Wenn Karstadt demnächst den Konkurrenten Kaufhof übernimmt, stehen viele Beschäftigte vor einer ungewissen Zukunft: Der fusionierte Konzern soll bis zu 5000 Stellen streichen - zumindest, wenn es nach den Banken geht. Weil viele Firmen nach Zusammenschlüssen zunächst doppelte Kosten in der Verwaltung sparen wollen, gefährdet die Fusion von Karstadt und Kaufhof viele Arbeitsplätze in Köln und Essen, wo die Traditionskonzerne bislang ihre Zentralen haben.
Dieser drohende Stellenabbau reiht sich in eine Serie von Entscheidungen ein, die der Strukturwandel an Rhein und Ruhr zeitigt. Gerade große Konzerne, welche die Region über Jahrzehnte geprägt haben, bauen Tausende Arbeitsplätze an ihren Traditionsstandorten ab. Was an anderer Stelle neu entsteht, kann die wegfallenden Arbeitsplätze nur teilweise kompensieren.
Beispielsweise will der Ruhrkonzern Thyssenkrupp bis zu 2000 Stellen streichen, wenn er seine Stahlsparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Konkurrenten Tata einbringt. Die Hälfte entfällt auf die Verwaltung mit Hauptsitz Duisburg. Wenn der Versorger Eon demnächst den Konkurrenten Innogy übernimmt, sollen bis zu 5000 Arbeitsplätze wegfallen. Die Zentralen beider Firmen sind in Essen. Und die Telekom-Tochter T-Systems will in den nächsten Jahren bis zu 5600 Stellen streichen. Der Abbau beginnt in der Verwaltung.
Karstadt und Kaufhof:Warenhäuser sind so wunderbar uncool
Karstadt und Kaufhof haben ein muffiges Image. Leider täuscht das über die vielen Vorzüge hinweg, die diese Läden bieten. Vier Lobreden auf eine deutsche Institution.
Die Gründe sind freilich verschieden: Karstadt und Kaufhof leiden darunter, dass ihre Häuser wegen des Onlinehandels an Bedeutung verlieren. Thyssenkrupp kämpft damit, dass weltweit mehr Stahl hergestellt als nachgefragt wird. Die Energiekonzerne haben zu lange auf konventionelle Kraftwerke gesetzt und suchen nun neue Geschäftsmodelle rund um die Energiewende. Und die Telekom leidet darunter, dass IT-Dienstleister in Staaten wie Indien oder Ungarn günstiger arbeiten.
Alle Unternehmen beteuern jedenfalls, dass sie kurzfristig sparen, um langfristig bestehen zu können. Vor diesem Hintergrund unterstützt auch die nordrhein-westfälische Landesregierung die Kaufhausfusion. "Dieser Schritt ist für die Zukunftsfähigkeit der beiden Unternehmen richtig", sagt Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Mittwoch. Karstadt sei in der Digitalisierung bereits vorangeschritten. "Auf diesem Know-how kann Kaufhof nun auch aufbauen", so Pinkwart.
Die Stadt Köln kämpft indes dafür, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. "Mit Kaufhof und Karstadt haben wir in Köln zwei bedeutende und traditionsreiche Kaufhäuser in bester Innenstadtlage, dazu die zentrale Kaufhofverwaltung", sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Hoffnung macht der Stadt, dass die Ketten nach eigenen Angaben beide Marken erhalten wollen. Die Gewerkschaft Verdi pocht darauf, dass die Ketten ihre etwa 30 000 Beschäftigten auch künftig nach Tarif bezahlen - und nicht noch weniger Personal im Verkauf einsetzen werden.
Doch dass die Zentralen vieler bekannter Konzerne an Rhein und Ruhr schrumpfen, lässt sich wohl kaum aufhalten. Dies verändert den Arbeitsmarkt, vor allem im Ruhrgebiet: Dort sind alleine in den vergangenen zehn Jahren knapp 40 000 Stellen im Bergbau, der Industrie und der Energiewirtschaft verloren gegangen, berichtet die landeseigene NRW-Bank in ihrem regionalwirtschaftlichen Profil. Die gute Nachricht: Im selben Zeitraum sind im Pott 115 000 neue Arbeitsplätze in der Gesundheitswirtschaft, im Sozialwesen und bei Dienstleistern entstanden.
Die Bilanz des Wandels fällt dennoch gemischt aus. Denn die Löhne in den neuen Leitbranchen, etwa der Gesundheits- oder der Logistikbranche, sind im Schnitt niedriger als etwa in der Kohle- und Stahlindustrie. Obendrein haben traditionell die wenigsten Belegschaften so viel mitzubestimmen wie in der Montanbranche. Längst ist die Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet höher, das Durchschnittseinkommen niedriger als im Bundesschnitt.
Der Pott müsse auf kleinere Unternehmen setzen, fordert der Handwerksverband
Dass Ruhrkonzerne an Bedeutung verlieren, nutzt das Handwerk für einen politischen Appell in eigener Sache: Der Pott müsse fortan mehr auf kleine und mittlere Unternehmen setzen, fordert der Dachverband Handwerk NRW. "Die Abhängigkeit der Region von Monostrukturen muss aufhören", sagt Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund.
Kürzlich hat die schwarz-gelbe Landesregierung eine Ruhrkonferenz ausgerufen, um die Zukunft des Potts gemeinsam mit der Wirtschaft, Gewerkschaften und Glaubensgemeinschaften zu gestalten. "Wir setzen insbesondere auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Ruhrgebiet maßgeblich als zukunftsfähige Wirtschaftsregion gestalten", sagt Minister Pinkwart. Sein Haus fördert zudem Gründer in Nordrhein-Westfalen.
Dass alles anders wird an Rhein und Ruhr, dafür steht kein Datum so beispielhaft wie der 21. Dezember diesen Jahres. Dann werden die Bergleute der Zeche Franz Haniel in Bottrop nach fast 100 Jahren die letzten Tonnen Steinkohle aus dem Ruhrgebiet zutage fördern.