Süddeutsche Zeitung

Technologie:KI ist wie ein Vierjähriger

Künstliche Intelligenz, puh, da raucht schnell der Kopf. Aber auf dem SZ-Gipfel erklären zwei Fachleute sehr anschaulich, was die Technologie kann und was nicht.

Von Jan Schmidbauer, Berlin

Das Thema Künstliche Intelligenz birgt immer eine hohe Bullshit-Bingo-Gefahr. Es ist so kompliziert, dass in manchen Gesprächsrunden die Buzzwords nur so durch den Raum fliegen. Skalierung, ja, ja. Aber die Physikerin Victoria Ossadnik hat ein besonderes Talent. Sie kann dieses komplizierte, aber wichtige Thema so erklären, dass auch Digitalisierungs-Laien verstehen, worum es geht. Künstliche Intelligenz, sagt sie, muss man sich vorstellen wie einen Vierjährigen. Dem können die Eltern noch so viel mitgeben. Wenn sie ihn alleine in einer Millionenstadt absetzen, kann's trotzdem schwierig werden. Es braucht also weiterhin die Eltern. Oder im Fall von KI: den Menschen.

Alles reden über KI. KI ist ein Modewort, wie Digitalisierung. Aber dahinter steckt durchaus ein enormes Potential. Das wird deutlich, als Eon-Digitalisierungs-Vorständin Victoria Ossadnik und Udo Littke, Zentraleuropa-Chef des IT-Dienstleisters Atos, beim SZ-Wirtschaftsgipfels in Berlin über die Zukunftstechnologie sprechen.

Ein Beispiel? Ossadnik spricht über die Energiewende. Die KI kann dabei helfen, vorherzusagen, wie viel Strom aus Erneuerbaren kommt - und damit den Anteil grüner Energie steigern. Das Wetter spielt ja eine wichtige Rolle bei den Erneuerbaren. Und wenn man KI gut einsetze, würden die Vorhersagen für die Erzeugung der Erneuerbaren genauer. Dann wissen sie bei Eon zum Beispiel besser Bescheid, wann die Wolke kommt und die Solaranlage weniger Strom erzeugen wird. 800 000 Solaranlagen hat Eon. Dass hier Potential ist, muss man nicht lange erklären.

Aber, und das ist beiden wichtig: Man muss immer hinterfragen, ob und wann der Einsatz von KI wirklich Sinn ergibt. "Brauchen wir immer gleich sehr komplexe KI-Strukturen, um Probleme zu lösen?", fragt Littke. Die Antwort: Nein, nicht für alles. Wo KI überall zum Einsatz kommen kann, sei noch gar nicht klar.

An Facebook geben die Menschen ihre Daten. Aber bei digitalen Stromzählern wird's schwierig

Klar ist nur: Es braucht Daten dafür, jede Menge. KI ist so ein bisschen wie Excel, sagt Eon-Managerin Ossadnik. Wieder so ein schöner Vergleich. Excel kann ein mächtiges Werkzeug sein. Aber wenn man keine Daten eingibt und falsche Vorgaben macht, dann nützt das mächtigste Werkzeug nichts. Wobei das Thema Daten ja auch nicht ganz so leicht ist, gerade in Europa. Für den Einsatz von KI ist rigider Datenschutz eine Bremse, da sind sich Ossadnik und Littke einig. Victoria Ossadnik wundert sich manchmal, was die Menschen preisgeben und wovor sie sich wiederum fürchten. Die Leute nutzen Facebook und Tiktok. Aber wenn es um digitale Stromzähler geht, "dann wird's schwierig", sagt Ossadnik.

Gerade für Westeuropa sei das zunehemend ein Problem, sagt sie: "Wenn wir es nicht schaffen die Daten zu nutzen, werden wir immer weiter hintendran sein. Das beschäftigt mich schon." Udo Littke stimmt ihr zu. Besonders im Consumer-Bereich, also bei Anwendungen für Privatkunden, hänge Europa hinterher, sagt er, "und zwar massiv". Und doch hätte Europa nach wie vor große Wettbewerbsvorteile und die Chance, den Rückstand bei der Künstlichen Intelligenz aufzuholen, da sind sich Littke und Ossadnik einig. Also: Wozu noch warten?

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