Süddeutsche Zeitung

Kfz-Steuer:Deutschland entgehen 1,2 Milliarden Euro wegen falscher CO2-Werte

  • Die Kfz-Steuer richtet sich in Ländern wie Deutschland auch nach dem CO₂-Ausstoß. Weil die Abgaswerte häufig zu niedrig angeben waren, sind dem Staat Milliarden entgangen, zeigt eine Studie.
  • Allein 2016 hätte Deutschland 1,2 Milliarden Euro mehr einnehmen müssen. Auch in anderen europäischen Staaten ist der Schaden enorm.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Die Abgasaffäre hat europaweit einen beträchtlichen steuerlichen Schaden verursacht. Allein in Deutschland sind dem Staat im Jahr 2016 knapp 1,2 Milliarden Euro an Kfz-Steuer-Einnahmen entgangen, weil Autos auf Basis falscher CO₂-Werte besteuert wurden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der europäischen Grünen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Der Schaden für die öffentlichen Haushalte ist demnach EU-weit enorm. In elf Mitgliedsstaaten, in denen mehr als 60 Prozent aller Autos in der Europäischen Union zugelassen sind, betrug der Steuerverlust mehr als elf Milliarden Euro im Jahr 2016. Für den Zeitraum 2010 bis 2016 kommen die Autoren der Studie auf einen Steuerausfall zwischen 40 und 50 Milliarden Euro in den elf Ländern, darunter Frankreich, Schweden, Großbritannien und Österreich.

In Deutschland richtet sich die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer neben dem Hubraum auch nach dem CO₂-Ausstoß, der in Gramm pro Kilometer angegeben wird und der direkt mit dem Spritverbrauch zusammenhängt. Da sich im Zuge des Abgasskandals aber zeigte, dass diese auf Labor-Prüfständen gemessenen Werte oft weit unter den tatsächlichen Emissionen liegen, wurden die Autos weniger hoch besteuert als es angebracht gewesen wäre. Mit dem Auffliegen des Skandals wurde auch ein Geflecht aus Aufsichtsbehörden, Prüfstellen und Autoherstellern offenbar, das sich gegenseitig schützte - und von Seiten nationaler Regierungen geduldet wurde.

Von September 2018 an gelten in der EU neue Abgastests

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold, wirft der Bundesregierung deshalb einen "zu milden Kurs gegenüber den Autoherstellern" vor - sie sei mitverantwortlich für den steuerlichen Schaden. "Wir brauchen endlich Abgastests, die realistische Werte liefern", forderte der Grünen-Politiker, "die bisherigen Reformen der Messverfahren greifen zu kurz. Allein der gemessene Wert auf der Straße zählt". Realistische Messungen seien auch ein Gebot der Fairness beim Steuerzahlen, sagte Giegold.

Von September 2018 an gelten in der EU neue Abgastests (Light Vehicles Test Procedure, kurz WLTP). Dabei werden die Fahrzeuge auch unter realen Straßenbedingungen getestet. Das werde die entgangenen Steuereinnahmen zu einem gewissen Maß reduzieren, schreiben die Autoren der Studie, die der Nichtregierungsorganisation Green Budget Europe und deren deutschen Ableger angehören. Es bleibe allerdings das Problem der bereits zugelassenen Autos, denn für sie gilt nach wie vor die aktuelle Regelung - und damit die bisherige Kraftfahrzeug-Steuer. Auch wenn die meisten in Wahrheit mehr CO₂ ausstoßen als einst im Labor gemessen.

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SZ vom 10.03.2018/jps
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