Süddeutsche Zeitung

"Kaufhaus Schickedanz" wiedereröffnet:"Wir sind wieder da"

Quelle ist insolvent, doch das Kaufhaus Schickedanz lebt: In dem Traditionshaus wird wieder verkauft. Bei der Eröffnung gab es jedoch nur ein Thema: Lebt Madeleine Schickedanz tatsächlich in Armut?

Das Versandhaus Quelle steckt mitten in der Insolvenz, das Kaufhaus Schickedanz eröffnet. Unter dem Motto "Wir sind wieder da" startete das Traditionshaus in Hersbruck bei Nürnberg am Donnerstag um 9.00 Uhr nach dreimonatiger Schließung.

Obwohl Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz Eigentümerin des Gebäudes am Unteren Markt ist, ließ sie sich bei der Eröffnung durch ihren Mann Leo Herl vertreten. Der übergab einen historischen Schlüssel an Pächter Wolfgang Herbrig, der ehemals bei Quelle zuständig war für den stationären Handel.

Keimzelle des Versandhaus-Imperiums

Der 52-Jährige entschuldigt das Fehlen der Tochter von Grete Schickedanz, die 1946 in Hersbruck den ersten Laden mit zwei Mitarbeiterinnen eröffnete und damit die Keimzelle für das inzwischen darniederliegende Versandhaus-Imperium legte. Sie habe vor zwei Tagen bei einem Besuch angeboten, zur Eröffnung zu kommen, sagt er. Er habe es in der jetzigen Situation nach einem umstrittenen Interview, in dem sie Armutsängste geäußert und damit für Empörung gesorgt hatte, aber für besser erachtet, dass sie nicht kommt.

"Ich glaube, dass da sehr viel reininterpretiert wurde", kommentierte Herbrig die Diskussion um die angeblich verarmte Unternehmerin, die nach eigener Aussage von 500 bis 600 Euro im Monat leben muss. Sie sei missverstanden worden und habe lediglich klarstellen wollen, dass sie in Hersbruck nicht wie eine Fürstin lebe, betonte Herbrig.

Am 15. Oktober, wenn der Gesamtkomplex mit drei Geschäften renoviert sei, werde sie aber kommen, versprach Herbrig. Dann könne das Haus auch in einem Rahmen eröffnet werden, "wo sie auch auftreten kann", fügte er hinzu.

Gespräche in "reservierter Atmosphäre"

Herbrig hatte das früher von Quelle geführte Kaufhaus zum 1. Juni als Pächter übernommen und damit auch die knapp 30 Mitarbeiter. "Ich weiß nicht, ob es verrückt ist, mutig ist es sicher", sagte er.

Verträge mit Quelle selbst hat er nicht, ausschließlich mit Madeleine Schickedanz. Die Übernahme sei ihm nicht immer leichtgemacht worden, sagte der frühere Manager des Warenhauses. Die Gespräche über die Übernahme der Restware und einen Liefervertrag für Elektrogeräte seien in "reservierter Atmosphäre" abgelaufen.

Herbrigs Optimismus wird gespeist von der Treue der Hersbrucker zu Schickedanz und Quelle. "Hier hat jeder Zweite eine Waschmaschine von Privileg", sagte er. Die zweite Bürgermeisterin der Stadt, Brigitta Stöber, pflichtete ihm bei: "Das ist eine Bereicherung für die Stadt." Und der Geschäftsmann setzt auf die Hersbrucker: Er rechnet mit einem Jahresumsatz von 3,3 Millionen Euro.

Auf der nächsten Seite: Warum Hersbruck Modell für andere Quelle-Filialen sein könnte - und welche Produkte bei der Neueröffnung reißenden Absatz fanden.

Vielversprechender Küchenbereich

Der 52-Jährige sieht Hersbruck durchaus als Modell, um noch möglichst viele der über 130 Quelle-Filialen in Deutschland zu erhalten. "Ich kann nur den jetzigen Managern empfehlen, den Geschäftsleitern die Filialen anzubieten", bekräftigte Herbrig.

Besonders gute Erfolgsaussichten hat dies nach seiner Einschätzung im Küchenbereich. Auf die Filialen komplett verzichten könne der insolvente Warenhausriese nicht, schließlich würden 93 Prozent des Handelsumsatzes in Deutschland immer noch stationär gemacht.

In dem jetzt wiedereröffneten und teilrenovierten Kaufhaus in Hersbruck werden auf 1600 Quadratmetern Produkte aus den Bereichen Textilien und Technik angeboten, im weiteren Ausbau sollen noch Spielwaren dazukommen. Der komplette Umbau soll bis zu 500.000 Euro kosten.

Der Ansturm zur Eröffnung auf Betten-Sets für 39 Euro und Damen-Slips für 5 Euro war jedenfalls zur Wiedereröffnung groß. Herbrig sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt: "In Hersbruck sind wir die Nummer Eins."

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