Klage gegen Griechenland vor EuGH:Der EU reißt der Geduldsfaden

Dicke Luft in Athen: Im ganzen Land wird gestreikt und jetzt klagt auch noch die EU. Es geht um illegale Steuerbeihilfen.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Der Europäischen Kommission ist offenbar der Geduldsfaden mit Griechenland gerissen. Die Behörde kündigte am Mittwoch in Brüssel an, sie werde die Regierung in Athen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagen.

Als Grund für den in der Europäischen Union eher ungewöhnlichen Schritt gab Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia an, Griechenland weigere sich, eine Entscheidung der EU-Kommission aus dem Jahr 2008 umzusetzen. Darin hatten die EU-Beamten die griechische Regierung aufgefordert, rechtswidrige Beihilfen zurückzufordern, die sie in Form von Steuervergünstigungen an Hunderte Unternehmen vergeben hatte.

Das griechische Recht erlaubt es, dass die Unternehmen einiger Branchen 35 Prozent ihrer Gewinne aus den Jahren 2003 und 2004 von der Steuer absetzen, solange sie das Geld in die Modernisierung ihrer Gebäude, neue Ausrüstungen, Leasingfahrzeuge oder die Fortbildung der Mitarbeiter investierten.

Bis heute nicht zurück gezahlt

Zu den begünstigten Wirtschaftszweigen zählten unter anderem Textilhersteller, Metallschmelzen, Automobilbauer, Energieerzeuger, Bergbau, intensive Landwirtschaft und Fischereibetriebe, große internationale Handelshäuser sowie einige Tourismusunternehmen.

Die Unternehmen konnten die Steuervorteile direkt bei den Finanzämtern beantragen, da die Beihilferegelung Teil des griechischen Steuersystems war.

Die unrechtmäßig begünstigten Unternehmen hätten das Geld bis heute nicht zurückgezahlt, sagte Almunia. Deshalb müsse die EU-Kommission nun erneut aktiv werden.

"Mit allem Nachdruck"

"Rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfen müssen zurückgefordert werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu gewährleisten", erklärte der oberste Wettbewerbshüter der EU. Die Kommission werde "mit allem Nachdruck" dafür sorgen, dass die Mitgliedsstaaten ihrer Rückforderungspflicht nachkommen.

Nach Angaben der EU-Kommission beläuft sich der Wert der unrechtmäßigen Subventionen auf rund 80 Millionen Euro. Bereits im Jahr 2007 monierte die EU-Kommission, dass das griechische Recht mit den EU-Beihilfevorschriften nicht vereinbar sei. Da die Behörde jedoch bis heute keine Information über die Rückzahlung der Beihilfen bekommen habe, habe sie beschlossen, das Land nun beim EuGH zu verklagen, sagte Almunia.

Zwar betonte die EU-Kommission offiziell, die Klage stehe nicht im Zusammenhang mit der riesigen Schulden- und Finanzkrise des Landes. Hohe Beamte sehen das Vorgehen jedoch im Zusammenhang mit dem jüngsten Vergehen der griechischen Regierung.

Glaubwürdigkeit noch weiter beschädigt

Eigentlich hatte Athen den EU-Behörden zugesagt, bis zum Montag dieser Woche Details zu den Finanzgeschäften zu übermitteln, die dem Land die Aufnahme in die Währungsunion ermöglichten. Griechenland war 2001 unter anderem auf Basis falscher Angaben dem Euroraum beigetreten.

Der EU-Kommission zufolge liegen diese Daten trotz der Zusage bisher nicht vor, angeblich, weil die Finanzbeamten in Griechenland streiken.

Der Glaubwürdigkeit Griechenlands hat das zusätzlich geschadet. Die Regierung in Athen hat versprochen, zügig weitreichende Spar- und Reformpläne umzusetzen, um das bei knapp 13 Prozent liegende Haushaltsdefizit bis 2012 wieder unter die nach EU-Recht erlaubten drei Prozentpunkte zu drücken.

Experten bezweifeln, dass die Griechen die Pläne umsetzen, da diese teilweise noch vom Parlament gebilligt werden müssen. Aufgrund der schlechten Wettbewerbsfähigkeit und des riesigen Schuldenberges ist das Land vom Konkurs bedroht. Es steht unter EU-Zwangsaufsicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: