Süddeutsche Zeitung

Kaufhof:Chronik eines Niedergangs

Lesezeit: 4 min

Wie aus dem stolzen Warenhauskonzern ein Übernahmekandidat wurde.

Von Michael Kläsgen

Der Kampf um Kaufhof beginnt im Sommer 2015. Der österreichische Immobilienunternehmer René Benko wetteifert im Bieterverfahren gegen die kanadische Hudson's Bay Company (HBC), die überraschend auf den deutschen Markt drängt.

Anfang Juni 2015 HBC steigt mit einem unverbindlichen Angebot in den Verkaufsprozess um Kaufhof ein. Der Handelskonzern Metro will Kaufhof verkaufen.

Mitte Juni 2015 Olaf Koch, Vorstandsvorsitzender der Metro AG, sagt: "Mit Hudson's Bay Company (HBC) haben wir den idealen Partner für eine erfolgreiche Zukunft von Kaufhof gefunden. HBC verfolgt eine Strategie internationalen Wachstums, und Kaufhof wird hierbei eine zentrale Rolle spielen. Neben dem attraktiven Preis und einer soliden Finanzierung war für uns bei der Transaktion ausschlaggebend, dass HBC verbindliche Zusagen für die Übernahme der rund 21 500 Beschäftigten in Deutschland und Belgien gemacht hat. HBC plant zudem keine Kürzungen bei der Belegschaft oder Schließung von Standorten mit Ausnahme derjenigen, die von Kaufhof bereits beschlossen und verkündet wurden."

Handelsexperte Professor Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg warnt, der kanadische und der US-amerikanische Markt funktionierten anders als der deutsche. Bestenfalls halte HBC-Chairman Richard Baker den Umsatz stabil. Schlimmstenfalls wiederhole sich das "Berggruen-Desaster". Der US-Investor Nicolas Berggruen hatte die insolvente Warenhauskette Karstadt 2010 übernommen, scheiterte mit einer Sanierung und veräußerte sie 2014 weiter an Benko.

HBC garantiert, über drei Jahre keine Warenhäuser zu schließen oder Jobs abzubauen, sagt Baker dem Handelsblatt. HBC wolle wachsen und Konkurrenten wie Karstadt Marktanteile abjagen. Die Belegschaft werde möglicherweise erweitert.

Jörg Funder, Handelsexperte von der Fachhochschule Worms, sagt, HBC habe "Know-how". "Die beherrschen das Geschäft aus dem Effeff und haben dazu auch noch jede Menge Onlineerfahrung."

Don Watros, der damalige Präsident von HBC International, sagt im Interview mit der Wirtschaftswoche auf die Frage, ob HBC wisse, worauf sich der Konzern in Deutschland, einem der härtesten Märkte für Einzelhändler, einlasse: "HBC hat den europäischen Markt bereits seit vielen Jahren genau beobachtet." Auf die Frage: Was werden Sie bei Kaufhof verändern, sagte er: "Zunächst einmal: Wir befinden uns in der sehr komfortablen Situation, auf den vergangenen Erfolgen des Kaufhof-Managements aufbauen zu können."

September 2015 Der damalige Kaufhof-Chef Olivier van den Bossche sieht im Interview mit der Lebensmittelzeitung HBC als Chance: "HBC verfolgt das Ziel, unser Geschäft wachsen zu lassen. Wir werden von Investitionen ebenso profitieren wie von hervorragenden Marken und von den Erfahrungen im Online-Geschäft."

30. September 201 5 Pressemitteilung Kaufhof: "Kaufhof geht davon aus, im Laufe der Zeit neue Stellen zu schaffen."

Oktober 2015 Watros sagt der Welt, HBC wolle mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr investieren.

Das Manager Magazin schreibt, immer deutlicher werde, dass HBC den Kaufpreis vom Kaufobjekt selbst mitfinanzieren lassen will, unter anderem über Mieterhöhungen. Dass die von Koch gepriesene Beschäftigungsgarantie kaum mehr wert sei als das Papier, auf dem sie gedruckt sei. Insgesamt werde der jährliche Mehraufwand für Kaufhof bei 48 Millionen Euro liegen.

Februar 2016 Bossche zieht eine positive Bilanz.

März 2016 Der damalige HBC-Chef Jerry Storch sagt: "Wir werden eine Milliarde Euro in Kaufhof investieren." Das sei eine Kampfansage an Karstadt.

Juni 2016 In der Mitarbeiterzeitung sagt Uwe Hoepfel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Kaufhof, mit dem Bekenntnis zum Erhalt der Standorte und zu den umfassenden Investitionen zeige HBC, wie ernst das Engagement gemeint sei.

März 2017 Die WAZ berichtet, bei Kaufhof herrsche große Unruhe, weil laut Insidern einiges nicht rundlaufe. Spekulationen zufolge will HBC ein Sparpaket in zweistelliger Millionenhöhe verordnen, weil Kaufhof rote Zahlen schreibe.

