Kik:Vor dem Kadi

Landgericht setzt den Termin mit den Brandopfern fest. Dabei gilt es zu klären, ob Auftraggeber für Missstände bei Zulieferern verantwortlich gemacht werden können. Die Verhandlung könnte schwierig werden - es gilt pakistanisches Recht.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Das Musterverfahren gegen den Textildiscounter Kik vor dem Landgericht Dortmund dreht sich um eine zentrale Frage der internationalen Arbeitsteilung: Können Auftraggeber aus dem globalen Norden für Missstände bei einem Zulieferer verantwortlich gemacht werden, mit dem sie nur eine ganz gewöhnliche Lieferbeziehung unterhalten?

Erstmals werden nun die Vertreter eines beklagten Unternehmens und der Kläger in einem solchen Fall aufeinandertreffen. Am Montag gab das Landgericht Dortmund bekannt, dass die Hauptverhandlung am 29. November 2018 stattfinden werde. In dem Verfahren haben vier Betroffene eines schweren Fabrikbrandes den Discounter Kik auf ein Schmerzensgeld von jeweils 30 000 Euro verklagt. Bei dem Brand der pakistanischen Fabrik Ali Enterprises waren am 12. September 2012 in der Industriestadt Karatschi 255 Menschen gestorben. Ungewöhnlich ist, dass sich die Betroffenen organisiert haben. Die Menschenrechtsorganisation ECCHR und Medico International unterstützen die Kläger dabei, ihren Anspruch vor einem deutschen Gericht durchzusetzen.

Schwierig ist das Verfahren, weil es nach pakistanischem Recht abläuft. Eine zentrale Rolle dürfte bei der Hauptverhandlung deswegen ein Gutachten spielen, welches das Gericht in Auftrag gegeben hat. Denn darin kommt der britische Rechtsgelehrte Ken Oliphant zu dem Schluss, dass die Ansprüche der Kläger nach pakistanischem Recht "verjährt" seien. Auf Klägerseite verweist man darauf, dass der Gutachter aber auch auf mögliche Ausnahmetatbestände für eine Verjährung verweise, ohne sie zu beantworten. "Deswegen muss dass Gericht eine Entscheidung fällen", so die Völkerrechtlerin Miriam Saage-Maaß vom ECCHR.

Zwei Ausnahmetatbestände sehen die Klägeranwälte: Eine Verjährung sei nicht eingetreten, weil deutsches Recht ausschlaggebend sei. Außerdem sei eine Verjährung durch die seinerzeit laufenden Verhandlungen über Entschädigungen bei der Internationalen Arbeitsorganisation ausgesetzt gewesen. Kik sieht sich durch das Gutachten dagegen bestätigt.

Offen ist damit, ob die eigentlich spannende Frage vor Gericht geklärt wird. Nämlich die, ob sich aus den freiwilligen Verhaltenscodices, die Auftraggeber mit Lieferanten vereinbaren, im Schadensfall rechtliche Konsequenzen ergeben. Wenn ja, hätte dies gravierende Auswirkungen für Risikobewertung und Arbeitsteilung. Viele Firmen lassen im globalen Süden fertigen, weil dort die Kosten geringer sind und oft auch wegen niedriger Sozial- oder Umweltstandards oder deren mangelhafter Kontrolle.

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