerechnet 75 Milliarden Pkw-Kilometern."

Weltweiter Hunger auf Fleisch steigt

Wissenschaftler sind sich einig, dass der weltweit wachsende Fleischkonsum dazu beiträgt, die Klimaerwärmung zu beschleunigen. Mit Abstand am höchsten ist der Verbrauch jedoch nach wie vor in Industrieländern wie den Vereinigten Staaten und Deutschland, doch dort bleibt der Konsum etwa gleich oder sinkt sogar leicht. Deutlich aufgeholt haben jedoch Schwellenländer wie China und Indien. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO hat sich die weltweite Produktion seit den Siebzigerjahren verdreifacht, auf inzwischen 300 Millionen Tonnen pro Jahr. Weltweit landet ein Drittel der Getreideproduktion inzwischen in Futtertrögen. Das verschärft nach Ansicht des UN-Welternährungsprogramms das Hungerproblem.

Agrar- und Klimaforscher warnen vor einer Kettenreaktion. 29 Prozent aller menschengemachten Treibhausgase stammten aus dem Nahrungsmittelsektor, heißt es auch in einer Studie der Forschergruppe des internationalen Beratungsgremiums für Agrarforschung (CGIAR), die vor einigen Tagen veröffentlicht wurde. Die Erträge von Mais, Reis und Weizen werden demnach bis 2050 in vielen Entwicklungsländern um zehn bis 20 Prozent sinken. Grund dafür ist die Klimaveränderung. Das Team von Klima- und Agrarwissenschaftlern hat für seine Einschätzung Prognosen des UN-Klimarates mit Daten über die Nahrungsmittelversorgung in verschiedenen Regionen verknüpft. Eine Umstellung der Ernährung, hin zu weniger Fleisch, halten die CGIAR-Experten für unumgänglich. Das Thema steht auch auf der Agenda bei der UN-Klimakonferenz, die am 26. November in Doha beginnt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: