Kirch Gruppe:Medien hoch im Kurs

Die Krise des Unternehmers Kirch ist keine Branchenkrise.

Ulf Brychcy

(SZ vom 12.02.02) - Triumphale öffentliche Gesten sind Thomas Middelhoff fremd. Im eigenen Haus aber lässt der Vorstandschef des Bertelsmann-Konzerns derzeit genüsslich verbreiten, dass er wieder einmal goldrichtig gelegen hat. Diesmal geht es um den Konkurrenten Leo Kirch, der die Vorstandsriege von Bertelsmann in der Vergangenheit so oft vorgeführt hat. Das weit verzweigte Medienreich des Filmkaufmanns aus München steht kurz vor dem Zusammenbruch - was vor allem am Milliardengrab Premiere World liegt.

"Kleiner Fliegendreck"

Es war Middelhoff, der sich vor drei Jahren gegen große interne Widerstände von dem Abofernsehen verabschiedete und die Anteile für viel Geld an Kirch verkaufte. Premiere habe keinerlei wirtschaftliche Perspektive und sei für seinen Konzern ohnehin nur ein "kleiner Fliegendreck", befand der Bertelsmann-Chef damals. Heute scheint es, als ob Kirchs haarsträubende Fehleinschätzungen bei Premiere die gesamte deutsche Medienwirtschaft in die Krise stürzen könnte.

Doch das Scheitern eines Unternehmens gefährdet nicht den Markt, sondern zeigt, dass die Marktkräfte noch funktionieren. Die günstigen Aussichten des Film- und Fernsehsektors jedenfalls werden durch Kirchs Kalamitäten keineswegs eingetrübt - genauso wenig, wie die Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann die Baubranche in den Abgrund geführt hat.

Mehr Geld für Niveau

"Medien stehen bei den Deutschen nach wie vor hoch in Kurs", heißt es beispielsweise in einer "Studie über zukünftige Trends in der Medienlandschaft", die von der internationalen Unternehmensberatung Mercer und der HypoVereinsbank vorgelegt wurde. Das Medienbudget deutscher Haushalte werde bis 2006 jährlich um 3,4 Prozent wachsen und damit erheblich stärker zunehmen als das durchschnittliche Einkommen, prognostizieren die Autoren.

Die Film- und Fernsehindustrie kann sich demnach besonders freuen: Hier dürften die Ausgaben pro Jahr um durchschnittlich knapp sieben Prozent steigen. Dass das Publikum tatsächlich bereit ist, deutlich mehr Geld für gediegenes Entertainment auszugeben, zeigt die Bilanz des zurückliegenden Kinojahres. 178 Millionen Besucher (plus 16,7 Prozent) strömten in die Filmtheater, um sich Harry Potter oder Der Schuh des Manitu anzusehen.

Hoffnung auf Expansion vorbei

Der gesamte Kinoumsatz schnellte sogar um ein Fünftel auf 987 Millionen Euro nach oben - ein wichtiges Zeichen, da die Einspielergebnisse die Grundlage der medialen Wertschöpfungskette bilden. Erst wird an den Kinokassen verdient, dann folgen Video und DVD, schließlich das Pay-TV und das frei empfangbare Fernsehen. Die Wachstumsphase beim Kino werde sich bis zum Jahr 2006 fortsetzen, heißt es in der Studie. Das Marktvolumen dürfte sich dann auf 1,5 Milliarden Euro belaufen.

Gemessen an dem einstigen Medienhype, der Börsen, Banken, Analysten und Anleger wie im Rausch erfasste, klingen diese Prognosen ziemlich realistisch. Die von vielen genährte Hoffnung auf eine beinahe grenzenlose Expansion hat sich vollständig aufgelöst - worunter nun auch Kirch leidet, der mit diesen Erwartungen handeln und spekulieren konnte wie kein zweiter. "Es war ein Irrglaube, dass die Medienwirtschaft Konjunkturzyklen außer Kraft setzen kann", stellt der Kölner Medienexperte Lutz Hachmeister fest.

Kundenwünsche vernachlässigt

Und es war ein Irrtum dass sich eine neue Medientechnologie wie das digitale Fernsehen als Monopol durchsetzen lässt. Kirch hätte den boomenden, wettbewerbsintensiven Mobilfunk studieren sollen, anstatt für überzogenen Preise die Ausstrahlungsrechte für Filme und Sport zu horten und anstatt auf seinem veralteten Decoder zu beharren.

Kirch hatte nicht die Wünsche der Kunden, sondern nur seine Filmvorräte im Blick. Dass auch Medienkonzerne wie Bertelsmann oder AOL Time Warner nicht frei davon sind, zeigt die Musikbranche. Die teuren CDs verkaufen sich immer weniger, die Flucht ins Internet hält an.

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