Klaus Zumwinkel und der Verdacht der Steuerhinterziehung:Wenn's beim Postmann zweimal klingelt

Jahrzehntelang galt der Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel als seriöser und integrer Manager mit Weitblick, Feingefühl und mächtigen Freunden - umso schwerer wiegen nun die Vorwürfe.

Caspar Dohmen

Klaus Zumwinkel hat sich bei seinen Auftritten immer gerne als Verfechter der sozialen Gerechtigkeit gegeben. Da gab es zum Beispiel vor knapp einem Jahr die Bilanzpressekonferenz der Deutschen Post. Damals klagte er die Löhne der Konkurrenz an, die für den Unterhalt der Briefträger nicht ausreichen würden.

Klaus Zumwinkel und der Verdacht der Steuerhinterziehung: Klaus Zumwinkel machte aus der defizitären Bundespost einen Weltkonzern mit einem Börsenwert von 35 Milliarden Euro - nun geht es um sein privates Geld.

Klaus Zumwinkel machte aus der defizitären Bundespost einen Weltkonzern mit einem Börsenwert von 35 Milliarden Euro - nun geht es um sein privates Geld.

(Foto: Foto: dpa)

Der Mann fand auch deshalb viel Gehör, weil er als glaubhafter, seriöser Manager galt. Bei der nächsten Bilanzpressekonferenz am 6. März 2008 aber wird er sich Fragen zu seinem Fehlverhalten vorhalten lassen müssen, sollte er noch an der Spitze des Unternehmen stehen. Zuletzt nämlich hat seine Glaubwürdigkeit enorm gelitten, erst durch den Verkauf von Aktienoptionen und nun durch den Verdacht der Steuerhinterziehung.

Seit am Donnerstagmorgen die Steuerfahnder vor seiner weißen Villa im Kölner Stadtteil Marienburg auftauchten und klingelten, ist der einst gute Ruf des Spitzenmanagers schwer beschädigt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, eine Million Euro Steuern hinterzogen zu haben. Deshalb wurde nicht nur seine Villa durchsucht, sondern auch sein Büro im 40. Stock des Posttowers in Bonn. Von seinem Arbeitszimmer, dem höchsten überhaupt in Nordrhein-Westfalen, blickt Zumwinkel an gewöhnlichen Arbeitstagen ins Siebengebirge und bis nach Köln.

Kein schlechtes Wort

Der Vorwurf der Steuerhinterziehung passt so gar nicht zum Image des Managers, der über Jahrzehnte hinweg Weitblick und taktisches Gespür bewiesen hat, insbesondere beim Umbau der trägen Schneckenpost in ein globales Unternehmen. Dafür erhielt er Auszeichnungen wie "Stratege des Jahres" oder "Manager des Jahres". Deshalb konnte sich bis zum Donnerstag niemand in der Post vorstellen, dass der für das Jahresende geplante Abschied Zumwinkels anders als triumphal ausfallen würde.

Nun aber muss der dienstälteste Chef eines Dax-Unternehmens um seinen Ruf kämpfen. "Was da abläuft, ist ein Drama", sagt ein Wegbegleiter Zumwinkels, erst die "dumme Geschichte mit den Aktien und jetzt auch noch die Steuerfahndung". Vor kurzem erst war der Manager beim Verkauf von Aktienoptionen in die Kritik geraten. Die Bundesregierung hatte soeben einen so hohen Mindestlohn festgesetzt, welcher der Post trotz der vollständigen Freigabe des Briefmarktes ein Quasi-Monopol auf dem Heimatmarkt sichert und den Kurs der Postaktie beflügelte, da verkaufte Zumwinkel Postaktien.

In den Augen vieler Beobachter war es schlicht geschmacklos, dass der Postchef nichts Besseres zu tun hatte, als sofort Kasse zu machen und für seine Aktien 4,73 Millionen Euro zu kassieren. Der Postchef hätte mehr Fingerspitzengefühl beweisen müssen, sagt selbst ein hochrangiger Postmanager, der sonst kein schlechtes Wort über seinen Chef verliert. Und jetzt gebe es auch noch den Verdacht der Steuerhinterziehung, ergänzt er, "das ist zum Heulen".

