Süddeutsche Zeitung

Neubau:Warum die KfW das "Effizienzhaus 55" bald nicht mehr fördert

Neue Häuser verbrauchen immer weniger Energie. Wer Geld vom Staat will, muss deshalb bald höhere Ansprüche erfüllen. Die restlichen Milliarden sollen dann lieber in andere Projekte fließen.

Von Stephan Radomsky

Wer sich gerade für eine Neubauwohnung interessiert oder ein neues Haus finanzieren möchte, sollte das Objekt seiner Begierde noch einmal genau prüfen - und sich dann womöglich beeilen. Denn der Staat lässt die Förderung für das sogenannte "Effizienzhaus 55" auslaufen, und zwar schon ziemlich bald: Nur noch bis Ende Januar nimmt die Staatsbank KfW Anträge auf Förderkredite samt Tilgungs­- oder Investitionszuschuss für solche Objekte entgegen. Später gibt es nur noch Geld für die anspruchsvolleren Standards im "Effizienzhaus 40". Für die bleibt es auch bei der deutlich höheren Förderung.

Immobilien gelten als einer der wichtigsten Bereiche, wenn Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen will. Bis 2045 soll die Bundesrepublik ja klimaneutral sein, so sieht es das verschärfte Klimaschutzgesetz vor. Werden die allein knapp 20 Millionen Wohngebäude im Land nicht schnell deutlich sparsamer, ist das nicht zu schaffen. Entsprechend ambitioniert sind die Ziele in diesem Bereich: Etwa 120 Millionen Tonnen an Treibhausgasen stieß der Gebäudesektor im Jahr 2018 aus, bis 2030 soll der Wert mit 67 Millionen Tonnen nur noch gut halb so hoch sein. Viel zu tun also in relativ kurzer Zeit.

Um die Vorgabe zu erreichen, war erst im Sommer die neue Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) in Kraft getreten. Nun wurden die Regeln noch einmal angepasst, das Bundeswirtschaftsministerium änderte sie, von der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbeachtet, bereits vor einigen Tagen. Künftig soll damit möglichst viel Geld dorthin fließen, wo sich noch vergleichsweise günstig viel erreichen lässt: bei der Sanierung bestehender Gebäude. Bislang gehe es gerade dort viel zu langsam voran, sagen Experten. So werde derzeit nur knapp ein Prozent der Gebäude jährlich energetisch saniert, nötig wäre aber mindestens das Doppelte. Neu gebaute Effizienzhäuser 55 sollen daher nicht mehr gefördert werden, sie hätten sich als Standard "weitgehend durchgesetzt". Auch wegen der steigenden Energiekosten seien solche Gebäude inzwischen mittlerweile oft die wirtschaftlichsten, auch ganz ohne Geld vom Staat.

Gefragte Förderung

Was allerdings nicht heißt, dass die Förderung bisher nicht gern genommen wird: Erst im September beschloss die Bundesregierung, die bereitgestellten Mittel um 11,5 Milliarden auf nun 18 Milliarden Euro aufzustocken - nur für dieses Jahr. Ein Rekordwert. Etwa die Hälfte dieses Geldes fließt nach Angaben der KfW in Neubauten, und davon wiederum der bei Weitem größte Teil in die verschiedenen Förderungen für das Effizienzhaus 55. Im vergangenen Jahr war der Anteil sogar noch höher. Damals reichte die KfW im Rahmen des Programms "Energieeffizient Bauen" insgesamt 21,3 Milliarden Euro an geförderten Krediten für Neubauten aus, mehr als drei Viertel davon für das Effizienzhaus 55.

Die Immobilienbranche reagierte entsprechend scharf auf das Aus: Die Ankündigung des Wirtschaftsministeriums sei "komplett unverständlich und unsozial", sagte der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko. Die Politik müsse die Klimaziele durch ausreichende Förderung begleiten, gerade angesichts des von einer möglichen Ampel-Koalition ausgegebenen Ziels von 400 000 Neubauwohnungen im Jahr. Die neuen Fördervorgaben aber würden "als Baubremse wirken".

Beim größten deutschen Baufinanzierungs-Vermittler Interhyp hält man es für möglich, dass nun kurzfristig mehr Kunden KfW-Kredite anfragen. "Wir erwarten, dass Bauherren und Käufer, die eine Finanzierung eines Effizienzhauses 55 geplant haben, nun eventuell den Antrag vorziehen", sagte die zuständige Vorständin Mirjam Mohr. Vor allem dann, wenn sie schon weit mit der Planung seien oder einen Neubau kaufen wollten, bei dem Effizienzklasse schon feststeht.

Verbraucherschützer sehen bei den KfW-Krediten noch ein ganz anderes Problem: Viele Banken hätten gar kein Interesse, ihre Kunden über die Förderung zu informieren. Sie reichten lieber eigene, nicht geförderte Darlehen aus, das sei lukrativer. So wüssten viele nicht, dass sie Geld vom Staat erhalten könnten. Wenigstens die Sparkassen mit ihrem öffentlichen Auftrag sollten aber dazu verpflichtet sein, KfW-Kredite mit anzubieten, fordert deshalb etwa Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

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