Kleine Expo in Südkorea:Robotertreffen im mondänen Fischernest

Südkorea richtet in der Küstenstadt Yeosu eine kleine Expo aus, die mit Hightech für die Rettung der Meere wirbt. Dafür wurden riesige Betonkomplexe gebaut, die den Blick auf den Strand verstellen. Dass man die Umwelt mit dem Verzicht auf Großprojekte schützt, ist noch nicht bis zum Staatspräsidenten vorgedrungen.

Christoph Neidhart

Fußball-Weltmeisterschaften, Olympische Spiele, internationale Gipfeltreffen - und nun die Expo 2012 in Yeosu. Südkorea drängt in den Verein der Großen, im Städtchen Yeosu an der Südküste des Landes öffnet an diesem Samstag die Expo 2012 ihre Tore.

Kleine Expo in Südkorea: Das große "O" steht als Symbol für die Expo im südkoreanischen Yeosu.

Das große "O" steht als Symbol für die Expo im südkoreanischen Yeosu.

(Foto: AP)

Hauptthema der Weltausstellung sind die Ozeane. Die Expo soll eine "Vision, das Leben im Meer wiederherzustellen" bieten, dazu eine "Vision für grünes Wachstum und Zusammenarbeit", etwa beim Kampf gegen den Klimawandel. Die Organisatoren greifen, wie schon vor zwei Jahren beim G-20-Gipfel in Seoul mit dem Thema "Armut", Probleme auf, die der Welt unter den Nägeln brennen, vor denen die Politik jedoch zurückschreckt.

Yeosu liegt auf einer Halbinsel zwischen Meer und Bergen. Noch vor wenigen Jahren war die Stadt ein abgelegenes Fischernest mit entsprechender Verarbeitungsindustrie, nun ist sie per Hochgeschwindigkeitszug mit Seoul verbunden. Riesige Betonkomplexe mit Veranstaltungshallen verstellen den Blick auf den Strand, vor einigen Wochen waren manche noch nicht einmal fertig. Was nach der Expo mit dieser mondänen Wasserfront geschieht, weiß man noch nicht. Seoul hat versprochen, diese nach Abschluss der Expo zu übernehmen.

Zu den Attraktionen, die an der Expo zum Schutz und zur Regeneration der Meere aufrufen sollen, werden Fisch-Roboter gehören, aus deren Nasen Laserstrahlen treten. Die Ausstellung werde zum größten Robotertreffen der Geschichte, sagen die Organisatoren. Auch Unterwasser-Roboter, die künftig zum Bergbau auf dem Meeresboden eingesetzt werden könnten, sind zu sehen. Südkorea glänzte schon bei den jüngsten Weltausstellungen mit Hightech-Installationen. Maskottchen der Expo 2012 sind Yeony und Suny, zwei anthropomorphe Plankton-Tierchen. Zum Wahrzeichen der Veranstaltung wird ein großes "O", das aus der Ferne aussieht wie ein Riesenrad. Es sollte der "größte Wasservorhang" werden, der je gebaut wurde. Darauf werden mit Lasern Hologramme projiziert.

Die Expo 2012 ist eine Weltausstellung der zweiten Kategorie. Weltausstellungen erster Klasse finden alle fünf Jahre statt, die jüngste in Shanghai 2010, die nächste 2015 in Mailand. Sie bleiben sechs Monate geöffnet. Die kleineren Expos, die in kürzeren Abständen stattfinden können, dürfen höchstens drei Monate dauern, so die Regel des Bureau International des Expositions. Die jüngste kleine Expo fand 2008 im spanischen Saragossa statt. Der deutsche Pavillon in Yeosu ist den Ressourcen im Meeresgrund gewidmet, insbesondere den gigantischen Methan-Vorräten.

Die koreanische Südküste mit ihren vielen kleinen Inseln ist für ihr Wattenmeer bekannt. Das Wasser der "Straße von Korea" zieht sich zweimal täglich bei Ebbe weit zurück. Die Regierung in Seoul möchte das ganze Land so mit Superschnellzügen vernetzen, dass man aus allen Ecken nach Seoul pendeln kann. Selbst wenn es nur darum geht, abends ins Kino zu gehen, wie eine Beamtin jüngst sagte. Oder für einen Tagesausflug von Seoul zur Expo, die insgesamt acht Millionen Besucher aus hundert Ländern erwartet. Später sollen die Superschnellzüge Hunderttausende Ausflügler an das empfindliche Ökosystem dieses Wattenmeeres bringen.

