Klaus Hoffmeister: Plagiate:Der Piratenjäger

Raubkopien en masse und ein übler Geruch in der Asservatenkammer: Klaus Hoffmeister ist der oberste Produktpiratenjäger des deutschen Zolls. Zur Hannover Messe hat er besonders viel zu tun.

Uwe Ritzer

Da drin riecht es so muffig, dass man selber stinkt, wenn man ein paar Minuten drin ist", warnt Klaus Hoffmeister, als er das Zimmer aufsperrt. Hinter der Tür sieht es aus wie in einem Trödelladen: Bohrmaschinen, Spielwaren, Sonnenbrillen, Parfüms, Sexspielzeug und T-Shirts. Lauter gefälschte Markenartikel. Beschlagnahmt von Zöllnern im ganzen Bundesgebiet und als Asservate aufbewahrt im fensterlosen Zimmer 442 der Oberfinanzdirektion München.

Klaus Hoffmeister, Foto: Schellnegger

Klaus Hoffmeister und lauter gefälschte Markenartikel, beschlagnahmt von Zöllnern im ganzen Bundesgebiet und als Asservate aufbewahrt im fensterlosen Zimmer 442 der Oberfinanzdirektion München.

(Foto: Foto: Schellnegger)

Während Klaus Hoffmeister einen grauen Metallspind mit Zigaretten-Stangen und Champagner öffnet, erzählt er vom Leiden seiner Frau, wenn die mit ihm einkaufen muss. Unlängst erst in einem Jeansgeschäft interessierte er sich wieder einmal mehr für Hosenetiketten und -knöpfe als für Länge und Passform. "Denken Sie sich nichts, mein Mann prüft nur, ob Sie Fälschungen verkaufen", sagte Frau Hoffmeister genervt, als sich die Verkäuferin wunderte.

"Berufskrankheit, ich kann nicht anders", sagt Klaus Hoffmeister und lacht. Die Diagnose dürfte stimmen. Seit 1995 hat der fünffache Vater die Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz (ZGR) aufgebaut und ist seither auch ihr Leiter. "Mein Chef hat damals gesagt: Sie können machen, was Sie wollen, aber seien Sie erfolgreich", erzählt Hoffmeister, ein großgewachsenes Mannsbild von 47 Jahren. Er ist, wenn man so will, der oberste Produktpiratenjäger des deutschen Zolls.

Geschätzter Schaden pro Jahr: 30 Milliarden Euro

Der Erfolg lässt sich schwer in Zahlen messen. Experten schätzen den volkswirtschaftlichen Schaden durch Produktpiraterie in Deutschland auf jährlich 30 Milliarden Euro. Nicht nur bei der am Montag eröffneten Hannover Messe beklagen Markenhersteller eine rasante Zunahme von Fälschungen. Viele Firmen sind überfordert. "Bei uns kommen jede Woche mindestens zwei bis drei entsprechende Hinweise rein", sagt Sebastian Meyer, Leiter Recht und Compliance beim Stiftehersteller Schwan-Stabilo. "Aus Kosten- und Kapazitätsgründen müssen wir Prioritäten setzen, welchen Fall wir überhaupt verfolgen." Der deutsche Zoll zog "im Jahrhundertjahr 2006" (Hoffmeister) gefälschte Waren im Gesamtwert von 1,2 Milliarden Euro aus dem Verkehr. In den folgenden beiden Jahren lag das Volumen jeweils bei mehr als 400 Millionen Euro. Aktuelle Zahlen gibt Finanzminister Wolfgang Schäuble, am Donnerstag bekannt.