Die Textilwirtschaft berichtet von einer Investitionssperre. Große Umbaupläne für Häuser in Düsseldorf, Köln und Aachen würden zusammengestrichen.

April 2017 Pressemitteilung Kaufhof: HBC beruft Wolfgang Link zum CEO von HBC Europe. Kaufhof-Chef Bossche verlässt HBC Europe Ende April. Baker sagt: Wir stehen zu Strategie und Milliardeninvestitionen.

Im Interview mit dem Handelsblatt kündigen Baker und HBC-Chef Storch an, den Umsatz in Europa um 20 Prozent steigern zu wollen.

Mai 2017 HBC-Pressemitteilung: HBC-Finanzchef Paul Beesley tritt zurück.

Juli 2017 Textilwirtschaft titelt: "Kaufhof: Euler Hermes kürzt Kreditlimits für Lieferanten", Spiegel online: "Kreditversicherer lässt Kaufhof fallen", Süddeutsche Zeitung: "Alarmstimmung bei Galeria Kaufhof". Laut Wirtschaftswoche prüft HBC den Verkauf von Immobilien. Finanzmarktwelt Online fragt: "Galeria Kaufhof vor dem Aus? Über ein Immobilien-Schneeballsystem".

Ende Juli 2017 SZ: "Krise bei Kaufhof". Nach Verlust 2016, in den ersten fünf Monaten weitere Verluste vor und nach Steuern. Umsatz schrumpft, wichtige Kriterien der Bankenanforderungen nicht erfüllt.

August 2017 HBC bekräftigt in einer Pressemitteilung Bekenntnis zu Kaufhof und Investitionen in Deutschland.

Mitte August 2017 Immobilien Zeitung: HBC-Aktionär fordert Verkauf von Kaufhof.

Ende August 2017 Welt am Sonntag: Der damalige HBC-Europe-Chef Link sagt: "Wir zahlen immer pünktlich!"

September 2017 Manager Magazin: Schlussverkauf: Kaufhof Warenhaus und Konzernmutter HBC drohen sich gegenseitig in die Tiefe zu reißen. SZ: "S.Oliver verlangt Vorkasse von Kaufhof" und "Kaufhof will Mitarbeitern das Gehalt kürzen".

Anfang Oktober 2017 Kaufhof gibt nach monatelanger Personalsuche bekannt, dass der ehemalige Real-Manager Roland Neuwald Bossche nachfolgt.

HBC-Europe-Chef Link in der Mitarbeiterzeitschrift: "Wir alle müssen bereit für Veränderungen sein."

10. Oktober 2017 Link im Handelsblatt: "Wir brauchen eine wirtschaftliche Atempause." Gesamtbetriebsratschef Hoepfel teilt laut Verdi-Pressestelle mit: "Die Arbeitnehmervertretungen werden alles daransetzen, dass den Kollegen nicht in die Tasche gegriffen wird."

11. Oktober 2017 Welt Online: "Kaufhof pocht auf Lohnverzicht" .

12. Oktober 2017 Textilwirtschaft: "Kaufhof will zwei Prozent Rabatt von Lieferanten."

14. Oktober 2017 Im Spiegel spricht Verdi-Vorstand Stefanie Nutzenberger von "existenziellen Ängsten".

20. Oktober 2017 SZ: "HBC-Chef Jerry Storch gefeuert".

November 2017 Benko bietet drei Milliarden Euro für HBC-Europe. HBC bezeichnet das Angebot als "unvollständig, nicht verpflichtend und unerbeten".

5. Februar 2018 HBC beruft nach langer Suche neuen CEO: Helena Foulkes.

7. Februar 2018 Kaufhof streicht laut Pressemitteilung jede vierte Stelle in der Kölner Zentrale.

8. Februar 2018 HBC lehnt Benkos Angebot offiziell ab.

4. Mai 2018 HBC trennt sich nach gut einem Jahr von Europa-Chef Link.

15. Mai 2018 Bernd Beetz, der ehemalige Chef der Parfümeriekette Coty, wird neuer Aufsichtsratsvorsitzender von Kaufhof.

18. Mai 2018 Verdi fordert Nachbesserungen beim Sanierungstarifvertrag.

5. Juni 2018 HBC gibt offiziell ein Minus im Europageschäft an. Kaufhof-Chef Neuwald sagt, bis 2020 die Trendwende schaffen zu wollen.

26. Juni 2018 Neue Gespräch zwischen HBC und Benkos Signa werden bekannt. Eine Absichtserklärung zur Schaffung eines Joint Ventures für das Europa-Geschäft sei mit Signa unterschrieben worden.

29. Juni 2018 Verdi legt die Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag auf Eis.

6. Juli 2018 HBC bestätigt Gespräche mit Benko.

19. Juli 2018 Kaufhof rutscht offiziell tiefer in die roten Zahlen.

August 2018 Kartellamt erklärt, eine aufwendige Prüfung bei einer möglichen Fusion von Kaufhof und Karstadt zu erwarten.

11. September 2018 HBC und Signa geben offiziell eine "Fusion unter Gleichen" bekannt.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2018
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