Süddeutsche Zeitung

Kirch-Prozess:Gutachten belastet Ackermann und Breuer

Im Prozess der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank belastet ein vom Gericht eingeholtes Gutachten die Ex-Vorstandschefs Breuer und Ackermann. Sie sollen ein auf Englisch verfasstes Sitzungsprotokoll irreführend oder sogar falsch wiedergegeben haben.

Im Schadenersatzprozess der Erben des Medienunternehmers Leo Kirch gegen die Deutsche Bank belastet ein vom Oberlandesgericht (OLG) München eingeholtes Gutachten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die ehemaligen Bankchefs Rolf Breuer und Josef Ackermann. Sie sollen ein auf Englisch verfasstes Vorstandsprotokoll der Bank von Ende Januar 2002 vor Gericht "irreführend" beziehungsweise "nicht korrekt" wiedergegeben haben.

Es geht dabei um die Fragen, ob die Bank damals wenige Monate vor der Kirch-Pleite versucht hat, von dem Medienunternehmer einen Auftrag für den teilweisen Verkauf von dessen Film- und Fernsehimperium zu erhalten. Und ob der seinerzeitige Bankchef Breuer mit seinem TV-Interview, in dem er Anfang Februar 2002 Kirchs Kreditfähigkeit öffentlich anzweifelte, den Medienmagnaten unter Druck setzen wollte, damit die Bank ein lukratives Mandat erhalte. Kirch war damals Großkreditkunde der Deutschen Bank gewesen. Die Bank und ihre früheren Chefs streiten die Vorwürfe ab.

Bei einer Vorstandssitzung am 29. Januar 2002, wenige Tage vor Breuers TV-Interview, war über Kirch geredet worden. In der Niederschrift steht, die Bank "has been asked whether we could act as a mediator". Und weiter: "The Board felt that as a first step Mr Kirch should be approached with the question whether he would award us an advisory mandate ...". Das OLG hat dazu zwei Sachkundige um Stellungnahme gebeten. Professorin Angela Hahn von der Leitung des Sprachenzentrums an der Uni München. Und Professorin Sharon Byrd, die ihre akademische Karriere an US-Hochschulen begann und in Deutschland lehrt.

Hahn schreibt in ihrer fünfseitigen Expertise, dass "DB has been asked" bedeute, die Bank sei definitiv gefragt worden, ob sie als Vermittler tätig werden könne. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sei auszuschließen, dass der Verfasser des Protokolls eine Handlung schildere, die nicht stattgefunden habe.

Byrd kommt in ihrer 17-seitigen Analyse zu dem Ergebnis, der Ausdruck "the Board felt ..." sei so zu verstehen, dass der Vorstand über diese Anfrage diskutiert habe. Und dass dann die allgemeine Meinung in der Bankspitze gewesen sei, "dass erst einmal Kirch gefragt werden sollte, ob er der Deutschen Bank ein Beratungsmandat erteilen würde", bevor man in dieser Sache für andere interessierte Parteien tätig werden könne.

Ackermanns Aussage war "irreführend"

Was Ackermann als Zeuge vor Gericht den Justizunterlagen zufolge über das mittlerweile ein Jahrzehnt alte Vorstandsprototokoll ausgesagt hat, "erscheint als irreführend", schreibt Gutachterin Byrd. Über Breuer sagt die Professorin sogar, dieser habe das Vorstandsprotokoll vor Gericht "nicht korrekt" wiedergegeben. Das "nicht korrekt" hat die Gutachterin in ihrer Analyse unterstrichen.

Die Münchner Staatsanwaltschaft verdächtigt Breuer, er habe vor Gericht bewusst unwahre Angaben gemacht, um die Justiz zu täuschen. Und zwar, um die von Kirch noch zu Lebzeiten selbst auf den Weg gebrachte Schadenersatzklage abzuwehren und um sich so einen persönlichen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Breuer, Ackermann und die Deutsche Bank weisen alle Vorwürfe zurück. Die Bank betrachtet die beiden Gutachten als entlastend, wie sie auf SZ-Anfrage mitteilte. Die Expertisen hätten übereinstimmend festgestellt, dass sich aus dem damaligen Sitzungsprotokoll nicht ergebe, dass der Vorstand beschlossen habe, Kirch wegen eines Beratungsmandats anzusprechen. Außerdem habe Ackermann vor Gericht erklärt, er wolle sich nicht an einer Diskussion beteiligen, wie die englische Sprache im Protokoll im Detail zu verstehen sei. Die Bank will bei Gericht detailliert zu den beiden Gutachten Stellung nehmen. Dazu hat das Geldinstitut bis zum 13. August Zeit, ebenso wie die Kirch-Erben.

Einen ausführlicheren Artikel zu den Gutachten lesen Sie heute in der Süddeutschen Zeitung.

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SZ vom 17.07.2012/infu
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