Durch die Steueraffäre könnte das Selbstporträt, das Zumwinkel gerne von sich gezeichnet hat, zur Karikatur verzerrt werden. Stets hatte der Manager seine Rolle des ehrlichen Kaufmanns betont, der sich um die große Sache kümmert. Unermüdlich hatte er darauf verwiesen, nicht auf hohe Gehälter angewiesen zu sein, alleine schon, weil er genügend Geld besitze. Er selbst schien derart im Reinen mit sich und seinem Leben zu sein, dass man ihn laut Managermagazin für einen "modernen Buddha halten könnte". Auf die Frage, welchen Traum er sich noch erfüllen wolle, sagte er einem anderen Magazin. "Weiter ein zufriedenes und glückliches Privatleben führen zu können".

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Spekulationen über den Kronprinzen Appel.

Wenn’s beim Postmann zweimal klingelt

Während Anhänger von Zumwinkel auf einen großen Irrtum hoffen und von einer Verschwörung reden, setzen Gegner schon auf einen unrühmlichen Abgang des Topmanagers. Schon wird darüber spekuliert, dass der Kronprinz Appel früher an die Spitze berufen werden könnte. Das könnte bereits am 6. März bei der Aufsichtsratssitzung vor der Bilanzpressekonferenz Thema sein.

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, könnte Zumwinkels Fall nicht tiefer sein. Mit schon an Langeweile grenzender Seriosität hat er aus der Bundespost einen Weltkonzern geschmiedet. 1989 machte die Behörde noch jeden Tag eine Million Mark Verluste. Heute bewertet die Börse den Gelben Riesen mit 35 Milliarden Euro.

Dabei profitierte der von manchem Mitarbeiter als "Häuptling Silberlocke" bezeichnete Zumwinkel stets von seinem geschäftlichen Instinkt, seinem Fingerspitzengefühl für Strategie und seinem guten Netz in die Politik. Die Union zählt Zumwinkel schon seit der Kanzlerschaft Helmut Kohls zu den ihren. Seinerzeit gab der Bankier Alfred Herrhausen dem Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling den Tipp mit Zumwinkel, als der Postminister einen Chef für die Bundespost suchte, die zur Privatisierung anstand.

Zumwinkel war damals der Einmischung der Versandhauseigentümerin Grete Schickedanz bei Quelle überdrüssig und nach einigen Gesprächen mit dem Minister wechselwillig, obwohl er damit auf 80 Prozent seines Gehalts verzichtete. Nach der Privatisierung wurde Zumwinkel dann der erste und bislang einzige Vorstandschef der neuen Deutschen Post AG, heute mit mehr als einer halben Millionen Beschäftigten das weltweit siebtgrößte private Unternehmen.

Höhepunkt der Macht

Während eines Flugs von Prag nach Moskau in diesem Winter sagte der 64-Jährige zu seinem damaligen Wechsel: "Ich war reich." Dann erzählte er ein Kapitel aus seiner Lebensgeschichte. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder habe er nach dem frühen Tod seines Vaters die Geschäftsführung des familieneigenen mittelständischen Einzelhandelskonzerns mit seinen zehn Kaufhäusern und 50 Discountern übernommen. 1971 hatten die Erben die Firma gewinnbringend an den Kölner Einzelhandelskonzern Rewe verkauft. Zumwinkel studierte damals noch Betriebswirtschaft. Nach einem Studium in den USA wechselte er zu McKinsey und später zu Quelle.

Bestens kam Zumwinkel auch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder aus, den er auf mehreren Auslandsreisen begleitet hat. Dabei rang Zumwinkel dem Sozialdemokraten die Zustimmung für die Übernahme der Postbank ab, ein Deal, um den sich Zumwinkel lange schon vergeblich bemüht hatte. Gemeinsam besiegelten der Manager und der Politiker eines Abends am Postbahnhof in Ostberlin auch die milliardenschweren Investitionen für den Bau eines neuen Drehkreuzes der DHL, der Logistiktochter der Deutschen Post.

Bei dem Gespräch unter sechs Augen war Rolf Büttner dabei, der damals auf dem Ticket der Gewerkschaft stellvertretender Aufsichtsratschef bei dem Gelben Riesen war. Dabei habe Zumwinkel auch einem Tarifvertrag in Ostdeutschland zugestimmt, auch per Handschlag - obwohl noch überhaupt kein Mensch dort angeheuert worden war. Büttner konnte sich nach eigener Aussage immer auf Zumwinkels Wort verlassen, der für ihn jemand ist , der seine privaten Briefmarken mit eigenem Geld bezahlte, "so korrekt war er".

