Kirch-Dokument der Deutschen Bank:Operation Barolo

Former Deutsche Bank CEO Breuer and lawyer Thomas arrive in Munich courtroom

Ein Schlüsseldokument über Leo Kirch belastet die Deutsche Bank - und ihren ehemaligen Chef, Rolf Breuer

(Foto: REUTERS)

Was in der Deutschen Bank über Leo Kirch notiert wurde und dem Institut zum Verhängnis werden könnte, hat viel mit Barolo zu tun - einem Geheimprojekt, von dem viele bis hinauf in den Vorstand nichts wussten. Einer aber soll im Bilde gewesen sein: Rolf Breuer, damals Chef des Geldinstituts und heute die Schlüsselfigur in diesem Wirtschaftskrimi.

Von Klaus Ott und Uwe Ritzer

Bei der Deutschen Bank muss es einige wichtige Leute geben, die gerne Barolo trinken. Das ist ein trockener Rotwein aus Italien, der dort zu den besten Rebsäften zählt. Früher, als noch Adelige herrschten, hatte diese Sorte einen ganz besonderen Beinamen: Wein der Könige.

Als einige Investmentbanker des Geldinstituts Anfang 2002 an einem neuen Projekt saßen, glaubten sie, Barolo sei der passende Name dafür. Schließlich ging es um einen König, einen Medienkönig, der noch dazu aus einer Winzerfamilie im fränkischen Volkach stammte, einer bekannten Weingegend. Es ging um Leo Kirch, der über Jahrzehnte hinweg Deutschlands größtes Film- und Fernsehimperium geschaffen hatte; der im April 2002 pleite ging und der anschließend die Deutsche Bank auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagte. Weil sie ihn als Kunden schmählich hintergangen und verraten habe.

Was damals geschah und was seither dem Geldinstitut große Sorgen und Nöte bereitet, hat viel mit Barolo zu tun, wie sich allerdings erst jetzt zeigt. Schließlich war das ja ein Geheimprojekt gewesen, von dem Außenstehende gar nichts gewusst hatten und viele Manager in der Bank ebenfalls nicht, bis hinauf in den Vorstand. Einer aber soll ganz gewiss im Bilde gewesen sein: Rolf Breuer, damals Chef des Geldinstituts und heute die Schlüsselfigur in diesem Wirtschaftskrimi.

Manager H. beschrieb eine Win-win-Situation

Nun gibt es passend dazu auch ein Schlüsseldokument. Eine Mail vom 28. Januar 2002, betreffend Barolo, aus der Londoner Investmentsparte der Bank an einen kleinen Kreis in der Frankfurter Konzernzentrale. Auf dem Verteiler stand auch Breuer. Der Manager H. aus London beschrieb darin eine Win-win-Situation für viele Beteiligte, wenn es gelänge, die finanziell schwer angeschlagene Kirch-Gruppe aufzuspalten und große Teile zu veräußern.

Der Springer-Verlag, Deutschlands größtes Zeitungshaus, könne die bei Kirch liegenden Anteile zurückholen (Springer hatte den lästigen Großaktionär ohnehin loswerden wollen). Abgegeben werden müsse auch die Formel 1. Und der Medienmagnat Rupert Murdoch könne die Fußball-Bundesliga übernehmen, die Kirch live im Abonnementsfernsehen (Pay TV) präsentierte. Die Barolo-Pläne sahen einen Pay-TV-Sportkanal für Murdoch vor, herausgelöst aus Kirchs Reich.

Mehr sollte der aggressive und rechtslastige Murdoch aber nicht bekommen, was ganz im Sinne des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder von der SPD gewesen wäre. Bei dem war Bank-Chef Breuer tags zuvor, am 27. Januar 2002, zu Gast gewesen, im Restaurant Wiechmann in Hannover. Zusammen mit Thomas Middelhoff, Chef von Bertelsmann, und dem inzwischen verstorbenen Erich Schumann vom Verlag der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. In der Runde wurde über Kirchs Notlage gesprochen und wie man darauf reagieren könne. Middelhoff hat dazu inzwischen bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt, bei dem Gespräch bei Schröder habe er den Eindruck gewonnen, Breuer habe Kontakt mit Kirch aufnehmen sollen, um die Lage auszuloten.

Die Staatsanwaltschaft erliege "Verschwörungstheorien"

In der Deutschen Bank muss das Kanzler-Gespräch bei den Barolo-Plänen eine wichtige Rolle gespielt haben. Jedenfalls wurde in der Mail vom 28. Januar 2002 darauf Bezug genommen. Außerdem wurde angeregt, auch mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber von der CSU zu sprechen, der wegen der drohenden Kirch-Pleite um den Medienstandort München fürchtete. Hier waren die meisten Firmen der Mediengruppe ansässig, darunter große TV-Sender wie Pro Sieben. Auch Stoiber hätte von Barolo profitiert. Der Standort München wäre weitgehend gesichert worden. Die Kirch-Gruppe hätte, stark geschrumpft, womöglich überlebt.

Da man eine solche Rechnung natürlich nicht ohne den Wirt machen kann, soll in der Mail vom 28. Januar 2002 vorgeschlagen worden sein, im nächsten Schritt auf Kirch zuzugehen. Um ihn für die geplanten Geschäfte zu gewinnen. Der Verfasser der Barolo-Mail, der Investmentbanker H. aus London, ist wie viele andere Zeugen von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Er soll bestätigt haben, dass die Bank großes Interesse gehabt habe, die Verwertung großer Konzernteile von Kirch zu übernehmen.

Über Barolo findet sich übrigens noch mehr in den Akten. Zum Beispiel eine sechs Seiten lange Präsentation mit den wichtigsten Eckpunkten. Und das Finanzielle hatte man auch notiert. Bei einem angedachten Geschäftsvolumen von bis zu drei Milliarden Euro wären für die Bank bestimmt einige hundert Millionen Euro hängen geblieben.

Breuer dürfte wegen versuchten Prozessbetrugs angeklagt werden

Die Erkenntnisse der Ermittler über Barolo widersprechen offenbar den Beteuerungen der Bank und der Banker bei Gericht, man habe damals mit Kirch nicht ins Geschäft kommen wollen; man habe ihn mit einem Fernsehinterview Breuers vom 4. Februar 2002 über seine mangelnde Kreditwürdigkeit nicht unter Druck setzen wollen; man habe ihn nicht verraten. In den Barolo-Papieren liest sich das anders.

Die jetzt vorliegenden Geheimdokumente dürften die Justiz in der Absicht bestärken, die Bank zu hohem Schadensersatz zu verurteilen. Und sie dürften dazu führen, dass Breuer und vielleicht auch einige andere Banker wegen versuchten Prozessbetrugs angeklagt werden.

Das Geldinstitut äußert sich dazu nicht, wegen der noch laufenden Ermittlungen. Nach Angaben aus Finanzkreisen ist sich die Bank sicher, die Vorwürfe rund um Barolo entkräften zu können. Das, was in den Unterlagen stehe, das stehe gar nicht in Widerspruch zu den Aussagen von Breuer und anderen Bankern beim OLG. Im übrigen machten sich Investmentbanker ständig Gedanken über alle möglichen Geschäfte. Im Kreise der vielen Anwälte, die sich um die Bank und die Beschuldigten kümmern, heißt es sogar, die Staatsanwaltschaft erliege "Verschwörungstheorien".

Der Barolo hatte übrigens ab 2000 einige gute Jahrgänge. 2002 war nicht dabei.

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