Süddeutsche Zeitung

Kleinanlegerschutz:Crowd und Rüben

Manche Start-ups sammeln über "Crowdfunding" von vielen Anlegern Geld ein. Sie beklagen, unter einem Gesetz zu leiden, das eigentlich dazu gedacht war, Kleinanleger zu schützen. Eine Studie der Bundesregierung macht ihnen wenig Hoffnung.

Von H.Freiberger, F.Wilke, L.Zdrzalek

Das Gesetz schien dringend nötig. Anfang 2014 ging der Windkraftbetreiber Prokon Pleite. Er hatte im großen Stil Genussscheine unters Volk gebracht, die zum großen Teil wertlos wurden. 75 000 oft ahnungslose Anleger verloren Hunderte Millionen Euro. Deshalb schuf die Bundesregierung 2015 das Kleinanlegerschutzgesetz. Es setzt enge Grenzen, wie viel Geld Firmen von Anlegern einsammeln dürfen, zudem müssen sie in einem umfangreichen Prospekt deutlich über die Risiken des Investments informieren.

Bald stellte sich jedoch heraus, dass das Gesetz unerwünschte Nebenwirkungen hatte. Eine davon war, dass die Crowdfunding-Branche massiv in ihrem Geschäft behindert wurde. Das sind meist junge Unternehmen, die über eine Plattform von vielen Kleinanlegern - der "Crowd" - Geld einsammeln, um sich zu finanzieren.

Deshalb schrieb der Gesetzgeber, der Bundestag, Ausnahmen in das Gesetz, die es Crowdfunding-Projekten erleichtern sollten, an Geld zu kommen. Eine davon ist, dass nur solche Unternehmen einen dicken Prospekt vorlegen müssen, die mehr als 2,5 Millionen Euro von Anlegern einsammeln und von einzelnen Anlegern mindestens 10 000 Euro. Zugleich verpflichtete der Bundestag die Bundesregierung, die Lage nach einem Jahr in einem Evaluationsbericht zu überprüfen.

Vor allem ging es darum zu untersuchen, ob die Vorschriften des Gesetzes samt seiner Ausnahmen die wirtschaftliche Tätigkeit von Crowdfunding-Unternehmen behindert.

Eigentlich sollte der Bericht schon im Herbst 2016 kommen. Doch es gab Verzögerungen, so dass ihn die Bundesregierung erst jetzt an den Bundestag weitergab. Vor allem die Crowdfunding-Branche hoffte, dass die Evaluation zu Erleichterungen für sie führt. Die Bundesregierung hat diese Hoffnung aber kaum erfüllt. Crowd-Projekte sind bislang bis zu einem Volumen von 2,5 Millionen Euro von der Prospektpflicht ausgenommen. Ein solcher Prospekt kostet meist eine fünfstellige Euro-Summe. Die Crowd-Branche hätte gerne einen höheren Schwellenwert gesehen, um das eigene Wachstum zu fördern. Die Evaluation lehnt das als (vorerst) unnötig ab.

Die Regierung erwägt laut dem Bericht außerdem, sämtliche Crowd-Immobilienprojekte dazu zu verpflichten, einen Prospekt zu veröffentlichen. Bisher gilt für sie dieselbe Grenze wie für andere Crowd-Projekte: 2,5 Millionen Euro. Der Vorschlag könnte Immobilienprojekte unrentabel machen oder sie zumindest sehr viel Geld kosten, da ein Prospekt viel Geld verschlingt. Dieser Vorschlag ist sehr relevant für die Crowd-Branche, weil die Immobilien-Projekte zurzeit das Wachstum treiben, während das Volumen der Crowd-Start-ups stagniert. Etwa ein Drittel aller Projekte sind bereits aus dem Immobilienbereich.

Die Befreiung von der Prospektpflicht hätte die Crowd-Branche gerne auf andere Anlagen wie Genussrechte ausgeweitet. Bisher gilt sie nur für sogenannte Nachrangdarlehen und partiarische Darlehen. Im Bericht steht jedoch: "Die geltende Rechtslage sollte zunächst beibehalten werden." Einschränkend heißt es nur: "Das schließt nicht aus, dass erneut darüber nachgedacht werden sollte."

Start-ups kritisieren, dass sie umfangreiche und teure Prospekte vorlegen sollen

Es gibt auch einen Pluspunkt für die Crowd-Branche: Auf EU-Ebene ist man sich wohl einig darüber, dass künftig Wertpapieremissionen bis zu einer Million Euro im Jahr von der Prospektpflicht ausgenommen werden sollen. Die Branche begrüßt das, sie hält Wertpapiere, etwa Aktien, für besser geeignet als die bisherigen Nachrangdarlehen. Im Bericht steht: "Insoweit könnte zu erwägen sein, dieses Ergebnis vorweg zu nehmen." Die Frage ist allerdings, ob das der Branche wirklich hilft. Eine Aktiengesellschaft (AG) zu gründen, ist weiterhin sehr aufwendig, die Crowd-Branche hat deshalb für eine "AG-Light" plädiert. Die Evaluation lehnt diesen Schritt als unnötig ab.

"Unsere Branche tut mehr für den Investorenschutz, als das Gesetz verlangt", sagt Karsten Wenzlaff, Geschäftsführer des Bundesverbandes Crowdfunding. So würden Anleger im Investitionsprozess mehrmals darauf hingewiesen, dass sie nicht zu viel ihres Geldes in ein Projekt stecken sollen. Da die Evaluation so lange gedauert habe, werde in dieser Legislaturperiode nichts mehr passieren. Dabei gebe es dringenden Handlungsbedarf, weil deutsche Start-ups beim Crowdfunding gegenüber britischen oder französischen benachteiligt seien; dort ist die Finanzierung über Aktien möglich.

Erschwerend kommt für Wenzlaff hinzu, dass die Bundesregierung ab 2019 wahrscheinlich ohnehin die geplante EU-Verordnung zur "Kapitalmarktunion" umsetzen muss, die weitere Erleichterungen bei der Prospektpflicht vorsieht. Deutschland bleibe bis dahin deutlich hinter anderen Ländern zurück und erschwere damit jungen Unternehmen das Wachstum.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3392137
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.02.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.