Soziale Gerechtigkeit:Experten: Klimapaket benachteiligt Geringverdiener

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Nur wer selbst eine Immobilie besitzt profitiert von den geplanten Förderungen.

(Foto: imago images / Westend61)
  • Mehrere Studien zum Klimapaket kommen zum Ergebnis, dass das Klimapaket untere Einkommensgruppen stärker belastet als Besserverdiener.
  • Eine CO₂-Bepreisung wäre demnach sowohl besser fürs Klima als auch fairer für Geringverdienende.

Von Michael Bauchmüller und Christian Endt

Das Klimapaket der Bundesregierung führt nach Auffassung von Verbraucherschützern zu einer sozialen Unwucht. "Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen werden - relativ zur Höhe ihres Einkommens - am stärksten belastet", warnt Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Und das, obwohl sie im Schnitt weniger klimaschädliches Kohlendioxid produzierten, "weil sie weniger konsumieren, fliegen und kleinere Wohnungen haben". Dies habe die Auswertung mehrerer Studien ergeben, sagte Müller der Süddeutschen Zeitung. "Der Bundestag muss dringend nachbessern."

Die Bundesregierung hatte ursprünglich zugesagt, sie wolle alle Einnahmen - etwa aus der Erhebung eines CO₂-Preises oder aus höheren Kfz- und Luftverkehrssteuern - an die Bürger wieder ausschütten. Dies gehe aber an Geringverdienern oft spurlos vorbei, warnt Deutschlands oberster Verbraucherschützer. So bringe es unteren Einkommensgruppen "nichts oder wenig", wenn sich die klimafreundliche Sanierung von Häusern künftig von der Steuer absetzen lasse. "Wer aufgrund seines niedrigen Einkommens keine Steuern zahlt, kann auch nichts absetzen."

Zu ähnlichen Schlüssen kommt ein bisher unveröffentlichtes Papier des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung in Dresden und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Es liegt der SZ vor. So brächten die geplanten Förderungen, etwa für den Austausch von Ölheizungen, jede Menge Mitnahmeeffekte: Wer ohnehin umrüsten wollte, bekomme nun noch Geld dafür. Ein zusätzlicher Nutzen für das Klima entstehe in diesem Fall aber nicht.

Vor allem halten die Autoren um Kathrine von Graevenitz die Pläne aber für sozial ungerecht, weil nur profitiert, wer eine Immobilie besitzt. In den unteren bis mittleren Einkommensgruppen wohnt die Mehrzahl der Menschen zur Miete. "Statt der Vielzahl an Einzelmaßnahmen wäre ein höherer CO₂-Preis besser geeignet, um die Klimaziele zu erreichen", sagt Graevenitz. "Verbunden mit einer Pro-Kopf-Entlastung wäre diese Lösung auch sozial gerecht." Auch Verbraucherschützer Müller wirbt für so eine Lösung, etwa über einen "Klimascheck": "Geringverdiener würden insgesamt klar entlastet, Gutverdiener würden leicht zuzahlen."

Die Bundesregierung will stattdessen die Ökostromumlage leicht senken und die Pendlerpauschale über weitere Distanzen anheben. Der CO₂-Preis soll über die Jahre steigen und könnte 2026 bei rund 60 Euro je Tonne liegen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung entfällt ein Großteil der Kosten dafür auf private Haushalte, sie erhalten aber nur einen Bruchteil zurück. Auch das Mercator-Institut für globale Gemeingüter sieht in einer ersten Auswertung "mittel- bis langfristig bei steigenden CO₂-Preisen eine soziale Sprengkraft". Ein Ausgleich fehle.

Ob der Bundestag einen solchen Ausgleich noch herstellt, ist allerdings fraglich. Im Eilverfahren soll er das komplette Klimapaket noch diesen Monat annehmen.

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