Spürnase und Intuition

Hoffmeisters Arbeit darf man sich nicht wie die eines Polizeiermittlers vorstellen. Sein 13-köpfiges ZGR-Team organisiert den bundesweiten Kampf gegen Produktpiraterie hauptsächlich vom Schreibtisch aus. Die Außenarbeit erledigen die Zöllner vor Ort, an Grenzen, in Häfen, an Flughäfen, bei Lkw-Kontrollen auf Autobahnen und Landstraßen. Statistisch gesehen werden nur zwischen fünf und acht Prozent aller Waren kontrolliert, die nach Deutschland kommen. Mehr geht einfach nicht. Dafür seien die Kontrollen umso zielgerichteter, meint Hoffmeister. "Die Erfahrung, die Spürnase und die Intuition der Kollegen vor Ort sind für den Erfolg entscheidend." Es ist eine Indiziensuche: Der riesige Container, der für eine Adresse in einem beschaulichen Wohngebiet bestimmt ist, die Abfertigung in einem anderen Zollbezirk als dem des Empfängers, die auffallend ungenaue Warenangabe in den Zollpapieren - es gibt Dutzende kleiner Hinweise, die Zöllner stutzig machen.

Bündeln, verknüpfen und verteilen

In Hoffmeisters Arbeit geht es um Strategien, wie Unternehmen ihre Markenprodukte schützen und wie man Fälschungen gezielt aufspüren kann. Die ZGR sammelt Daten über Markenprodukte und bündelt, verknüpft und verteilt sie an die Kollegen draußen. Vorausgesetzt, die Unternehmen melden ihre über Patente oder anderweitig geschützten Produkte möglichst präzise der ZGR. Hoffmeister und seine Leute vernetzen Informationen und entwerfen Schutzstrategien für ganze Branchen. Ein bisschen erinnert das an Polizisten, die Täterprofile erstellen, damit man überhaupt weiß, wo und wen man suchen muss. Denn Produktpiraten werden immer raffinierter und ihre Vertriebswege haben sich zuletzt enorm geändert. "Früher kam alles über die See- und Flughäfen", sinniert Hoffmeister in der muffigen Asservatenkammer 442. "Heute bieten Fälscher ihre Ware anonym im Internet an, der Kunde kauft und die Ware kommt per Post, deklariert als private Geschenksendung."

Eine wirksame Kontrolle ist da für den Zoll kaum noch möglich. Hoffmeister mag den Kampf dennoch nicht aufgeben. Er reist durch die Lande, besucht Markenhersteller, hält Vorträge und nimmt an internationalen Konferenzen teil. Produktpiraterie ist kein national zu lösendes Problem. "Die EU ist ein Haus mit 27 Fenstern", sagt er, "da kann man nicht jedes zusperren, denn das Haus braucht auch Luft. Und schon gar nicht kann man jede Ritze und jeden Spalt stopfen." Die meisten und perfidesten Fälscher sitzen in China. Von dort kommt mehr als ein Drittel aller hierzulande festgestellten Raubkopien. Legt man deren Warenwert zugrunde, beherrscht China diesen illegalen Markt sogar mit 73 Prozent.

Wie man dagegen angehen kann, habe der FC Bayern München bewiesen, sagt Hoffmeister in seinem mit Wimpeln des Klubs dekorierten Büro. Durch enge Zusammenarbeit mit der ZGR und speziellen Schutz der Original-Fanartikel mittels eines schwer zu fälschenden Hologramms habe der Fußballverein erreicht, dass der Anteil von gefälschten Fanartikeln in Deutschland binnen zwei Jahren um 75 Prozent zurückgegangen sei. Natürlich kennt auch Hoffmeister aus dem Italienurlaub die Marktstände, an denen gefälschte Fußballtrikots und Marken-T-Shirts günstig angeboten werden. Er gehe daran vorbei, sagt er, "allein schon aus Berufsethos". Nur einmal wurde er schwach. In der Türkei kaufte er sich ein T-Shirt, auf dem die drei Symbole von Adidas, Nike und Puma aufgedruckt waren. Die drei größten Sportartikelhersteller der Welt auf einem T-Shirt - "das war so verrückt, das musste ich mir kaufen."

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