Süddeutsche Zeitung

Aus für Kettler:Kettcar-Hersteller stellt Fertigung ein

  • Der Kettcar-Hersteller Kettler stellt die Fertigung ein. Noch in dieser Woche würden voraussichtlich 400 der verbliebenen rund 550 Mitarbeiter freigestellt, heißt es.
  • Die verbliebenen rund 550 Kettler-Mitarbeiter wurden auf einer Betriebsversammlung über die Entscheidung der Geschäftsführung informiert.
  • Der Freizeitgerätehersteller kämpfte seit geraumer Zeit ums Überleben und hatte im Juli zum dritten Mal innerhalb von gut vier Jahren einen Insolvenzantrag stellen müssen.

70 Jahre nach der Gründung muss der Freizeitgerätehersteller seine deutschen Werke endgültig schließen. "Wir können die Produktion nicht weiterführen. Sie ist in der heutigen Struktur nicht mehr lebensfähig", sagte der Rechtsanwalt Martin Lambrecht, der die Kettler-Unternehmensführung in dem bereits Ende Juli eingeleiteten Insolvenzverfahren berät, der Deutschen Presse-Agentur.

Die verbliebenen rund 550 Kettler-Mitarbeiter wurden am Montag auf einer Betriebsversammlung über die Schließungsentscheidung der Geschäftsführung informiert. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in dieser Woche würden 400 Beschäftigte widerruflich freigestellt, sagte Lambrecht. "Mit 144 Mitarbeitern werden wir vorläufig noch weiterarbeiten, um die Produktion abzuwickeln."

Bekannt wurde Kettler vor allem durch seine Tretautos: die Kettcars. Für Millionen Deutsche, die noch vor der Smartphone-Ära groß wurden, ist das Kettcar ein Stück Kindheit. Der frühere Formel-1-Star Michael Schumacher drehte auf dem 1961 von Heinz Kettler erfundenen Tretauto ebenso seine ersten Runden wie Millionen anderer Kinder. Mehr als 15 Millionen Exemplare wurden verkauft - es war ein Symbol der Wirtschaftswunderzeit. Das Kettcar bekam sogar einen eigenen Dudeneintrag als "mit Pedalen über eine Kette angetriebenes Kinderfahrzeug".

Zwei Mal gelang es noch, eine endgültige Pleite zu verhindern

Doch von einer ruhmreichen Vergangenheit alleine lässt sich nicht leben. Das musste das Unternehmen in den vergangenen Jahren immer wieder erfahren. Drei Mal mussten die Firmenverantwortlichen innerhalb von gut vier Jahren den Weg zum Insolvenzgericht antreten. Zwei Mal gelang es noch, eine endgültige Pleite zu verhindern und die Weiterexistenz zumindest vorübergehend zu sichern. Doch beim dritten Mal blieb ein Wunder aus.

Dabei hatte zu Jahresbeginn der Einstieg des Finanzinvestors Lafayette Mittelstand Capital bei dem Traditionsunternehmen noch einmal ein wenig Hoffnung auf bessere Zeiten aufkommen lassen. Der neue Besitzer kündigte damals an, er wolle mit Kettler "die Kurve von der Traditions- zur Trendmarke" kriegen. Zur nun bekanntgewordenen Schließungsentscheidung äußerte sich Lafayette zunächst nicht.

Doch wäre für eine wirklich nachhaltige Sanierung wohl auch ein Wunder nötig gewesen. Denn der Freizeitgerätehersteller kämpft seit geraumer Zeit mit schlechten Zahlen. Firmengründer Heinz Kettler hatte das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der führenden Hersteller von Sportgeräten, Fahrrädern und Gartenmöbeln gemacht. Er erfand nicht nur Deutschlands bekanntestes Tretauto. Er nahm für sich auch in Anspruch, 1977 weltweit das erste Aluminium-Bike auf den Markt gebracht zu haben. Und der Kettler-Hometrainer Golf war in den 1980er Jahren eines der beliebtesten Fitnessgeräte Europas.

Nach dem Tod des Gründers 2005 ging es bergab

Später verlor das Unternehmen an Schwung. Nach dem Tod des Gründers 2005 ging es bergab. Schon 2009 musste Kettler Hunderte Arbeitsplätze abbauen. 2015 stellte das Unternehmen erstmals Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Doch gelang nach dem Abbau von rund 200 Stellen und dem Verkauf der Fahrradsparte ein Neuanfang.

Die Rettung war nur von kurzer Dauer. Schon 2018 musste Kettler erneut zum Insolvenzgericht. Zeitweise schien eine Schließung der Firma wahrscheinlicher als eine Weiterführung, obwohl sich sogar die nordrhein-westfälische Landesregierung in die Rettungsbemühungen einschaltete. Erst der Einstieg von Lafayette brachte dann doch noch die Rettung in letzter Minute.

Doch nur sieben Monate später musste das Unternehmen schon wieder Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen. Und diesmal fand sich kein Ausweg mehr. "Ein Kettler wie bisher wird es zukünftig nicht mehr geben. Der Markenname kann möglicherweise weiterexistieren, Produkte Made in Germany wird es aber nicht mehr geben", sagte Lambrecht.

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