Kaufverhalten:Wer bist Du denn?

Immer mehr junge Menschen misstrauen den Konzernen. Für die Firmen ist das überaus riskant. Die junge Käufergeneration vertraut nämlich zunehmend auf den Rat der Influencer - auch wenn die dafür bezahlt werden.

Von Valentin Dornis, Angelika Slavik, Hamburg/Düsseldorf

Ein bekannter Name kann mitunter ein großer Vorteil sein. Das gilt für Menschen, aber das gilt, so dachte man, in noch größerem Ausmaß für Unternehmen, die ihre Produkte verkaufen wollen. In einem fast unüberschaubaren Angebot sei die etablierte Marke, der große Ruf eines Unternehmens, ein Wegweiser für die Konsumenten, referieren Werbestrategen gern. Eine Art Gütesiegel, nach dem Motto: Ihr kennt uns doch, wir haben genau, was ihr braucht!

Doch die junge Käufergeneration trifft ihre Entscheidungen anders, das legt nun eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney nahe. Demnach misstrauen viele junge Menschen geraden den etablierten Akteuren am Markt - und die Skepsis nimmt immer weiter zu. Während vor fünf Jahren noch 33 Prozent der für die Studie befragten Konsumenten in Deutschland angaben, im Hinblick auf große Marken und Konzerne misstrauisch zu sein, liegt dieser Wert heute schon bei 55 Prozent. In anderen großen Industriestaaten wie Großbritannien, Japan, Frankreich und in den USA ist die Entwicklung ähnlich: Die Unternehmen haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Dem gegenüber steht hohes Vertrauen, das junge Konsumenten sogenannten Influencern entgegenbringen - also Menschen, die auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder Snapchat viele Anhänger haben, dort Einblicke in ihren vermeintlichen Alltag geben und immer wieder bezahlte Werbung für bestimmte Produkte machen. "Influencer vermitteln ihren Anhängern das Gefühl einer persönlichen Beziehung", sagt Mirko Warschun, Experte für Handel und Konsumgüter bei A.T. Kearney. "Deshalb vertrauen ihre Fans ihnen, auch wenn sie durchaus wissen, dass Influencer für ihre Empfehlungen auch bezahlt werden."

Besonders stark ist die Entwicklung bei der sogenannten Generation Z, also nach 1998 geborenen Menschen, für die Social-Media-Plattformen und deren Stars selbstverständlich zum Alltag gehören.

Diese Käufergeneration vertraut auf den Rat der Influencer. Auch wenn die dafür bezahlt werden

Das verändert die Marktmechanismen grundlegend: Anstatt um ihr Verhältnis zu den einzelnen Kunden müssen sich Unternehmen nun auch und vor allem um gute Beziehungen zu Influencern bemühen - denn deren Marktmacht steigt stetig weiter. Die Studienautoren erwarten deshalb, dass sogenannte Mikro-Influencer wichtiger werden: Menschen, die in einem ganz bestimmten, klar definierten Bereich besonders viel Vertrauen genießen. Seien es Foodblogger, die sich mit gesunder Ernährung beschäftigen, oder Modeblogger, die über Schuhe sprechen. Mikro-Influencer, die ganz spezielle Interessenbereiche abdecken, passen zur Generation Z, die insgesamt ein Fan maßgeschneiderter Vorschläge zu sein scheint: Der Studie zufolge sind viele von ihnen bereit, für Angebote, die genau zu ihren Interessen passen, auch mit einer sehr individuellen Währung zu zahlen, ihren Daten nämlich. So sagen 41 Prozent der US-Teenager, sie würden persönliche Daten hergeben, wenn sie dafür etwas zurückbekommen. In Deutschland, traditionell Hochburg der Datenschützer, sind es 31 Prozent. Der Tausch könnte etwa so aussehen: Der Kunde stellt seine Fitnessdaten zur Verfügung, dafür bekommt er Tipps zur passenden Kleidung oder Ernährung. Das finden viele Jugendliche so praktisch, dass Datenschutzerwägungen offenbar in den Hintergrund treten.

Was also müssen die Konzerne tun, um die neue Käufergeneration für sich zu gewinnen? Experte Warschun empfiehlt vor allem, auf kleinere Marken mit individuellem Profil zu setzen, die die Ansprüche der neuen Generation etwa in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ökologie reflektieren. Als Beispiel nennt er den Getränkehersteller Innocent, der seit 2013 mehrheitlich Coca-Cola gehört, sich am Markt aber immer noch als Nischenanbieter inszeniert. "Die haben verstanden, dass es eben eine Käuferschicht gibt, für die eine vermeintlich kleine Marke attraktiver ist, als der etablierte Konzern."

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