So viele positive Worte über den Postchef fanden die Gewerkschafter anfangs nicht. Vielmehr stieß Zumwinkel mit seiner Truppe von Managern, die häufig wie er selbst ebenfalls von der Unternehmensberatung McKinsey kamen, auf blanken Hass. Für die waren wir die Externen, sagt Zumwinkel rückblickend, eben Manager ohne Beamtenkarriere. Gleichwohl rauften sich beide Seiten stets zusammen, auch wenn es bisweilen zu Streiks kam. Bei der Post ging es schließlich immer um viel. Seit der Liberalisierung strich das Unternehmen rund 140.000 Stellen in Deutschland.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Bergwanderungen mit Jürgen Schrempp.

Wenn’s beim Postmann zweimal klingelt

"In kniffligen Situationen hat sich Zumwinkel stets selbst an den Verhandlungstisch gesetzt", sagt Büttner, anders als die Chefs vieler anderer Konzerne. Das Verhältnis zwischen Verdi und der Post ist heute so eng, dass beide gemeinsam den Coup mit dem Mindestlohn einfädeln konnten, der die Konkurrenten heftig unter Druck setzte. So haben viele Tochternunternehmen von Pin, einem der Hauptkonkurrenten bereits Insolvenz angemeldet. "Mit diesem Trick hat Zumwinkel viele in der Wirtschaft gegen sich aufgebracht", sagt ein Manager des Postkonzerns.

Bei der Durchsetzung des Mindestlohns half Zumwinkel sicher auch sein Kontakt zur Kanzlerin Angela Merkel, die er seit 16 Jahren kennt. Bei ihr findet Zumwinkel auch regelmäßig Gehör, beispielsweise bei Runden wie vor der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007. Zuvor war in Isny, einer Kleinstadt im Allgäu, ein kleiner Kreis von Politikern um Merkel zusammengesessen, und Zumwinkel präsentierte dort die Vorstellungen der Wirtschaft für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.

Bis heute sitzt Zumwinkel wie eine Spinne im Machtnetz der einstigen Staatsunternehmen. Ob bei Post, Postbank, Telekom oder Lufthansa, überall hat er entscheidende Schalthebel in Vorstand oder Aufsichtsrat in der Hand, gute Kontakte pflegt er zu Wirtschafsführern wie dem Lufthansa-Chef Jürgen Weber oder dem ehemaligen Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp. Mit ihnen steigt der passionierte Wanderer, der schon im Himalaya unterwegs war, auch schon mal auf Berge.

Als Zumwinkel vor zwei Jahren Regie bei dem Wechsel an der Telekomspitze führte, dem Wechsel von Kai-Uwe Riecke zu René Obermann, war er auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen. Während bei anderen Dax-Konzernen die Vorstände in einem immer schnelleren Takt wechselten, saß Zumwinkel unangefochten auf dem Postthron. Doch seitdem gab es Risse in der Erfolgsgeschichte Deutsche Post. So fragen immer häufiger die Investoren nach den Fortschritten im amerikanischen Expressgeschäft, wo die Post bereits mehr als fünf Milliarden Euro verbrannt hat und immer noch nicht in die Gänge gekommen ist. Schon ist von einem Verkauf des inneramerikanischen Geschäfts die Rede, was eine Schlappe für Zumwinkel wäre.

Es bleibt viel zu tun

Zumwinkel habe sich die Lösung dieses Problems ganz oben in sein Notizbuch geschrieben, sagt ein Vertrauter, gleich darunter stehe die Postbank. Sicher ist die blaugelbe Bank eine Ertragsperle, sagt ein Manager des Postkonzerns. "Allerdings ist diese Story mittlerweile nur noch die halbe Wahrheit." Die US-Immobilienkrise mit ihren Folgen für die Banken weltweit habe doch gezeigt, wie anfällig und vor allem volatil das Bankgeschäft sein kann.

So kam es zuletzt bei der Postbankaktie zu sehr großen Kurssprüngen. "Ist es richtig, wenn ein Logistikkonzern mit Aktien spekuliert?", fragt ein hochrangiger Postbankmanager, der auch deswegen einen Verkauf der Postbank erwartet. Interesse haben bereits die Deutschen Bank und die Commerzbank bekundet. Somit gibt es für Zumwinkel, der Ende des Jahres auf den Posten des Aufsichtsratschefs wechseln will, noch eine Menge Arbeit im operativen Geschäft. Zuletzt sagte er die über Karneval geplante Reise nach China und in den Orient kurzfristig ab.

Bevor er sich nun aber den drängendsten Problemen bei der Post zuwenden kann, muss sich Zumwinkel, erstmal um seine Privatangelegenheiten kümmern.

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