Ermittlungen wegen Verrat von Dienstgeheimnissen:Tausende Beamte hatten Zugriff auf Hoeneß' Steuerakte

Bayern Munich's President Hoeness delivers speech during annual meeting of German Bundesliga first division soccer club in Munich

Ärgerlich für Uli Hoeneß: So viele Menschen hatten Zugang zu seinen Steuerakten, dass nun nicht mehr geklärt werden kann, wer die Details an die Medien gab

(Foto: REUTERS)

Missstände beim bayerischen Fiskus: Tausende Finanzbeamte hatten nach Erkenntnissen von Staatsanwälten Einblick in die Steuerakte des früheren FC-Bayern-Managers Uli Hoeneß. Auch einer, der die Details an den "Stern" weitergab?

Von Klaus Ott

In Bayern hatten mehrere tausend Finanzbeamte jahrelang unkontrolliert Zugriff auf die Steuerakte von Uli Hoeneß, dem früheren Präsidenten des FC Bayern München. Das hat sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I wegen Verrats von Dienstgeheimnissen im Fall Hoeneß herausgestellt. Der ehemalige Fußball-Manager, der wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde und im Gefängnis sitzt, hatte nach Presseberichten über seinen Fall Strafanzeige wegen Verletzung des Steuergeheimnisses gestellt.

Die Münchner Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis, dass mit ziemlicher Sicherheit ein Gesetzesbruch vorliege. Ein Steuerbescheid des Finanzamtes Miesbach vom 27. Dezember 2011 für Hoeneß sei mit "hoher Wahrscheinlichkeit" von einem Informanten, der "unmittelbaren Zugriff" auf die beim Fiskus gespeicherten Daten über den Bayern-Chef gehabt habe, dem Magazin Stern zugespielt worden. Ein "bestimmter Tatverdächtiger" habe aber nicht festgestellt werden können. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren daher nunmehr im August ein.

Nach Erkenntnissen der Ermittler lagen beim bayerischen Fiskus insgesamt 8130 Zugriffsberechtigungen für die elektronischen Steuerakten von Hoeneß vor. Da einzelne Finanzbeamte mehrere Berechtigungen hatten, lag die Zahl der "personen- oder funktionsbezogenen Zugriffsberechtigungen" bei 2949. Aber nur bei 462 Mitarbeitern beziehungsweise Dienststellen sei elektronisch protokolliert worden, wenn jemand die Hoeneß-Akten gelesen habe. Die restlichen 2487 Beschäftigten oder Dienststellen konnten demnach auf ihren Computern ohne jede Kontrolle die Steuerbescheide und andere Unterlagen des Bayern-Managers sichten oder gar ausdrucken.

Das Bayerische Landesamt für Steuern erklärte dazu, landesweit hätten 1165 Finanzbeamte Zugriffsberechtigungen auf den fraglichen Steuerbescheid von Hoeneß gehabt. Die anderen Zahlen - mehr als 8000 beziehungsweise knapp 3000 Zugriffsberechtigungen - könnten "nicht nachvollzogen werden". Da bahnt sich offenbar ein heftiger Streit zwischen dem Fiskus und der Justiz an. Das Landesamt erklärte weiter, bei den Zugriffsberechtigten handele es sich im Wesentlichen um "Steuerverfolgungseinheiten" wie die Steuerfahndung, Umsatzsteuerprüfer sowie Bußgeld- und Strafstellen. Für die Bekämpfung von Steuerdelikten seien "umfangreiche Prüfungs- und Zugriffsrechte" unabdingbar.

Weitere Missstände beim bayerischen Fiskus

Die Staatsanwaltschaft war noch auf weitere Missstände beim bayerischen Fiskus gestoßen. Aufgrund eines "Programmfehlers" seien seit März 2013 nicht einmal mehr jene Zugriffe vollständig erfasst worden, bei denen das normalerweise der Fall war. Die wenigen noch verfügbaren Daten seien "ohne jede Aussagekraft" und ließen keinerlei Rückschlüsse auf einen unbefugten Abruf des Hoeneß-Steuerbescheids von Ende 2011 und dessen Weitergabe an die Presse zu. Die Strafverfolger sahen schließlich keine weiteren erfolgsversprechenden Ermittlungsansätze und gaben daher auf.

Der Fiskus hatte zuvor selbst einen Mitarbeiter entdeckt, der sich nach den ersten Steuer-Schlagzeilen über Hoeneß dessen Akte teilweise auf dem Computer angeschaut hatte - ohne dass dafür ein "dienstlicher Anlass" vorgelegen hätte. Der Finanzbeamte erklärte, er habe aus reiner Neugier gehandelt. Er habe aber keinerlei Informationen an Dritte weitergereicht.

Die Staatsanwaltschaft ging auch dieser Spur nach, die sich aber als offenbar falsch herausstellte. Aufgrund der ermittelten Details sei "nicht anzunehmen", dass dieser Beschäftigte verantwortlich sei für die Weitergabe des Steuerbescheids von Hoeneß an den Stern, notierte die Münchner Staatsanwaltschaft.

Nach Angaben des Fiskus soll das Steuergeheimnis künftig besser geschützt werden. Jedes Finanzamt bekomme einen Datenschutzbeauftragten, erklärte das Landesamt für Steuern. Die Zahl der Zugriffsberechtigungen auf Steuerakten werden um knapp 30 Prozent gesenkt. Außerdem "werden alle Zugriffe zukünftig protokolliert". Hinzu komme eine Zentralstelle für "bayernweites Datencontrolling".

Für Hoeneß kommt das alles zu spät.

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