Kirch gegen Deutsche Bank:Der Wert der Worte

Leo Kirch lässt klären, was ihm die Deutsche Bank für ein paar Sätze zahlen muss, die angeblich zu seiner Pleite geführt haben.

Daniela Kuhr

Lange hat Leo Kirch auf diesen Tag gewartet. Mehr als sechs Jahre liegt es zurück, dass sein Medien-Imperium zusammenbrach. Jetzt endlich ist der Moment gekommen, in dem der 82-Jährige diejenigen zur Rechenschaft ziehen kann, die den Untergang der Kirch-Gruppe seiner Ansicht nach zu verantworten haben: die Deutsche Bank und ihren früheren Vorstandschef Rolf Breuer.

Kirch gegen Deutsche Bank: Leo Kirch "muss sich von der Vorstellung verabschieden, mit Hilfe einer Klage den Zusammenbruch seines Konzerns rückgängig zu machen"

Leo Kirch "muss sich von der Vorstellung verabschieden, mit Hilfe einer Klage den Zusammenbruch seines Konzerns rückgängig zu machen"

(Foto: Foto: ddp)

Zwar überzieht Kirch die beiden seit Jahren mit Klagen und Strafanzeigen. Doch im Vergleich zu dem, was nächste Woche ansteht, waren das nur kleine Scharmützel. Der wichtigste, der alles entscheidende Prozess beginnt am Dienstag um elf Uhr vor dem Landgericht München. Es geht um zwei Klagen, hinter denen Kirch steckt. In beiden zusammen fordert er mehr als 3,5 Milliarden Euro: von der Bank - und von Breuer persönlich.

"Ziemlich einmalig"

Es dürfte einer der spektakulärsten Zivilprozesse sein, die das Münchner Landgericht je erlebt hat. Die "exorbitante" Klagesumme ist nach der Erfahrung von Tobias Pichlmaier, Richter und zugleich Pressereferent am Landgericht München, "wohl ziemlich einmalig".

Zumal die 3,5 Milliarden Euro nur eine erste Forderung sind. Letztlich könnte es um ein Vielfaches davon gehen, wie aus Kirch-Kreisen in der Vergangenheit zu hören war.

Man komme auf eine zweistellige Milliardensumme, wenn man alle Schadenpositionen zusammenrechne, die Breuer mit einem Interview verursacht haben soll, das der damalige Vorstandschef der Deutschen Bank im Februar 2002 am Rande des Weltwirtschaftsforums in New York gegeben hatte.

Auf die Frage des Fernsehsenders Bloomberg, ob man Kirch noch unterstütze, hatte Breuer wörtlich gesagt: "Das halte ich für relativ fraglich. Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.

Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine - wie Sie gesagt haben - Stützung interessieren." Zwei Monate später, am 8. April 2002, meldete die Kirch Media als erste der Kirch-Gesellschaften Insolvenz an.

Angeblich ein perfider Plan

Es ist dieses Interview, in dem Kirch den Auslöser für seine Pleite sieht. Er ist überzeugt, dass Breuer einen perfiden Plan verfolgte. Gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und den Chefs der Verlagshäuser Bertelsmann und WAZ soll Breuer kurz zuvor die Zerschlagung der Kirch-Gruppe beschlossen haben.

Das Interview sei Teil der Strategie gewesen. Die Deutsche Bank hat das stets zurückgewiesen und wiederholte in den vergangenen Jahren bei jeder Gelegenheit, dass "Herr Dr. Kirch" nur versuche, "seine eigene Verantwortung für den Zusammenbruch seiner Firmengruppe und sein unternehmerisches Scheitern anderen zuzuschreiben". Doch ganz so einfach ist die Sache offenbar nicht.

Der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Zivilgericht, entschied im Januar 2006, dass Breuer vertragliche Pflichten der Deutschen Bank verletzt hat, indem er in dem Interview die Kreditwürdigkeit von Kirch anzweifelte.

Deshalb müssten sowohl die Bank als auch Breuer persönlich grundsätzlich alle Schäden ersetzen, die der Kirch-Gesellschaft Printbeteiligungs GmbH aus dem Interview entstanden seien. Welche das sind, ließ der BGH offen.

Trotzdem war das eindeutig ein Sieg für Kirch - allerdings nur ein Teilsieg. Eigentlich hatte der Unternehmer Schadenersatz für die gesamte Kirch-Gruppe gefordert und nicht nur für eine einzige Tochtergesellschaft. Eine so weitgehende Haftung lehnte der BGH jedoch ab.

Für jede Bank ein eigener Beweis

Die Richter begründeten die Beschränkung damit, dass die Deutsche Bank nur mit dieser einen Kirch-Gesellschaft einen Darlehensvertrag geschlossen hatte. "Dr. Kirch muss sich von der Vorstellung verabschieden, mit Hilfe einer Klage den Zusammenbruch seines Konzerns rückgängig zu machen", sagte der Vorsitzende Richter am BGH, Gerd Nobbe, bei der Urteilsverkündung.

Doch von dieser Vorstellung will Kirch sich nicht verabschieden. Mit Genehmigung der Gläubiger Hypo-Vereinsbank, DZ-Bank, BayernLB und Commerzbank haben 17 Gesellschaften der früheren Kirch-Gruppe ihre eventuellen Ansprüche gegen die Deutsche Bank auf eine Firma namens KGL Pool übertragen.

Diese Firma steckt hinter der ersten der beiden Klagen, die am Dienstag verhandelt werden. Sie verlangt bislang von Breuer und der Bank 2,011 Milliarden Euro plus Zinsen. Das soll der Schaden sein, der der Kirch Media allein aus der Verwertung von Pro Sieben Sat 1 entstanden ist. Weitere Schäden lassen sich derzeit noch nicht beziffern, da das Insolvenzverfahren andauert.

Kläger in dem zweiten Verfahren am Dienstag ist Kirch selbst, der für die Print Beteiligungs GmbH klagt. Da der BGH offengelassen hatte, welche Schäden Breuer mit seinem Interview konkret angerichtet hat, wird diese Frage nun das Landgericht beschäftigen. Die Richter werden klären müssen, ob die Äußerungen von Breuer tatsächlich ursächlich waren für die Pleite. Detailliert werden Kirchs Anwälte beweisen müssen, bei welcher Gläubigerbank sich das Interview wie genau ausgewirkt hat.

Ob dieser Beweis gelingt, ist völlig offen. Der hessische Generalstaatsanwalt hat kürzlich ein Strafverfahren gegen Breuer eingestellt mit der Begründung, dass "nach den Aussagen von maßgeblichen Zeugen" die Banken der Kirch-Gruppe "bereits vor dem fraglichen Interview nicht bereit" gewesen seien, zusätzliche Kredite zu gewähren. In Frankfurt ist man daher zuversichtlich. Rückstellungen hat die Deutsche Bank bislang nicht gebildet. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass die Herren in den Zwillingstürmen Leo Kirch unterschätzt haben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: