Klekt vs. StockX:Schuhe wie Aktien

July 3 2018 Detroit MI USA Antonio Gray 29 of Detroit worked as a sneaker salesman for six

Alles makellos? In Detroit überprüft ein Mitarbeiter von StockX die Ware auf Mängel.

(Foto: Kimberly P. Mitchell/Imago)

Auf dem Sneaker-Zweitmarkt werden Milliarden umgesetzt. Davon profitieren vor allem zwei große Online-Plattformen: eine deutsche und eine amerikanische.

Von Valentin Dornis und Veronika Wulf

Er sieht aus wie ein ganz normaler brauner Turnschuh. Doch um den "Jordan 1 Retro Low Travis Scott" zu kaufen, muss man derzeit mindestens 540 Euro hinblättern, je nach Größe auch deutlich mehr. Dabei brachte der Hersteller Nike den limitierten Sneaker ursprünglich für 130 Euro heraus. Doch auf dem Erstmarkt sind begehrte Schuhe wie dieser oft nach Minuten oder gar Sekunden vergriffen. Deshalb tummeln sich Sneakerfans hauptsächlich auf sogenannten Resell-Plattformen, wo die seltenen Modelle weiterverkauft werden - häufig für ein Vielfaches des Ladenpreises.

Die Zeiten, in denen Sneaker nur Schuhwerk waren, sind längst vorbei. Seit vielen Jahren werden sie wie Wertpapiere gehandelt. Und die bekannteste Börse für diese schuhgewordenen Spekulationsobjekte ist Stock-X. 2015 von drei Turnschuh-Enthusiasten gegründet, setzt das Unternehmen inzwischen nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde Dollar um und beliefert Kunden in fast 200 Ländern. Nachdem das Start-up im Sommer bei einer neuen Finanzierungsrunde 100 Millionen Dollar einsammelte, stieg es zum Unicorn auf, wird also mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet.

Das Geld will Stock-X nutzen, um sich in Europa und insbesondere in Deutschland auszubreiten. Der europäische Sneaker-Zweitmarkt wird auf 1,6 Milliarden Euro geschätzt. Stock-X bedient zwar inzwischen den Markt, aber Vorstandschef Scott Cutler ist überzeugt, dass da noch mehr zu holen ist - auch in Deutschland. "Das ist einer der Top-Märkte in Europa für Stock-X mit einem erheblichen Wachstumspotenzial", sagt er.

Cutler hat seinen Posten erst im Sommer von Gründer Josh Luber übernommen, der aber weiterhin aus dem Aufsichtsrat und auch in der aktiven Unternehmensführung mitmischt. Für Cutler ist der neue Job, wenn man so will, die perfekte Symbiose aus seinen vorherigen Stationen: Ebay und die New Yorker Börse.

Die Plattformen prüfen, ob es sich um Originalprodukte handelt

Denn ähnlich wie bei einer Wertpapierbörse werden die Preise bei Stock-X durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Wie bei einer Aktie zeigt Stock-X die Preisentwicklung eines Sneakers in Grafiken an. Und ähnlich wie bei Ebay können Privatpersonen Schuhe, Kleidung oder Accessoires bei Stock-X kaufen oder verkaufen, nur dass beide Seiten anonym bleiben. Gegenseitige Bewertungen sind nicht möglich. Die Nutzer schicken sich die Ware auch nicht direkt zu, sondern alles läuft über die Plattform. Die prüft auch, ob es sich um Originalprodukte handelt. Weltweit hat Stock-X dafür 100 Leute angestellt, die beispielsweise in Fabrikhallen in Detroit oder - für den europäischen Markt - in London und im niederländischen Eindhoven prüfen, ob die Etiketten echt sind, die Originalverpackung dabei, Schnürsenkel, Nähte, Logos in Ordnung, und die zum Test auch mal in den Schuh hineinriechen. In einem Youtube-Video zeigt Stock-X den Prozess, der eher nach einem flüchtigen Check aussieht. Doch Cutler beteuert, dass nur 0,1 Prozent der Produkte, die von den Prüfern durchgewinkt wurden, sich hinterher als Fälschung herausstellen.

