Klage-Modelle:Verbündet gegen die Konzerne

Es gibt verschiedene Modelle für ein gemeinsames Vorgehen von Verbrauchern gegen Unternehmen - wie schauen sie aus?

Von Klaus Ott

Musterklage

Der Verbraucherverbände fordern seit Langem, ihr Verbandsklagerecht auf Schadenersatzprozesse zu erweitern. Im Wege der Verbandsklage gehen Verbraucherorganisationen seit Jahrzehnten gegen Unternehmen vor. Um beispielsweise lästige Telefonwerbung abzustellen, Abzocke im Internet zu erschweren oder bessere Vertragsbedingungen zu erstreiten, notfalls bis zu den höchsten Gerichten.

Rund 1000 Mal im Jahr werden die Verbände nach Angaben der deutschen Verbraucherzentrale aktiv. Mit der Einführung einer Musterklage könnten die Verbraucherzentrale und deren Landesorganisationen in einer Art Sammelverfahren für eine Vielzahl betroffener Kunden auch gemeinsam Schadenersatz fordern, etwa bei überhöhten Preisen oder mangelhafter Ware. Bislang ist das nicht möglich.

Das Modell der Verbraucherzentrale sieht vor, dass die Kunden sich in einem Klageregister registrieren lassen. Anschließend folgt ein Musterprozess, der mit einem Vergleich oder einem Urteil endet. Das Ergebnis ist dann für alle vergleichbaren Fälle verbindlich; alle betroffenen Kunden würden davon profitieren. Das Verfahren würde über die Verbraucherorganisationen laufen. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale würde eine solche Musterklage "amerikanische Verhältnisse" verhindern, sprich gerade nicht zu horrenden Schadenersatzforderungen von Großkanzleien führen.

Stiftungsmodell

Ein anderes Modell wird vom früheren Bundesinnenminister Gerhard Baum favorisiert, der sich mit seiner Düsseldorfer Anwaltskanzlei um zahlreiche Verbraucherfälle kümmert. Baum und sein Kanzlei-Partner Julius Reiter kooperieren in der Abgasaffäre bei Volkswagen mit der gemeinnützigen niederländischen Stiftung Car Claim (Auto-Klage), bei der zahlreiche europäische VW-Kunden registriert sind.

Car Claim strebt einen außergerichtlichen Vergleich mit Volkswagen an, will notfalls aber auch klagen. Jeder VW-Kunde kann am Ende entscheiden, ob er den Vergleich annimmt. Auf die fällige Summe müsste VW 18 Prozent drauflegen: für die Kosten der Stiftung, für die beteiligten Kanzleien und für die Stiftungs-Finanziers. Ein Vergleich müsste von einem Gericht genehmigt werden, die Stiftung müsste ihre Finanzen offenlegen.

"Die Niederländer sind uns mit ihrem Stiftungsmodell Jahre voraus", sagt Reiter. Dieses Modell habe sich schon in vielen Verfahren bewährt und ziele gerade nicht auf höchstmögliche Schadenersatzzahlungen und Profite, äußert Baum. "Die US-Kanzleien kassieren ja ganz anders ab."

Damit das niederländische Modell auch in Deutschland funktioniert, braucht es eine Musterklage, die nicht an Verbraucherschutzverbände gekoppelt wäre, sondern auch anderen offen stünde. Bislang lässt sich VW auf keinen Vergleich mit Car Claim ein.

Sammelklage

Im Falle Volkswagen und gewissermaßen auf einem Umweg versucht derzeit der deutsche Ableger der US-Kanzlei Hausfeld, eine Sammelklage nach US-Vorbild in Deutschland einzuführen. Michael Hausfeld ist einer der erfolgreichsten Anwälte in den USA, was Sammelklagen anbelangt. Seine Berliner Kanzlei vertritt beim Landgericht Braunschweig 15374 VW-Kunden, die wegen manipulierter Abgaswerte insgesamt 358 Millionen Euro Schadenersatz für ihre Dieselfahrzeuge geltend machen.

Kläger ist offiziell die Hamburger Firma My Right (Mein Recht). Die Fahrzeugbesitzer haben ihre Ansprüche an My Right abgegeben. Das sei nach deutschem Recht zulässig, erklärt die Kanzlei Hausfeld. My Right übernimmt alle Kosten und Risiken und würde bei einer erfolgreichen Klage 35 Prozent der Schadenersatzsumme erhalten, das heißt bis zu 125 Millionen Euro.

Das meiste davon ginge an das US-Unternehmen Burford Capital, das Prozesse finanziert. Burford stellt für das Braunschweiger Verfahren zehn Millionen Euro bereit und trägt letztlich das Risiko. Mit diesem "Finanzpolster" ist nach Angaben der Kanzlei Hausfeld "eine Vielzahl vergleichbarer Sammelklagen gegen VW durch alle Instanzen durchfinanziert". Haben Hausfeld, My Right und Burford beim Landgericht Braunschweig Erfolg, dann wäre das ein Präzedenzfall, der weitere Klagen dieser Art nach sich ziehen dürfte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: