Die Marshall-Inseln werden zu den ersten gehören, die untergehen. Eine Gruppe von Atollen im Pazifik, einst deutsche Kolonie, die meisten der mehr als 1200 Eilande unbewohnt, im Mittel nicht höher als zwei Meter über dem Meeresspiegel. Jeder Gewalt der Natur sind die etwa 50 000 Menschen fast schutzlos ausgeliefert, die auf den Inseln ihr zu Hause haben. Vergangenes Jahr erfuhren sie, wie der Klimawandel ihr Leben bedroht. Mehrere Inseln wurden völlig überschwemmt, auf der Hauptinsel Majuro mussten Hunderte vor den Fluten fliehen. Und das lässt erst erahnen, was in den kommenden Jahrzehnten nicht nur den Marshall-Inseln droht: brutale Naturkatastrophen, ein steigender Meeresspiegel, unerträgliche Dürren.
Wenn sich Ende November die Staaten der Erde in Paris zur Klimakonferenz treffen, geht es auch um die Menschen auf den Marshall-Inseln, um die Menschen überall dort, wo die Folgen des Klimawandels zuerst und am heftigsten zu spüren sein werden. Vertreter von 200 Staaten werden eineinhalb Wochen lang diskutieren, in Kleingruppen über ihre Vorschläge beraten, wie der Ausstoß von Treibhausgasen zu senken sei, um die Erderwärmung zu begrenzen. Das Problem ist nur: Die Verhandlungen werden scheitern.
In mehreren aktuellen Forschungsarbeiten stellen namhafte Ökonomen dar, warum es wohl wieder nicht gelingen wird, ein effektives Klimaabkommen zu beschließen. Ein solches reduziert sich auf die alles entscheidende Frage, wie man 200 Staaten dazu bringt, miteinander zu kooperieren, wie man also die Interessen ultrareicher Industrieländer wie den USA in Einklang bringt mit jenen von Bangladesch.
Das Verhandlungskonzept für Paris sieht vor, dass die Staaten ihre jeweils eigenen Vorschläge einreichen, anstatt wie noch vor 20 Jahren über ein gemeinsames Ziel zu beraten. "Pledge and Review", Zusage und Prüfung, heißt das Modell, mit dem der CO₂-Ausstoß unter Kontrolle gebracht werden soll. Man setzt auf die Ambition der Regierungen, auf Altruismus. "Die Staaten machen nun, was immer sie wollen", sagt der Kölner Spieltheoretiker und Verhandlungsexperte Axel Ockenfels. "Die Kooperationsforschung zeigt doch eindeutig, dass das nicht funktionieren kann."
In einem Artikel, der an diesem Donnerstag in der Fachzeitschrift Nature erscheint, erläutert er gemeinsam mit dem Energie-Spezialisten David MacKay von der britischen Cambridge-Universität und den US-Ökonomen Peter Cramton und Steven Stoft, warum die Klimakonferenz ihr Ziel erneut verfehlen wird. Vierzig Jahre empirischer und theoretischer Literatur zur Kooperation zeigten, schreiben die Forscher, "dass individuelle Zusagen wie solche nationalen Selbstverpflichtungen kein starkes gemeinsames Handeln zur Folge haben." Stark heißt in dem Fall: So, dass keiner ausschert. Bisherige Vereinbarungen, insbesondere das Kyoto-Protokoll von 1997, krankten immer daran, dass manche Staaten überhaupt nicht zu Klimaschutzmaßnahmen bereit waren. Nicht zuletzt dieses Trittbrettfahrer-Problem ließ Japan, Russland, Kanada und Neuseeland vor Jahren die Vereinbarung aufkündigen - die USA und China hatten sie nie unterzeichnet.
"Über dieses Scheitern hat man vergessen, was für Kooperationen entscheidend ist: Ohne gemeinsame Verpflichtung geht es nicht", sagt Ockenfels. Die Forscher plädieren nun für eine Rückkehr zu dieser gemeinsamen Verpflichtung - und einen radikal neuen Ansatz: Anstatt wie im Kyoto-Prozess kleinteilig darüber zu streiten, welches Land wie viel von der weltweiten CO₂-Einsparung tragen soll, sollten die Staaten über einen für alle geltenden Mindestpreis für Kohlendioxid verhandeln. Er wäre für alle bindend, ließe der Politik aber Spielraum: Es wäre schlicht egal, ob ein Staat mit einer CO₂-Steuer oder wie die EU mit einem Handelssystem den Preis garantiert. Sämtliche schon existenten Modelle wären mit dem Preis-Abkommen vereinbar. Die Einnahmen blieben im jeweiligen Land und stünden den Regierungen zur Verfügung. Mit einem Fonds für die ärmeren Länder - wie er bereits eingerichtet worden ist - könnte man deren Beteiligung sicherstellen.
Ein Mindestpreis böte den einfachsten Weg, schreiben die Forscher, überhaupt in die Nähe einer Kooperation zu kommen. Erkenntnisse aus der Spieltheorie zeigen, dass es eine für alle geltende Verpflichtung geben muss, um das Eigeninteresse der Verhandlungsteilnehmer zu lenken. Reziprozität heißt in der Fachsprache dieser Klebstoff, der verbindliche Abkommen möglich macht. Das fängt beim Putzplan in der WG an und geht bis hin zu internationalen Klimaverhandlungen: Wenn du mitmachst, mache ich auch mit. Oder: Wenn du CO₂ einsparst, werde ich es auch tun.
All diese Überlegungen spielen in Paris keine Rolle. Die Lücke zwischen Paris und den Erkenntnissen fast der gesamten Kooperationsforschung, sagt Ockenfels, sei riesig. Zusammen mit Stoft und Cramton macht er sich schon länger daran, diese Lücke zu schließen. Im Spätsommer erschien ein Symposium aus mehreren Fachartikeln, in dem sie sich mit der Klima-Kooperation auseinandersetzen. Jean Tirole ist als Autor mit dabei, der Nobelpreisträger aus dem vergangenen Jahr, Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger von 2001, hat einen Beitrag verfasst, ebenso die einflussreichen Klima-Ökonomen Martin Weitzman und William Nordhaus. Entstanden ist eine umfangreiche Sammlung an Papieren, in denen die Autoren zahlreiche neue Ideen für Klimaverhandlungen aufarbeiten, nach vielen verlorenen Jahren.
Die für die Verhandlungen zuständige UN-Sekretärin glaubt selbst nicht mehr an eine Lösung
Die Hoffnung auf eine schnelle Lösung hat keiner von ihnen. Zwar machen inzwischen selbst Länder wie Indien und Brasilien Zusagen, wie sie ihre CO₂-Emissionen senken wollen. Doch selbst die für die Klima-Rahmenkonvention zuständige Generalsekretärin der UN, Christina Figueres, glaubt nicht mehr an ein Abkommen, das ausreicht, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Die treibende Kraft hinter den Zusagen der Länder, sagte sie kürzlich, sei einfach das Eigeninteresse der Regierungen, nicht ihr Bestreben, "den Planeten zu retten". Natürlich gebe es jetzt jede Menge diplomatischen Zweckoptimismus, Durchhalteparolen und Erfolgsmeldungen, die jedoch bei näherem Hinsehen auseinanderfielen, sagt Ockenfels. Durchhalteparolen werden die Marshall-Inseln aber nicht retten. Und die sind erst der Anfang.