Kempinski - dieser Name hat in der internationalen Luxushotelbranche noch immer einen guten Klang. Meistens zumindest. 1862 fing Berthold Kempinski in Berlin mit einer Weinhandlung an, 1897 gründete er das Unternehmen, dessen Dachgesellschaft inzwischen in Genf sitzt. Kempinski betreibt noch immer in aller Welt sehr bekannte und kostspielige Herbergen - das Adlon etwa am Brandenburger Tor in Berlin, das Vier Jahreszeiten in München, das Baltschug in Moskau, das Emerald Palace in Dubai, außerdem Hotels in St. Moritz, Kitzbühel, China, Asien, am Persischen Golf - überall kosten die Zimmer schnell mehrere Hundert Euro und darüber. Doch seit einigen Jahren macht Kempinski, Deutschland einzige Luxushotelkette von Weltruf, mit Querelen, internen Machtkämpfen und andauernden Führungswechseln von sich reden. Das Image leidet.
Ende vergangenen Jahres musste Unternehmenschef Martin Smura plötzlich und mit sofortiger Wirkung gehen, angeblich nach internen Auseinandersetzungen. Jetzt gab Kempinski bekannt, dass "im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" von Smura eine "Untersuchung" eingeleitet werde. Auch sämtliche von Ex-Chef initiierten Projekte würden "einer eingehenden Prüfung" unterzogen, die Zusammenarbeit mit einem Immobilienentwickler sei beendet worden. Offenbar werden Unregelmäßigkeiten vermutet, eine Kempinski-Sprecherin wollte keine Einzelheiten nennen. Übergangsweise hat nun Bernold Schröder die Führung des Unternehmens übernommen, er war schon zuvor im Vorstand, fing 2017 bei Kempinski an und arbeitet bereits 30 Jahre in der Hotelbranche.
Die Querelen kommen zur absoluten Unzeit. Denn die Luxushotellerie weltweit ist in ihrer wohl bislang schwersten Krise und arbeitet mit Verlusten. Aufwendiger Luxus, kaum Einnahmen, das kann nicht lange gutgehen. Zahlungskräftige Geschäftskunden und betuchte Touristen reisen nicht mehr, viele Hotels waren oder sind noch geschlossen oder fahren nur eine Art Notbetrieb, so wie in Deutschland, wo derzeit nur Geschäftskunden beherbergt werden dürfen. Gerade der Städtetourismus leidet, wann es wieder aufwärtsgeht, ist offen. Da hilft es auch nichts, dass einzelne Kempinski-Standorte wie etwa die Häuser am Golf einigermaßen gut laufende Geschäfte melden.

Kempinski betreibt derzeit 79 Fünf-Sterne-Hotels und Residenzen in 34 Ländern, der Umsatz soll 2019 weltweit bei etwa 1,5 Milliarden Euro gelegen haben, dürfte 2020 aber dramatisch geschrumpft sein. Dazu kommt: Die Pachtverträge von wichtigen Häusern waren in den vergangenen Jahren ausgelaufen. Das Atlantic in Hamburg etwa, eröffnet schon 1909 und weltweit bekannt, wird nicht mehr von Kempinski betrieben, sondern jetzt von Broermann Health & Heritage Hotels, die wiederum eine Franchise-Partnerschaft mit den internationalen US-Konzern Marriott eingegangen sind.
"Wir haben nicht vor, in Schönheit zu sterben", sagte der Ex-Chef
Smura, der sich vom Lehrling zum Vorstandschef hochgearbeitet hat, war 2019 angetreten, Kempinski wieder zu neuer Größe zu führen. "Unsere Marke ist eine wunderbare Marke", sagte er Ende 2019 und kündigte an, die Zahl der Hotels bis 2021 auf hundert zu erhöhen. Mittelfristig sei es möglich, dass es sogar bis zu 200 werden könnten. Als Erstes wollte er ein Haus in New York eröffnen, doch aus alldem wurde nichts. Smura ging auch eine strategische Partnerschaft mit der Investmentgruppe 1218 aus Düsseldorf ein, diese sollte Kapital bringen, Kempinski das Know-how in der Luxus-Hotellerie beisteuern. Zusammen sollten 20 neue Häuser angekauft, neu gebaut oder in Erbpacht übernommen werden. Diese Vereinbarung wurde jetzt wieder aufgelöst, die Verträge werden im Nachhinein geprüft.

Das erinnert an früher: Der langjährige Vorstandschef Reto Wittwer, der Ende 2014 unter nicht geklärten Umständen ausschied, war wegen Betrugsverdachts angezeigt und verdächtigt worden, in betrügerischer Weise Geld aus dem Unternehmen geschleust zu haben. Monate später wurden alle Vorwürfe fallen gelassen. Wittwer-Nachfolger Alejandro Bernabé musste nach einem guten Jahr gehen. Dessen Nachfolger Markus Semer hielt sich auch nicht lange, nur knapp drei Jahre. Dazu kamen schon vor der Pandemie starke Konkurrenz der großen Hotelketten und Überkapazitäten bei Tophotels. Fast alle bekannten Luxushotelmarken gehören inzwischen zu Konzernen. Der Preisdruck war bereits vor der Corona-Krise an wichtigen Standorten hoch, etwa in Berlin, und dürfte sich nun noch erheblich verschärft haben. Dazu kommt, dass Kempinski in den 1990er-Jahren fast alle Hotels verkauft hatte, nur das Vier Jahreszeiten in München ist noch in Besitz der Gruppe. Die Hotels werden meist über Managementverträge betrieben.
Turbulenzen gab es auch bei den Eigentümern: 2017 übernahm das Königshaus Bahrain 70 Prozent der Anteile und damit die Mehrheit, bis dahin war lange das thailändische Herrscherhaus Großaktionär gewesen. Die Thailänder hatten zuletzt noch 15 Prozent, genau wie ein Investor aus China. Seit dem Tod des Premierministers von Bahrain, Kalifa bin Salman al Kalifa, gibt es angeblich Streit um die Beteiligung.
Unruhige Zeiten also. "Wir haben nicht vor, in Schönheit zu sterben", sagte Smura mit großem Selbstbewusstsein im Herbst 2019 - und fügte an: "Der Krieg ist erst vorbei, wenn man die Flagge einholen muss." Der Vorstandschef ist mittlerweile weg. Aber die Kempinski-Fahnen wehen noch.