Kaufhäuser:Der große Traum von K&K

06 11 2011 Trier Rheinland Pfalz Deutschland Die Filialen von Karstadt und Kaufhof liegen in de

Aus zwei mach eins? Oft liegen die Filialen der beiden deutschen Kaufhausketten nicht weit auseinander - wie hier in Trier.

(Foto: Rupert Oberhäuser/Imago)

Karstadt und Kaufhof, das könnte in Zukunft eins werden. Der Unternehmer René Benko bietet drei Milliarden Euro - und ist seiner Warenhaus AG so nah wie nie.

Von Michael Kläsgen

Wird aus Kaufhof und Karstadt eine deutsche Warenhaus AG? Davon träumt der österreichische Immobilienunternehmer René Benko seit Längerem. Nun hat er für Kaufhof drei Milliarden Euro geboten. Es ist das dritte Mal, dass der Karstadt-Eigner Benko um Kaufhof wirbt. Zweimal platzte sein Traum. Diesmal ist er ihm aber so nahe wie nie zuvor. Denn die Situation heute unterscheidet sich heute grundlegend von der in den Jahren 2011 und 2015.

Das hat mehrerlei Gründe: Galeria Kaufhof war vor zwei Jahren noch ein im Kern gesundes Unternehmen, Karstadt hingegen lag insolvent darnieder. Benkos Signa Holding kaufte Karstadt 2014 vom US-Investor Nicolas Berggruen für einen symbolischen Euro. Seither schaffte Karstadt unter dem Signa-Einzelhandelschef Stephan Fanderl die Trendwende und verdient wieder Geld.

Kaufhof hingegen wurde 2015 von der kanadischen Hudson's Bay Company (HBC) übernommen. Das Desaster ist inzwischen weitgehend bekannt, auch wenn es von HBC so offiziell nicht kommuniziert wird. Nicht nur sinken die Umsätze wie schon in den Jahren zuvor, vielmehr verbrennen nach SZ-Informationen 50 der knapp 100 Filialen in Deutschland jeden Tag Geld. Die Verluste häufen sich, ein Wunder ist im Weihnachtsgeschäft nicht zu erwarten. Kaufhof brauchte angesichts dieser Dramatik sechs Monate, um einen neuen Deutschland-Chef zu finden. Der ehemalige Real-Manager Roland Neuwald soll es richten, wie am Donnerstag bekannt wurde.

Zudem strauchelt der Mutterkonzern HBC selber. Er steht seinerseits ohne offiziellen Chef und hoch verschuldet da. Interims-Chef Richard Baker verscherbelte vorige Woche scheinbar wie in Panik eine Top-Immobilie in New York, über den Verkauf einer weiteren wird spekuliert - offenbar nur mit einem Ziel: um sich so einen kleinen finanziellen Spielraum für ein paar weitere Monate zu verschaffen.

Der entscheidende Grund aber, warum HBC ein Interesse daran haben könnte, Kaufhof wieder zu verkaufen, ist die Art der Finanzierung, mit der die Kanadier den Kauf 2015 realisierten. Die 2,8 Milliarden Euro zahlten sie mithilfe von Partnern und wesentlich über Kaufhof selber, ganz im Stil von Private-Equity-Firmen, auch Heuschrecken-Investoren genannt. Denn HBC führte eine jährlich um zwei Prozent steigende Staffelmiete ein, steigerte so den Wert des Immobilienportfolios formal um schätzungsweise etwa eine Milliarde Euro.

Danach brachte HBC 2,6 Milliarden Euro des Portfolios in eine Immobilien-Beteiligungsgesellschaft namens HBS Global Properties ein, an der HBC inzwischen nur noch 63 Prozent hält. Wenn aber die Mieten jährlich um zwei Prozent steigen, der Umsatz aber jährlich um zwei Prozent sinkt, "killt die Miete den Laden irgendwann komplett", wie ein Insider sagt, mit gravierenden Folgen. Kaufhof könnte, je schlechter es läuft, die Konzernmutter HBC mit in den Abgrund reißen. Daran wird Baker sicher kein Interesse haben. Gleichzeitig verfügt HBC aber auch nicht über das notwendige Geld, um Kaufhof eine Zeitlang zu alimentieren. Vieles spricht daher für einen Schnitt. Dagegen spricht, dass Baker Benko angeblich nicht mag.

Haben Kaufhäuser in der Zukunft überhaupt noch eine Chance?

Auf der Seite des Österreichers sind wiederum der aktivistische HBC-Aktionär Jonathan Litt, der einen Verkauf aller Geschäftsaktivitäten in Europa befürwortet, und offenbar auch die Gewerkschaft Verdi, die sich das nur so nicht offiziell zu sagen traut. Auch weil sie 2015 noch einen Verkauf an die Kanadier befürwortete.

Die Chance für eine Warenhaus AG stehen diesmal auch deshalb besser als in den Jahren zuvor, weil Benko die Finanzierung von langer Hand vorbereitet hat. Vor einem Monat gab sein Immobilienkonzern eine Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro bekannt. Etwa 600 Millionen kommen von der Familienstiftung des Signa-Gründers Benko, deren Anteil von 60 auf 61 Prozent steigt. Zu den weiteren Aktionären gehören unter anderem die RAG-Stiftung in Essen, der Landwirtschaftliche Versicherungsverein Münster und auch der "Kleinaktionär" Niki Lauda, der gut acht Millionen Euro zuschoss.

HBC bezeichnete die Drei-Milliarden-Offerte zwar in einer ersten Reaktion als "unvollständig und unzureichend", aber auf Signa-Seite wiegelte man dies als das "übliche Geplänkel" ab. Tatsächlich spielt die Zeit für Benko. Je größer der finanzielle Druck auf HBC, desto wahrscheinlicher ein Verkauf. Dass er innerhalb der von Signa anberaumten Frist von 14 Tagen verkündet wird, gilt aber als unwahrscheinlich.

Ob eine deutsche Warenhaus AG überhaupt Sinn hätte, darüber wird seit Jahren ergebnislos diskutiert. Manche glauben, dadurch verlängere sich nur das Siechtum der Warenhäuser in Deutschland. Wahr daran ist, dass der Onlinehandel als Konkurrent weiter Marktanteile gewinnen dürfte. Dennoch glauben viele Experten, dass Kaufhäuser eine Chance haben. Sie müssten, um attraktiv zu sein, aber mit viel Geld modernisiert werden. Geld, von dem im Moment keiner so recht weiß, woher es kommen soll. Und zweitens müssten die Warenhäuser einem generellen Trend hin zu einer stärkeren Regionalisierung oder sogar Lokalisierung folgen. Kaufhäuser dürften kein Einerlei mehr bieten, sondern müssten auf die Wünsche der Kunden am Ort eingehen.

Eine andere Frage ist, ob die Fusion von Karstadt und Kaufhof an vielen Orten aus Wettbewerbssicht überhaupt zulässig ist. Aber noch stellt sich diese Frage nicht.

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