Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:So verschreibt sich die Staatsbank KfW dem Klimaschutz

Wer von der KfW Geld haben möchte, muss künftig strenge CO₂-Kriterien erfüllen: Bald soll jede Finanzierung im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen. Gar nicht so einfach, das zu berechnen.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Noch gibt es keine neue Bundesregierung, die nötigen Kompromisse stehen aus, ein Koalitionsvertrag muss noch geschrieben werden. Über dessen Inhalt lässt sich aber schon vieles sagen. Der Klimaschutz zum Beispiel wird absehbar viel Raum einnehmen. Oder, wie es im politischen Berlin in diesen Tagen gerne heißt: der Weg zu einer "klimaneutralen Industrienation". Auf diesem Weg wird es um CO₂-Preise und -Steuern gehen, um Emissionsobergrenzen und um den weiteren Ausbau von Wind- und Sonnenenergie. Die Koalitionäre werden streiten um die richtige Balance zwischen Vorgaben für die Industrie und Vertrauen auf das Marktprinzip - und sie werden sich viel vornehmen.

Ziemlich sicher werden sie dabei auch frühzeitig an die KfW denken. Die Staatsbank ist eines der wichtigsten Instrumente in der Wirtschaftspolitik, in der Entwicklungspolitik sogar das wesentliche. In Sachen Klimaschutz nimmt die Bank jetzt eine ähnlich wichtige Rolle ein: Sie ist eines der Vehikel, mit denen die Bundesregierung Investitionen der Privatwirtschaft lenkt und gezielt Investitionen fördert. Und das nicht mehr nur mit Förderprogrammen für Immobilien à la "Energieeffizient sanieren" oder Krediten für den Ausbau von emissionsarmen Produktionsanlagen.

In Zukunft sollen Nachhaltigkeit und Klimaschutz zum Selbstverständnis der Bank gehören. Seit diesem Jahr soll jede KfW-Finanzierung mindestens eines der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele erfüllen. Und wer als Unternehmen künftig noch Geld von der Förderbank erhalten will, wird das perspektivisch nur noch für "Paris-kompatible" Finanzierungen bekommen.

Nur noch Projekte im Einklang mit dem Pariser Abkommen

Dahinter steckt der Plan, nur noch solche Projekte zu finanzieren, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen. Deren CO2-Bilanz also so berechnet ist, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad beitragen. Wie so etwas möglichst präzise funktioniert, das findet die Finanzindustrie gerade noch heraus. "Finanzkonzerne müssen nicht nur die durch ihre eigene Geschäftstätigkeit verursachten Emissionen überprüfen", so formuliert es der frühere britische Notenbankchef Mark Carney, heute unter anderem UN-Sonderbeauftragter für Klimafinanzierung. "Sie müssen auch die finanzierten Emissionen messen und melden, die von den Unternehmen, Immobilien und Projekten verursacht werden, denen sie Kredite gewähren."

Um das zu erreichen, haben KfW-Experten mehrere Jahre lang an Vorgaben für verschiedene Wirtschaftssektoren gearbeitet und mit Beratern an komplexen Rechenmethoden gefeilt, um die Menge an finanzierten Emissionen überhaupt abbilden zu können. Zuerst gelten die Leitlinien für Sektoren, die besonders zur Erderwärmung beitragen: Stromerzeugung, Eisen- und Stahlherstellung, Automobilwirtschaft, Schifffahrt, Luftfahrt, Gebäudesektor. Weitere sollen folgen. "Wir haben uns zuerst auf sechs besonders emissionsintensive Sektoren konzentriert", sagt Jürgen Kern, Abteilungsleiter Unternehmensstrategie & Nachhaltigkeit der KfW. "Perspektivisch möchten wir mit unseren Leitlinien den Großteil der Emissionen unserer Finanzierungen steuern."

Die neuen Vorgaben gelten seit diesem Sommer und enthalten je Sektor einen Plan, mit dem die Finanzierungsbedingungen bis zum Ende des Jahrzehnts immer strenger werden. Für den Neubau, den Erwerb oder die Sanierung von Gebäuden beispielsweise gibt es fortan nur noch dann Geld von der KfW, wenn die Immobilien mindestens den Effizienzhausstandard erfüllen. Einzelne Maßnahmen sollen nur noch förderfähig sein, wenn sie die Energieeffizienz von Gebäuden verbessern. So gibt es für jeden der sechs Sektoren konkrete Vorgaben, die teils bis in technische Details einzelner Anlagen reichen. Wichtig dabei: Die Anforderungen sollen "erfüllbar bleiben", damit die Förder- und Finanzierungsprogramme des staatlichen Instituts auch weiter nachgefragt werden. So richtig wehtun soll der Klimaschutz per KfW-Kredit also noch nicht.

"Wichtig ist, dass wir überhaupt anfangen"

Erst im April hatte der scheidende KfW-Chef Günther Bräunig ein "Jahrzehnt des Wandels" ausgerufen. Damit meinte er ganz wesentlich die eigene Bank: Sie soll sich zu einem klimaneutralen Institut wandeln. In ihrem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht schreibt die Bank von Finanzierungszusagen für Klima- und Umweltvorhaben in Höhe von 44,4 Milliarden Euro. Der Betrag soll deutlich steigen. Und die KfW will ihr gesamtes Kreditportfolio daraufhin untersuchen, wie viele Emissionen die einzelnen Finanzierungen verursachen. Bis Mitte des Jahrhunderts soll das gesamte Kreditportfolio der KfW klimaneutral sein - die finanzierten und geförderten Projekte also nicht mehr Emissionen verursachen als sie einsparen.

Das ist noch lange hin, selbst der deutsche Kohleausstieg ist bereits für 2038 geplant, und nicht einmal das reicht aus, um Deutschlands Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Banken tun sich allerdings noch schwer damit, die Klimawirkung ihrer Finanzierungen zu berechnen. Wie viele Treibhausgasemissionen verursacht es über die Lebensdauer der Anlage, wenn die KfW heute ein Gaskraftwerk mitfinanziert? Wie verändern sich die Risiken einer Finanzierung, wenn CO2-Steuern steigen und Emissionszertifikate immer teurer werden? "Solche Zahlen sind äußerst schwierig zu messen", sagt KfW-Stratege Kern. Oft ergebe sich da noch kein klares Bild. "Über die Methodik kann man auch lange streiten. Wichtig ist, dass wir überhaupt damit anfangen."

Den letzten Satz hat man so unlängst häufiger gehört, etwa im Wahlkampf der nun wahrscheinlich an der neuen Bundesregierung beteiligten Grünen. Endlich ernst machen beim Klimaschutz, überhaupt einmal anfangen damit, die Pariser Klimaziele zu erreichen - und deutlich machen, dass der Klimaschutz teuer wird, sich aber auszahlt. Mit Fördermitteln einer staatseigenen Großbank, die sich fast so günstig refinanziert wie der deutsche Staat selbst, lassen sich diese Kosten wohl ein wenig relativieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5430182
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.