Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung:Wer Kinder hat, sollte nach Berlin ziehen

  • Kitas können in Deutschland zwischen null und 600 Euro im Monat kosten. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft.
  • Dass die Höhe der Kita-Gebühren oft nicht vom Einkommen der Eltern abhängt, wird von vielen kritisiert.
  • Mit einer Vereinheitlichung dieser Gebühren ist Familienministerin Franziska Giffey jedoch gescheitert.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Über zwei Dinge dürften die allermeisten Eltern sich einig sein: Kinder sind etwas sehr Wertvolles - und ziemlich teuer. Wie teuer das Leben mit Kindern tatsächlich ist, richtet sich jedoch erheblich danach, wo die Familie wohnt. Neben den Mieten und den Immobilienpreisen machen vor allem die Kinderbetreuungskosten den Unterschied. Das bestätigt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das die Kita-Gebührenordnungen der deutschen Städte mit mehr als 250 000 Einwohnern und der kleineren Landeshauptstädte durchforstet hat. Das Ergebnis: ein Flickenteppich von null bis über 600 Euro pro Monat und Kind.

Die Gebühren sind nicht nur unterschiedlich hoch, sie werden auch anhand unterschiedlicher Kriterien erhoben. Mal kommt es auf das Brutto-, mal auf das Nettoeinkommen der Eltern an, mal zahlen alle das gleiche, mal geht es nach dem Alter der Kinder oder dem täglichen Betreuungsumfang. Der Grund für diese Unübersichtlichkeit: Über die Gebühren ihrer Einrichtungen entscheiden die Kommunen selbst - und manchmal gelten die beschlossenen Sätze nicht mal für alle Träger vor Ort.

Besonders gut weg kommen Eltern in Berlin. Dort wurden in den vergangenen Jahren sukzessive sämtliche Kita-Gebühren abgeschafft. Seit dem 1. August vergangenen Jahres zahlen Eltern nichts mehr für die Betreuung ihrer Kinder, nur noch für das Mittagessen. In der zweitgrößten deutschen Stadt, Hamburg, ist die Lage anders: Dort sind täglich fünf Stunden Betreuung inklusive Mittagessen kostenlos, wer längere Kitazeiten braucht, zahlt gestaffelte Beiträge - bei sieben Stunden am Tag reicht die Spannbreite von 29 Euro im Monat für Geringverdiener bis 191 Euro in der Spitzengruppe.

Wie so ziemlich alles andere ist in München auch der Besuch einer Kindertagesstätte verglichen mit anderen Städten eher teuer. Für ein eineinhalbjähriges Kind zahlen Geringverdienen mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 30 000 Euro 91 Euro im Monat, für einen 35-Stunden-Platz in einer städtischen Einrichtung. Ab 90 000 Euro Einkommen werden 328 Euro fällig. Erst für über dreijährige Kinder wird es günstiger. Übertroffen allerdings werden die Münchener Gebühren von denen in Köln: Dort kostet ein Platz für Eineinhalbjährige in der unteren Einkommensgruppe gut 133 Euro, in der obersten fast 480. Im zweiten Kita-Jahr wird es etwas, für über Dreijährige deutlich günstiger.

Wohlgemerkt: alles immer für sieben Stunden Betreuung am Tag. Für Paare, die in Vollzeit arbeiten, dürfte das aber oft nicht reichen. Betreuungszeiten von mehr als 35 Stunden sind in den meisten Städten noch mal deutlich teurer.

Für Streit sorgte zwischen Bund und Ländern zuletzt die Tatsache, dass die Kitagebühren in einigen Kommunen nicht sozial gestaffelt sind. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) wollte den Ländern mit ihrem Gute-Kita-Gesetz, durch das die Länder vom Bund 5,5 Milliarden Euro für bessere Kitas bekommen, eine Staffelung nach Einkommen der Eltern, Anzahl der Kinder in der Familie und Betreuungszeit vorschreiben. Die Länder aber wehrten sich und verwiesen auf einen "enormen Prüf- und Verwaltungsaufwand" für Träger, die ihre Beiträge bislang nicht staffeln. Am Ende stand ein Kompromiss: Die Staffelung kommt, die Kriterien dafür aber können die Länder wählen.

Was es bedeutet, wenn alle Eltern die gleichen Gebühren bezahlen, kann man in der IW-Studie an Frankfurt/Main sehen: Dort zahlen Eltern mit 30 000 Euro Jahreseinkommen derzeit für einen 35-Stunden-Platz für ihre unter dreijährigen Kinder 158 Euro im Monat - Familien mit einem dreimal so hohen Einkommen ebenfalls. In Leipzig sind es gar 164 Euro für alle. Allerdings können Geringverdiener in beiden Städten Anträge auf Ermäßigung stellen; in Frankfurt sei zudem eine Änderung der Regelung geplant, heißt es in der Studie. Schon heute fallen dort ab dem dritten Geburtstag die Gebühren weg.

Eine Vereinheitlichung der Gebühren könne nur mit einer kompletten Abschaffung erreicht werden, so IW-Ökonom Wido Geis-Thöne, sonst würden etwa Eltern in Berlin schlechter gestellt. Die gebührenfreie Kita allerdings ist umstritten. Das Gute-Kita-Gesetz ermöglicht es den Ländern zwar, das Geld des Bundes zur Senkung oder Abschaffung der Gebühren zu verwenden. Geis-Thöne und viele andere Experten aber warnen, dass es wichtiger sei, zunächst die Betreuungsqualität zu verbessern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4272233
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.01.2019/lüü
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.