Sie waren in der Autoindustrie alle davon ausgegangen, dass der Geldsegen über sie kommen wird, wie üblich: Staatsprämien für den Autokauf, das war der Wunsch von Managern und Lobbyisten. Die Ministerpräsidenten der sogenannten Autoländer - Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen - hatten das in einem parteiübergreifenden Akt flankiert: Hohe vierstellige Beträge sollte es geben für jeden Neuwagenkunden. Ein Corona-Sonderprogramm für eine ganz besondere Branche.
Doch nun ist es anders gekommen. Die Autobranche wird behandelt wie alle andren auch. Die Senkung der Mehrwertsteuer soll das Geschäft beleben. Es gibt zwar noch einen Corona-Aufschlag für elektrifizierte Fahrzeuge. Aber die sind bei vielen Automanagern eher ungeliebt, lässt sich mit ihnen doch sowieso kaum Geld verdienen. Kurzum, das Paket ist durchaus nicht so hübsch, wie es die Autoindustrie erwartet hat. Groß sind jetzt die Klagen: Wir wollen mehr, noch mehr!
Tatsächlich ist das Ausbleiben einer Vorzugsbehandlung eine Zeitenwende in diesem automobilfixierten Land. So viele Wünsche hat die Politik der Industrie in all den Jahren erfüllt. Die Abwrackprämie etwa, die lange Zeit recht sanften Abgasgesetze, die Art der Kfz-Besteuerung, das Diesel-Privileg. Davon profitierte das Land. Die Industrie gedieh, die Jobs mehrten sich, auch die Steuereinnahmen. Es war ein Pakt zugunsten vieler, der Arbeitnehmer wie der Aktionäre. Aber der Pakt vergaß auch viele, die Umwelt etwa, die Bewohner staugeplagter Städte.
Jetzt haben sich erfreulicherweise die Abwägenden durchgesetzt. Diejenigen, die das Automobil für relevant halten, es aber nicht über alles andere stellen. Die Krise zeigt, wie richtig diese Sicht ist. Nicht nur die Autoindustrie hat im Mai die Hälfte ihres Umsatzes eingebüßt, sondern so ziemlich alle Geschäfte.
Die Branche hat sich jedoch auch selbst vom Thron gestoßen, eine Vorzugsbehandlung unmöglich gemacht. Es war ein Paradebeispiel von Chuzpe, dass Großmanager Staatsprämien forderten, aber im selben Atemzug die Auszahlung von Dividenden verteidigten. Vorgetragen mitunter in einem schwer erträglichem weinerlichen Tonfall oder patzig-fordernd. Krude auch der Einwand, mit der Staatsprämie würden Kunden unterstützt und nicht Firmen. Hübsch anzuschauen ebenfalls das, nun ja, Argument, dass nun Subventionen kommen müssten, da die Käufer solche erwarteten, weil man ja selbst darüber zu sprechen begonnen habe. Frech zudem, dass manche Hersteller nun ein Absenken der Umweltstandards forderten. Umweltstandards und der Corona-Keim haben nun wirklich gar nichts miteinander zu tun. Das war alles so schief und durchsichtig, dass es die Bevölkerung erbost hat. Diese Corona-Wochen müssen insofern eine Lehre sein für Automanager: Zurückhaltung üben, auch wenn das schwerfällt bei so viel PS. Und die passenden Argumente suchen.
Die Autoindustrie ist mitnichten ausgenommen von der Steuersenkung
Denn sonst dreht sich die gesellschaftliche Haltung komplett. Das wäre dann wirklich gefährlich für diese Industrie angesichts der großen Herausforderungen, die abseits der Seuche zu bewältigen sind: Die neuen Konkurrenten aus dem Ausland, die manches besser können als die Deutschen. Der lange angekündigte Wechsel bei den Antriebsarten, der jetzt kommen muss. Das Ende des dauernden Wachstums, unabhängig von Corona.
Und was die aktuelle Krise anbelangt: Diese Industrie ist mitnichten ausgenommen von der Mehrwertsteuersenkung. Ein Auto ist ein hochpreisiges Konsumgut, und so profitiert auch der Käufer eines Verbrenners in absoluten Zahlen sehr ordentlich von den drei Prozentpunkten Minus. Zumal das Auto attraktiver geworden ist. Zahlreiche Menschen sind in Sorge um ihre Gesundheit und wollen (leider) nicht mehr Bus und Bahn fahren. Dem Käufer eines Premiumwagens wiederum ist es herzlich egal, ob er nun weniger Mehrwertsteuer auf sein 60 000-Euro-Auto zahlen muss, oder ob er eine Prämie bekommt. Er kauft so oder so, weil er vermögend ist oder weil die Firma den Geschäftswagen von der Steuer absetzen kann. Ganz nüchtern betrachtet, ist dieses Konjunkturpaket ein gutes, auch für diese Industrie. Kein Anlass zur Klage.