Natürlich ist Stock-X nicht die erste Firma, die auf die Idee gekommen ist, in Deutschland limitierte Sneaker und Streetware online zu verkaufen. Es gibt ein deutsches Pendant, das hierzulande in der Szene bekannt ist: Klekt. Die Plattform wurde 2013 gegründet, setzt nach eigenen Angaben "mehrere Millionen Euro im Monat" um und funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Auch Klekt prüft auf Echtheit. Stock-X-Chef Cutler nennt die Plattform deshalb den größten Konkurrenten im Bereich Sneaker in Deutschland.

Doch die Amerikaner treiben ihr Börsenprinzip noch mehr auf die Spitze: Im Oktober brachte Adidas 330 Stück seines Klassikers "Campus 80" in drei neuen Versionen, entworfen von drei verschiedenen Designern, direkt bei Stock-X heraus - und zwar in einer speziellen Versteigerungsart, wie es sie auch an der klassischen Börse gibt. Stock-X nennt es IPO, ein "Initial Product Offering", so wie man bei einem Börsengang von einem "Initial Public Offering" spricht. "Es ist das erste Mal, dass eine Marke den Preis für limitierte Sneaker vom Kunden selbst bestimmen lässt", sagt Cutler. Der Durchschnittspreis habe bei etwas mehr als 200 US-Dollar gelegen.

Die Aktion zeigt, wie große Sneakermarken zunehmend mit den Weiterverkaufsplattformen zusammenarbeiten. Bisher hatten sie nur indirekt vom großen Zweitmarkt profitiert - beim Markenimage. Die Aktion zeigt aber auch, dass sich Sneaker noch mehr von ihrem eigentlichem Zweck entfernen und als Spekulationsobjekt zweckentfremdet werden.

Heiko Lanzke, einer der Gründer des Stock-X-Konkurrenten Klekt, lässt sich wenig beeindrucken von den Expansionsplänen des amerikanischen Wettbewerbers. "Die starke Konkurrenz zeigt, dass wir im richtigen Geschäft sind", sagt er. Auch Klekt wolle in Zukunft expandieren. Kommen sich die Anbieter da nicht in die Quere? Internetgiganten wie Amazon und Google haben gezeigt, wie sich große Player im Internet breitmachen und kleinen Konkurrenten kaum Platz lassen. "Ich glaube nicht, dass es bei den Streetwear-Plattformen eine Monopolisierung geben wird", sagt Lanzke. "Der Kuchen ist so groß, dass alle etwas davon abhaben können."

Das liegt auch daran, dass sich der Sneakermarkt in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert hat, professioneller geworden ist. "Früher war das ein reiner Liebhabermarkt. Jetzt ist es hauptsächlich ein Konsummarkt", sagt Lanzke. Nicht nur Fans stünden Schlange, wenn besondere Kollektionen in den Handel kommen, sondern auch Händler, die die Schuhe direkt online weiterverkaufen wollen. Die Einzelhändler, die einst auswählten, welche Modelle sie in ihr Sortiment aufnehmen, und damit auch bestimmten, was cool ist, verlieren an Bedeutung. Sie werden ihr Kontingent gehypter Sneaker auf jeden Fall los. Doch andere verdienen deutlich mehr damit. "Der Markt ist riesig geworden und findet vor allem online statt", sagt Lanzke.

Doch was, wenn der Sneaker-Hype mal abebbt? Da sind sich die Chefs der beiden großen Plattformen sehr einig. "Lange wurde von einer Blase geredet, aber das Gegenteil ist der Fall", sagt Lanzke. Der Markt wachse solide weiter, weil sowohl die Grenzen zwischen Luxusmode und Streetwear verschwimmen, als auch Sneaker längst bei den Massen angekommen sind. "Nicht ohne Grund nähert sich der globale Sneakermarkt den 100 Milliarden Dollar", pflichtet ihm Konkurrent Cutler bei. "Und wir sehen diese Zahl wachsen - nicht eine Blase platzen."

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