Konsumentenkredite:Eiskalt im Stich gelassen

Konsumentenkredite: Verträge einfacher machen und Beratungen besser kontrollieren, das könnte die Bundesregierung für Schuldner tun.

Verträge einfacher machen und Beratungen besser kontrollieren, das könnte die Bundesregierung für Schuldner tun.

(Foto: Rainer Berg/imago images/Westend61)

Die Bundesregierung will in Brüssel einen der letzten Notausgänge für Schuldner versperren. Dieses Gebaren zu Gunsten der Banken ist peinlich, auch in der Argumentation.

Kommentar von Nils Wischmeyer

Die EU will eine neue Richtlinie verabschieden, um Verbraucher bei Konsumentenkrediten zu schützen, und ausgerechnet Deutschland will das nun verhindern. Was verrückt klingt, stellt sich aktuell in Brüssel so dar, leider. Ein hochrangiger Vertreter der deutschen Bundesregierung in Brüssel hat es zuletzt bei einer öffentlichen Veranstaltung bestätigt. "Das allerwichtigste Anliegen der Bundesregierung", so sagte er, "ist natürlich das Ende des ewigen Widerrufsrechts."

Im Klartext bedeutet das: Nicht der Schutz der Verbraucher ist das wichtigste Anliegen, nicht die Vereinfachung der komplexen Kreditverträge oder der Schutz von unwissenden Kreditnehmern. Nein. Für Deutschland ist das wichtigste Anliegen, ein Recht abzuschaffen, das ausgerechnet deutsche Schuldner vor der Überschuldung und Privatinsolvenz schützt, weil der deutsche Staat und die Finanzaufsicht das nicht hinbekommen.

Diese Positionierung Deutschlands ist ein peinliches Signal, das von Unwissen über die Lebenssituation ganz normaler Menschen zeugt und obendrein noch den Verbraucherschutz untergräbt. Statt die Rechte der deutschen Bürger zu beschneiden, sollte sich Deutschland lieber für eine Stärkung der Verbraucherrechte und natürlich eine strengere Regulierung des Bankenmarktes einsetzen. Nur so kann sie die Menschen vernünftig vor Geldhäusern schützen, die Menschen mit windigen Tricks in die Überschuldung treiben.

Fehlerhafte Kredite können in die Insolvenz führen

Nicht jede Bank verhält sich so. Nicht jede Bank hat böse Absichten, wenn sie den Menschen einen Kredit gibt. Das ist klar. Doch offensichtlich sind es genug. In Deutschland sind mehr als sechs Millionen Menschen überschuldet, nach Schätzungen von Experten stecken mehrere Hunderttausend Menschen in Deutschland in sogenannten Kettenkrediten. Bei solchen Krediten bestellt ein Bankberater die Verbraucher alle paar Jahre zum Gespräch in die Bank, und am Ende gehen sie mit neuem Vertrag, höheren Zinsen und einem Zusatzprodukt nach Hause. Nicht selten führt das in die Insolvenz.

Dieses zweifelhafte Gebaren wollte die EU mit einer neuen Richtlinie unterbinden. Solange sie das nicht kann oder will, sollte sie zumindest den letzten Notausgang für die Menschen in solchen Situation offen halten: das ewige Widerrufsrecht. Dieser Notausgang ist vielen unbekannt, die nie Schulden hatten. Und wenn Sie ihn nicht kennen: Glück gehabt. Im Prinzip besagt das ewige Widerrufsrecht, dass Verbraucher einen Kreditvertrag jederzeit und ohne Einhalten einer Frist, widerrufen können, wenn die Bank sie unzureichend informiert hat oder Pflichtangaben fehlen. Banken und Bundesregierung missfällt dies.

Letztere argumentiert zum einen damit, dass die Gerichte überlaufen wären, weil die Verbraucher ständig Verträge widerrufen würden, um an günstigere Zinsen zu kommen, was sie aber nicht mit Zahlen untermauern kann. Zum anderen argumentiert sie, dass durch die Abschaffung auch Verbraucher endlich Rechtssicherheit hätten. Diese Aussage wiederum ist scheinheilig. Denn eine Abschaffung würde nicht für Verbraucher Sicherheit schaffen, sondern das unfaire Geschäftsgebaren von Banken stützen.

Der Europäische Gerichtshof stützte zuletzt die Rechte der Verbraucher

Dabei sind Banken im Vergleich zu Verbrauchern ohnehin in der stärkeren Position: Die Verträge sind komplex, die Kunden keine Experten für Kredite und oftmals auch auf das Geld von der Bank angewiesen. Wenn dieses Geldhaus es nun versäumt, die Verträge ordentlich auszustellen, muss es einen Hebel für Verbraucher geben, sich dagegen zu wehren, und genau das geht mit dem ewigen Widerruf. Das hat auch der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr so bestätigt. Das Signal war deutlich: Verbraucher müssen sich gegen die Fehler der Banken wehren dürfen. Den ewigen Widerruf abzuschaffen stände damit im Widerspruch zum Urteil aus Straßburg.

Was also sollte die Bundesregierung tun? Im Prinzip ist es ganz einfach. Statt Verbraucherrechte zu beschneiden, sollte sie sich lieber für eine stärkere Regulierung einsetzen: Verträge einfacher machen, Beratungen besser kontrollieren, Maschen wie Kettenkredite und dicke Provisionen für Zusatzprodukte verbieten. An Missständen bei Konsumkrediten mangelt es sicherlich nicht, wenn man Verbraucheranwälte fragt. Die Bundesregierung müsste eben nur mal die Verbraucher zum "allerwichtigsten Anliegen" machen.

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