Süddeutsche Zeitung

Kaufhof:Schöne neue Welt

Die kanadischen Eigentümer der Kölner Warenhauskette versprechen große Veränderungen - in Wirklichkeit prallen Kulturen aufeinander. Die Neuen regieren durch.

Von Michael Kläsgen

Richard Baker und Jerry Storch führen wie Entertainer durch die "Damenwelt" des Düsseldorfer Kaufhofs und versprühen, wie zu erwarten war, XXL-großen Optimismus. Sehr amerikanisch das Ganze, Baker, der Kanadier, und Storch, der US-Bürger, posieren grinsend für die Kameras vor den Damenschuhen. Die beiden - Verwaltungsratschef des Kaufhof-Eigentümers Hudson's Bay Company (HBC) der eine, Vorstandschef von HBC der andere - schwärmen über den "großartigen Erfolg" der Freizeitkleidung; und in der Kaufhof-Einrichtungsabteilung greift Baker zur Chrom-Kanne und tut so, als gösse er Vorstandschef Storch einen Tee ein. Die Botschaft: Willkommen bei Galeria Kaufhof. Alles wird "fantastisch", "spektakulär" und "new, new, new!".

Bei den Mitarbeitern scheint der Optimismus noch nicht angekommen zu sein. Beim Rundgang durch die Damenwelt läuft die Besuchertraube an schwarzen Schaufensterpuppen vorbei, die den Besuchern den ausgestreckten Mittelfinger entgegenstrecken. Ein Gruß von der Belegschaft? Ein mitgereister PR-Betreuer springt schnell herbei und knickt die Finger ein. Jetzt ballen die Puppen die Faust. Kichern in der Traube. Fragt man Kaufhof-Mitarbeiter nach ihrem Befinden, anderthalb Jahre nachdem die kanadische Hudson's Bay Company (HBC) die Kölner Warenhauskette übernommen hat, vernimmt man vor allem eines: diskret-lakonische Grummeltöne.

Stellen sollen gestrichen werden - und auch der Tarifvertrag steht zur Diskussion

Also, was denn jetzt: Steckt Kaufhof in der Krise oder nicht? Muss man sich wieder Sorgen um den Fortbestand einer deutschen Kaufhauskette machen? Die Antwort darauf muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt unbefriedigend ausfallen: Niemand kann das im Moment ernsthaft sagen. Es gibt zu viele Fragezeichen. Nur so viel kann man schon jetzt feststellen: Die alte Kaufhof-Kultur, die zum Beispiel in der Beibehaltung von Flächentarifverträgen bestand, geht zu Ende. Stattdessen zieht eine neue Kultur ein, eine, die vom US-Spielzeughersteller Toys'R'Us geprägt sein wird. Insider befürchten, dass fortan dann "durchregiert" wird. Dazu passt die Story, die HBC-Chef Storch erzählt: Er habe als neuen Europa-Chef den Deutschen Wolfgang Link rekrutiert. Den hatte er schon seinerzeit zu Toys'R'Us geholt. Damals sei Link an einem Sonntag mit einem perfekt ausgearbeiteten Plan zum Vorstellungsgespräch gekommen. Storch war begeistert. Und diesmal? Hat Link überhaupt keinen Plan. Und auch keine Erfahrung mit Bekleidung, Schuhen oder Kosmetik. Er weilt im Urlaub. Aber: Link hat das absolute Vertrauen von Storch. That's it.

Kaufhof-Mitarbeiter fürchten, Link könnte zum verlängerten Arm der Führung aus Übersee werden. Storch sei dabei, alte Toys'R'Us-Kämpen um sich zu versammeln. Die könnten wenig Sensibilität für die Belange der Arbeitnehmervertreter mitbringen. Aushilfen und befristete Stellen, so heißt es heute schon, sollen in den Filialen gestrichen werden. Und auch der Tarifvertrag steht zur Diskussion. HBC bevorzugt einen Haustarif, so wie ihn Karstadt hat, weil das Unternehmen so Kosten sparen kann. Und ums Kostensparen geht es selbstverständlich, das leugnen Baker und Storch nicht. "Wir durchleben gerade eine sehr schwierige Zeit für Warenhäuser", räumt Storch ein. Man denke nur an die Terroranschläge in vielen Städten. Generell kauften die Menschen weniger in der Stadt ein.

Durchregiert wird offenbar bereits bei der Rabattpolitik, von der Storch behauptet, sie gäbe es gar nicht. Aber man muss sich nur umschauen in den Warenhäusern: überall Sale-Schilder, nur natürlich nicht in der Vorzeige-"Damenwelt". Storch verblüfft mit der Aussage, es handele sich bei den dauerhaften Preisabschlägen um eine Art Ausverkauf; man wolle die alten Klamotten los werden, um Platz für neue Marken zu haben. "New, new, new" eben.

Und was ist dran am Investitionsstopp? Angeblich nichts. Verwaltungsratschef Baker betont, noch in diesem Jahr würden fast 200 Millionen Euro nach Deutschland fließen und noch mehr in die Niederlande. Allerdings rechnet HBC in Holland offenbar die Investitionen der Vermieter mit ein. Und in Deutschland bleiben die Investitionen - etwa in Düsseldorf und Aachen - hinter den Ankündigungen von Ende 2016 zurück. Alles nur Show?

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Quelle:
SZ vom 08.04.2017
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