Südkorea ist ein Land der Macher, nicht erst, seit der frühere Bauunternehmer Lee Myung-bak Staatspräsident ist. Aber seither erst recht. Der Gedanke, dass man die Umwelt am besten mit dem Verzicht auf Großprojekte schützt, und sich die Natur mit Renaturierungsprojekten erholen kann, ist noch nicht bis ins Blaue Haus gedrungen, dem Sitz des Staatspräsidenten. Besonders deutlich zeigt sich das an Lees "Vier-Flüsse-Projekt". Im Wahlkampf hatte der Präsident vor fünf Jahren versprochen, quer durch die Halbinsel einen Schifffahrtskanal zu bauen. Wozu aber braucht eine Halbinsel ohne Binnenschifffahrt, deren Bewohner mehrheitlich in Küstennähe wohnen, einen Schifffahrtskanal? Die Proteste wurden so heftig, dass Lee aufgab - um später fast das gleiche Projekt als Umweltprojekt neu aufzulegen.

Vier der wichtigsten Flüsse des Landes, die zum Teil verschlammt und verseucht waren, müssten saniert werden, meinte er. Es waren genau jene vier Flüsse, die für die Schifffahrt hätten ausgebaggert werden sollten. Nun lässt Lee die Dämme und Staustufen zur "Sanierung" der Flüsse bauen. Sie werden mit Straßen und Radwegen versehen, an den Stauseen entstehen Freizeitparks und Restaurants. Die Folgen von zuviel Beton werden mit noch mehr Beton kuriert.

Korea druckte schon vor Gutenberg Bücher

Südkorea ist auch ein Land, in dem noch alles machbar scheint: Man pflügt die Landschaft um, stampft neue Städte aus dem Boden. Da Seoul ein überdimensionierter Wasserkopf ist, ließ Lees Vorgänger Roh Moo-hyun beispielsweise auf der grünen Wiese eine neue Hauptstadt bauen: Sejong. Die Beamten wollen aber nicht umziehen: Sie würden von ihren Familien getrennt, die Kinder sollen schließlich in Seoul zu Schule gehen, wo die Ausbildung als besser gilt. Nun sucht die Regierung nach einem Verwendungszweck für die neue Hauptstadt, die keine wird.

Korea ist eine Halbinsel, die meisten Südkoreaner wohnen in der Nähe des Meeres, Fisch spielt in ihrer Küche eine zentrale Rolle. Bisher liegen nur zwei Großstädte im Inland. Dennoch war der Westen überrascht, als die Koreaner 1972 auch eine maritime Nation sein wollten. Damals beschloss die Regierung, die Industrie sollte Werften bauen. Doch trotz Dumping-Preisen erhielten die Koreaner zuerst überhaupt keine Aufträge. Drei Jahrzehnte später war Südkorea der größte Schiffsbauer der Welt.

Solche Wechsel erlebte Korea in seiner langen Geschichte immer wieder: In Korea druckte man bereits Bücher in Farbe, als Johannes Gutenberg den Buchdruck für Europa im 15. Jahrhundert noch einmal erfand. Im 16. Jahrhundert baute es Kriegs- und Handelsschiffe, die jenen Japans überlegen waren - und fiel dann technisch aber wieder zurück. Im 19. Jahrhundert waren die Koreaner ein Volk der Bauern und Küstenfischer, das sich hilflos gegen die Kolonisierung durch Japan wehrte. Und 1910 unterlag. Bis 1945 beutelte Tokio die Halbinsel, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Nord- und Südkorea zerrissen wurde.

Noch vor 50 Jahren war Südkorea eines der ärmsten Entwicklungsländer. Jetzt gehört es zum Klub der Reichen und zu den wenigen Staaten, die alles wollen: Wohlstand und Nobelpreise, eine Hochsee-Kriegsflotte, Luft- und Raumfahrt, Olympische Sommer- (1988) und Winterspiele (2018). Und nun nach 1993 zum zweiten Mal eine Weltausstellung.

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