Kim Dotcom bei South by Southwest:"Ich werde nie in einem US-Gefängnis sitzen"

Megaupload-Grüner Kim Dotcom

Megaupload-Grüner Kim Dotcom, zusgeschaltet auf dem South-by-Southwest-Festival.

(Foto: AFP)

Per Skype-Interview gibt Kim Dotcom beim South-by-Southwest-Festival SXSW den Kämpfer für ein freies Internet. Er sei Opfer eines Komplotts zwischen Obama und Hollywood. Kritische Fragen stellt niemand - stattdessen erzählt der Megaupload-Gründer, wieso er Deutschland vermisst.

Von Matthias Kolb, Austin

Auf einmal ist er da. Von einer riesigen Leinwand grinst Kim Dotcom in den Saal des Long Center in Austin hinunter. Da der Megaupload-Gründer ein schwarzes T-Shirt trägt und in einem abgedunkelten Raum sitzt, schwebt sein voluminöser Kopf über Moderator Charles Graeber. Der Journalist hat im Herbst mehrere Wochen in Neuseeland mit Kim Dotcom verbracht, um für Wired den Mann zu porträtieren, der laut FBI mit Urheberrechtsverletzungen einen Schaden von 500 Millionen Dollar verursacht haben soll.

Weil ihm in den USA eine jahrzehntelange Haftstrafe droht, ist das Video-Interview per Skype die einzige Möglichkeit für den 39-Jährigen, beim South-by-Southwest-Festival SXSW in Texas aufzutreten. Es wurde eine angenehme Stunde für den Multimillionär, den das Publikum freundlich begrüßte und dem Graeber ein verständnisvoller Stichwortgeber war. Nur dass die Audio-Verbindung ab und an abbrach, unterbrach Dotcom dabei, sich in seiner Lieblingsrolle präsentieren: als Kämpfer für ein freies Internet. Er stehe in einer Reihe mit Wikileaks-Gründer Julian Assange und dem verstorbenen Hacker Aaron Swartz.

Er habe Megaupload gegründet, weil es früher unmöglich gewesen sei, große Datenpakete per E-Mail zu senden. Was die Nutzer hochluden, habe ihn nicht interessiert. Ihn beschäftigten die 50 Millionen Nutzer, die täglich die Website besuchten und so viele Daten hochluden, dass zwischenzeitlich vier Prozent des gesamten Online-Datenverkehrs über Megaupload liefen.

Keineswegs Piraterie

Stolz erzählt der in Kiel als Kim Schmitz geborene 150-Kilo-Mann, dass er 220 Mitarbeiter beschäftigt und einen Börsengang in Hongkong geplant habe - der Wert der Firma sei auf mehr als zwei Milliarden Dollar geschätzt. Alles änderte sich, als am 20. Januar 2012 zwei Hubschrauber auf Dotcoms Grundstück in Neuseeland landeten, schwer bewaffnete Spezialkräfte die Villa stürmten und ihn verhafteten.

Das US-Justizministerium wirft ihm vor, nichts dagegen unternommen zu haben, dass unzählige Filme, Musikstücke und Computerspiele auf den Megaupload-Servern lagerten. Dotcom, der auf Kaution wieder frei ist, streitet jede Verantwortung ab: Amerikanische Soldaten in Afghanistan hätten Megaupload verwendet, um Kontakt zu ihren Familien zu halten und die brasilianische Regierung nutzte es für ihr E-Government-Programm.

Sein Argument: Sinn und Zweck des Filehosters Megaupload sei keineswegs Piraterie gewesen. Dotcom sieht sich als Opfer eines Komplotts: "Es ist wichtig, dass ihr das versteht", ruft er den Tech-Fans in Austin zu. Das Weiße Haus habe das SOPA-Gesetz, mit dem Online-Piraterie im Internet bekämpft werden sollte, nur aus einem Grund unterstützt: "Es war ein Geschenk für die Produzenten und Schauspieler in Hollywood, die Obama und den Demokraten so viel gespendet haben."

Als Mitte Januar der Protest auf Amerikas Straßen wuchs, habe Obama den Stop Online Piracy Act beerdigt. Der Alternativplan, so Dotcom, bestand in der Schließung von Megaupload. Bis heute, mehr als ein Jahr nach der Razzia und der Abschaltung der Site, hätten die Nutzer keinen Zugriff auf ihre Dokumente: "Die USA sind verantwortlich für ein riesiges Datenmassaker", dröhnt der gut gelaunte Dotcom-Kopf, der Präsident Barack Obama schon öfters scharf kritisiert hat.

