Klage gegen Länderfinanzausgleich:"Politische Notwehr" vor dem Bundesverfassungsgericht

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(Foto: SZ-Grafik: Mainka)

"Wir werden klagen, auf jeden Fall": Die Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen, Horst Seehofer und Volker Bouffier, sind fest entschlossen, den Länderfinanzausgleich zu verändern und vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Doch eine Gerichtsentscheidung könnte auch den Geberländern schaden.

Von Guido Bohsem und Mike Szymanski

Lange Zeit haben Hessen und Bayern gezögert. Jetzt wollen die beiden Bundesländer Ernst machen. Am 5. Februar soll es eine gemeinsame Kabinettssitzung der beiden Regierungen geben und der gemeinsame Beschluss fallen, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. "Die Klage ist ein Akt politischer Notwehr", sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Sein bayerischer Amtskollege Horst Seehofer betonte: "Wir werden klagen, auf jeden Fall."

Monatelang hatten die beiden Länder mit einer Klage gedroht, um die anderen Bundesländer zu Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich zu bewegen. Vergeblich. Immer wieder hatten sie sich Abfuhren geholt. Jetzt sind die Regierungen der beiden Länder entschlossen, ihre Drohung in die Tat umzusetzen. "Wir haben lange genug verhandelt, jetzt müssen wir handeln", sagte Bouffier.

Angeheizt wurde die Debatte durch Berechnungen der Bundesregierung. Die Experten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatten eine Bilanz des Ausgleichs-Mechanismus gezogen und dabei alle Zahlungen seit der deutschen Einheit berücksichtigt. 128 Milliarden Euro sind seitdem verteilt worden.

Im Ergebnis hat es über die Jahre fünf Zahlerländer gegeben, wobei Hessen und Bayern jeweils gut 38 Milliarden Euro sowie Baden-Württemberg mit etwa 35 Milliarden Euro den größten Beitrag leisteten. Hamburg zahlte etwa 5,2 Milliarden Euro und Nordrhein-Westfalen 11,1 Milliarden Euro, wobei NRW seit 2010 kein Zahlerland ist, sondern Empfänger. Größter Profiteur ist Berlin, das zwar erst seit 1995 am Länderfinanzausgleich teilnimmt, seitdem aber 45 Milliarden Euro erhalten hat. Zuletzt wurde der Finanzausgleich 2005 reformiert. Er soll bis Ende 2019 gelten.

Ungewollte Nebenwirkungen

Ziel des Länderfinanzausgleichs ist es, für möglichst einheitliche Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik zu sorgen. Aus diesem Grund überweisen die reicheren Länder den ärmeren Ländern in jedem Jahr einen Teil ihres Steueraufkommens. Gemessen wird dies an den Steuereinnahmen, die pro Kopf erzielt werden. Liegt es in einem Bundesland über dem Bundesdurchschnitt, gehört das Land zur Zahlerseite. Liegt es unter dem Durchschnitt, kann das Land mit Zuwendungen rechnen.

Hessen und Bayern argumentieren im Kern, dass der Ausgleichsmechanismus zu völlig ungewollten und kontraproduktiven Nebenwirkungen führt. Pro Kopf sinke das Steueraufkommen der Geberländer dadurch unter das in manchen Empfängerländern.

"Bayern ist entschlossen"

Seehofer sagte, er habe vor Weihnachten mit den Experten gesprochen, die den Schriftsatz für die Klage vorbereiteten. "Bayern ist entschlossen". Unterstützung erhielt er dabei von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Sie halte es für richtig, nach Karlsruhe zu gehen. Es könne nicht sein, dass sich Länder wie Berlin Ausgaben leisteten, die sich Bayern spare, weil der Freistaat solide haushalte.

Bouffier betonte, dass sich Bayern und Hessen mit ihrem Schritt nicht aus der Gemeinschaft der Länder verabschieden wollten. "Wir stellen die Solidarität nicht in Frage, aber wir wollen unseren wirtschaftlichen Erfolg zunächst für die hessischen Bürgerinnen und Bürger einsetzen."

Auch das Bundesfinanzministerium begrüßte den Schritt der beiden Länder. Wenn Geberländer Leistungen verweigern müssten, die sich Nehmerländer genehmigen könnten, stimme etwas nicht mit dem System, sagte Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (CSU) der Leipziger Volkszeitung. "Deshalb ist es politisch notwendig, hier eine Klärung durchzuführen." Es dürfe aber nicht darum gehen, den Länderfinanzausgleich grundsätzlich in Frage zu stellen, sondern um eine konkrete und gerechte Ausgestaltung.

Baden-Württemberg warnt vor Eskalation

Kritik am Vorgehen Hessens und Bayerns kam unterdessen aus dem dritten großen Geberland, aus Baden-Württemberg. Finanzminister Nils Schmid (SPD) warnte vor einer Eskalation des Streits. Sein Land setze weiter auf eine Verhandlungslösung statt auf unnötige Konfrontation der Beteiligten. Er habe Verständnis dafür, dass sich Seehofer im bayerischen Landtagswahlkampf befinde: "Wir lassen uns aber nicht vor den CSU-Wahlkampf-Karren spannen." Wenn das Verfassungsgericht im Sinne Bayerns entscheide, müsste ein neues Modell ohnehin zwischen den Ländern ausgehandelt werden. An der Situation ändere sich demnach nichts.

Schmid verwies zudem auf Risiken, die durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes entstehen könnten. Das Gericht werde den Finanzausgleich unter allen denkbaren Gesichtspunkten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz prüfen. Dies könne für die Geberländer und insbesondere Baden-Württemberg auch Nachteile mit sich bringen. Dies wäre der Fall, wenn sich die Richter beispielsweise für eine stärkere Einbeziehung der Gemeindefinanzkraft in den Finanzausgleich aussprächen.

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