Katastrophe in Japan:Angst um den Reis

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In Japan werden die Lebensmittel knapp: Hamsterkäufe und Transportprobleme machen dem Handel zu schaffen. Noch kann sich das Land aber selbst versorgen.

Silvia Liebrich und Stefan Weber

In Japan wird die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser für die Bevölkerung immer schwieriger, besonders in dem vom Erdbeben verwüsteten Nordosten des Landes und im Großraum Tokio. In den Geschäften seien viele Regale nach Hamsterkäufen leergeräumt, melden Nachrichtenagenturen. Augenzeugen berichten von tumultartigen Szenen in den Geschäften.

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Nach Angaben von Händlern gibt es vor allem beim Grundnahrungsmittel Reis in einigen Landesteilen Engpässe. Dem Aufruf des japanischen Verbraucherschutzministeriums, nur das Nötigste zu kaufen, folgen offenbar nur wenige Japaner. Nach Einschätzung von internationalen Beobachtern hat das Land die Versorgung der Bevölkerung jedoch unter Kontrolle. Bislang griff das Land auch nicht auf die zahlreichen Hilfsangebote aus dem Ausland zurück.

"Einen tatsächlichen Überblick über die Versorgungslage zu bekommen, ist derzeit schwierig", sagt Ralf Südhoff, Leiter des deutschen Büros des UN World Food Programme (WFP) in Berlin. Die Organisation der Vereinten Nationen hat der japanischen Regierung bereits ihre Unterstützung angeboten. "Die Regierung hat diese Hilfe aber bisher nicht angefordert", ergänzt er und verweist darauf, dass das WFP auf Nothilfedepots im asiatischen Raum zurückgreifen könne. "Wir könnten jederzeit Nahrungsmittel einfliegen."

Mitarbeiter der UN-Organisation unterstützen die japanischen Behörden derzeit jedoch dabei, die Verteilungslogistik zu verbessern. Ähnlich äußert sich auch ein Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes. "Japan hat gebeten, keine ausländischen Helfer ins Land zu schicken, weil es die Versorgung selbst leisten kann." Spenden seien jedoch höchst willkommen

Einzelhändler setzen alles daran, für Nachschub zu sorgen. "Wir arbeiten rund um die Uhr, um die Lieferungen an die Läden zu verbessern", meldet die Supermarktkette Wal-Mart. Vor allem im Raum Tokio warten viele Geschäfte auf neue Lieferungen. Ausfälle in der Stromversorgung sorgen jedoch immer wieder für Verzögerungen. Auch der größte deutsche Handelskonzern Metro ist betroffen. Das Unternehmen betreibt neun Märkte für Großverbraucher im Großraum Tokio. Das Erdbeben habe dort kaum Zerstörungen angerichtet, heißt es in der Konzernzentrale in Düsseldorf. Noch seien die Regale gut gefüllt. Zwar würden viele Kunden mehr einkaufen als üblich, aber Hamsterkäufe habe es nicht gegeben.

Allerdings verzeichnet auch Metro erste Lieferausfälle, unter anderem bei Reis. Vor allem die Verkäufer im Norden des Landes, wo Erdbeben, Flutwelle und Strahlenbelastung große Schäden verursacht haben, seien nicht mehr lieferfähig. "Wir bemühen uns um alternative Bezugsquellen im Süden", sagte ein Manager. Etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt Metro in Japan. Auf Anweisung der Konzernleitung haben die vier internationalen Manager das Land verlassen.

Japan ist bei der Lebensmittelversorgung zu 50 Prozent auf Importe angewiesen. Nur zwölf Prozent der Fläche sind für eine landwirtschaftliche Nutzung geeignet, zugleich aber ist die Produktivität im internationalen Vergleich sehr hoch. So konnte sich das Land bislang auch mit dem Grundnahrungsmittel Reis selbst versorgen. Als Lieferant für die Weltmärkte spielt Japan dagegen kaum eine Rolle.

Welche langfristigen Auswirkungen die Katastrophe von Fukushima auf Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung haben wird, wagt derzeit kaum jemand vorherzusagen. Im Leitungswasser nahe des Unglücks-Kernkraftwerks wiesen die Behörden am Mittwoch erstmals geringe Mengen an radioaktivem Cäsium und Jod nach. "Alles hängt nun davon ab, wie sich die Situation weiter entwickelt", sagt Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace. Kommt es zu einer gravierenden Verseuchung des Grundwassers, dann wären die betroffen Gebiete nicht mehr für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung nutzbar. Bislang gehen Experten wie Edler jedoch davon aus, dass ein solches Schreckensszenario verhindert werden kann.

© SZ vom 17.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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