Er freue sich auf die anstehenden Prozesse, bei denen es etwa um seine mögliche Auslieferung gehe: Seine Anwälte werden nicht nur beweisen, dass Neuseelands Premier das Parlament belogen habe, sondern auch zeigen, wie "bösartig" die US-Behörden gegen ihn vorgingen. Denn eventuelle Urheberrechtsverstöße, wie etwa einst bei Napster, müssten eigentlich zivilrechtlich geklärt werden - und nicht mit dem Strafrecht. Seine Botschaft an die US-Behörden wird vom Publikum bejubelt: "Ich werde nie in einem amerikanischen Gefängnis sitzen, das kann ich euch garantieren."

Die Verzweiflung der Branche

Die wachsenden Spannungen zwischen der Hightech-Welt und der Entertainment-Industrie wegen der Copyright-Frage sind wie in den Vorjahren beim South-by-Southwest-Festival zu spüren. Das Thema taucht immer wieder in Diskussionen auf und in der parallel laufenden Filmsektion werden Dokumentationen über Pirate Bay und Napster gezeigt.

Es sind vor allem jüngere Zuhörer, die in Kim Dotcom einen Vorkämpfer sehen. "Ich finde es immer gut, wenn Einzelpersonen den großen Firmen eins auswischen und damit durchkommen", meint Keith Baumwald aus New York. Er klatscht, als Dotcom über das "veraltete Geschäftsmodell" der Filmindustrie wettert: "Wenn die Studios Filme in Amerika veröffentlichen und sie allen anderen drei Monate vorenthalten, dann fördern sie Online-Piraterie. Die Leute wollen das Zeug sehen und können es nirgends rechtmäßig kaufen." Die Verzweiflung der Branche zeige die Tatsache, dass sie wie einst die Zigarettenindustrie Gefälligkeitsgutachten in Auftrag gebe: Forscher der Carnegie Mellon University behaupten, dass mehr digitale Filme heruntergeladen werden, seit Megaupload offline sei.

Mit den eigenen Geschäften zufrieden

Allerdings habe die Uni zuvor eine Kooperation mit dem Branchenverband MPAA geschlossen, wie Dotcom genüsslich aus einer Presseerklärung vorliest. Mit seinen eigenen Geschäften ist der fünffache Vater zufrieden. In sechs Wochen hätten sich mehr als 3,5 Millionen User bei seinem neuen Datenspeicher Mega angemeldet.

Im kommenden halben Jahr möchte der selbsternannte Perfektionist "Megabox" vorstellen: Eine Art iTunes für den Browser, der jedoch viel schneller laden und den Musikern höhere Anteile auszahlen werde als Apple. Von Charles Graeber, der ein Buch über Kim Dotcom schreibt, kamen keine kritischen Fragen und auch das Interesse des Publikums lag eher am nach eigener Aussage "flamboyanten" Lebensstil des Stargasts.

Er zocke weiterhin das Computerspiel "Call of Duty" oder schaue Filme, verriet er. Sein größter Luxus? Ausschlafen zu können. Nur einmal muss der sich locker gebende Dotcom länger überlegen: Via Twitter wird er gebeten, in einem Satz sein Lebensziel zu benennen. "Wow, jetzt wird es tiefsinnig", meint Dotcom und zeigt sich dann ganz konservativ: "Ich will gut für meine Familie sorgen und meine Kinder zu guten Menschen erziehen."

Manchmal wirkt es, als wolle der Unternehmer ganz besonders normal erscheinen, etwa wenn der bekennende Autonarr versichert, es mache ihm nichts aus, dass seine zahlreichen Luxusautos noch immer vom neuseeländischen Staat konfisziert seien. "Das sind nur Spielzeuge, die mir nicht viel bedeuten", sagt er. Bevor sein Kopf wieder in der Dunkelheit verschwindet, verrät er zum Schluss, dass ihm etwas anderes fehlt: "Ich vermisse Deutschland. Ich wollte dort unbedingt Ferien machen, nachdem diese Razzia passiert ist. Aber ich musste meinen Pass abgeben und sitze nun in Neuseeland fest. Aber ich vermisse meine Mama und hoffe, dass ich sie bald besuchen kann."

Der Autor twittert unter @matikolb und berichtet für Süddeutsche.de vom South by Southwest Festival in Austin

Linktipp: Die Wired-Reportage von Charles Graeber über seine Zeit in der Villa von Kim Dotcom

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